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Russischer Doping-Skandal
Gespanntes Warten auf die Daten

Die Wieder-Anerkennung der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA durch die WADA war weltweit auf Kritik gestoßen. Nun geht es darum, ob Russland die Bedingungen der WADA erfüllt - und die Daten aus dem umstrittenen Anti-Doping-Labor herausgibt. Beobachter befürchten Manipulationen.

Von Gesine Dornblüth |
    Eingang zur russischen Anti-Doping Agentur RUSADA.
    Die russische Anti-Doping Agentur RUSADA wurde im September 2018 von der WADA begnadigt - allerdings mit Bedingungen. (imago sportfotodienst)
    Drei Experten der WADA waren Ende November in Moskau, um Details der Datenübergabe zu besprechen. WADA-Wissenschaftsdirektor Olivier Rabin sprach danach von einem "Fortschritt", allerdings müssten weiterhin noch einige Punkte "geglättet" werden. Welche das seien könnten, erläutert Natalja Marjantschik, Doping-Expertin bei der führenden russischen Sportzeitung "Sport-Express": "Das fängt an bei der Frage, wie viele Menschen in das Labor hinein dürfen, wie lange sie sich dort aufhalten, wohin genau sie gehen, wohin nicht. Alle Besucher müssen vorher überprüft werden. Es geht nicht um ein File, das man per Email verschicken oder auf einem USB-Stick überreichen kann. Die Experten der WADA müssen die Festplatte aus dem Computer ausbauen."
    Russlands Bürokratie ist auch so schon berüchtigt. Im Fall der Datenübergabe wird es noch komplizierter, denn das Moskauer Anti-Doping-Labor ist von den russischen Ermittlungsbehörden versiegelt, also für Außenstehende nicht zugänglich, erst recht nicht für Ausländer. In Russland laufen mehrere Verfahren gegen den ehemaligen Leiter des Labors, den Whistleblower Grigorij Rodtschenkow. Der lebt mittlerweile im FBI-Zeugenschutzprogramm in den USA.
    Whistleblower Rodtschenkow gilt in Russland als Verräter
    Der Leiter der russischen Antidoping-Agentur RUSADA, Jurij Ganus, sagte Journalisten diese Woche, Russland werde die Daten deutlich vor Ablauf der Deadline aushändigen, und zwar noch vor dem 22. Dezember 2018. Ganus habe begriffen, was für Russlands Sportler auf dem Spiel stehe, meint Natalja Marjantschik vom Sport-Express: "Vor allem Juri Ganus besteht sehr darauf, dass die Proben ausgehändigt werden, und er sagt ganz klar: Wenn das nicht passiert, dann werden unsere Sportler überhaupt nicht starten können, bei keinen Wettkämpfen, in keiner Sportart. Es wird ein Albtraum, wie ihn Russland wahrscheinlich noch nie erlebt hat. Ich hoffe sehr, dass sie im Olympischen Komitee und im Sportministerium das auch verstehen. Aber da gibt es dann schon andere Mechanismen, verbunden mit höheren Etagen der Macht."
    Russlands Sportminister Pavel Kolobkov hatte sich nach dem Besuch der WADA-Experten in Moskau weit zurückhaltender geäußert: Es sei zu früh, über einen Zeitrahmen zu sprechen und darüber, was noch zu tun sei. Dass die russischen Ermittlungsbehörden das Labor in Moskau versiegelt haben und eigene Untersuchungen durchführen, werten Beobachter als einen Schachzug Russlands, um die Ermittlungen der WADA zu behindern. Das einflussreiche Ermittlungskomitee ist personell eng mit dem Kreml verwoben, sein Leiter gilt als Vertrauter Wladimir Putins.
    Und der russische Präsident Putin hält den ehemaligen Labor-Chef Rodtschenkow, der öffentlich über das systematische Doping ausgepackt hat, für einen Verräter. Eine Einschätzung, die in Russland kaum jemand öffentlich anzweifelt, auch nicht Natalja Marjantschik: "Dass das Labor versiegelt ist, ist keine Laune der russischen Seite, um Aufklärung zu behindern. Rodtschenkow hat als Laborchef unvorstellbare Sachen gemacht, und zwar nur für seinen persönlichen Vorteil. Er hat von den Sportlern Geld genommen, um positive Proben zu verbergen. Ich hoffe, dass das Verfahren gegen ihn zu Ende geführt wird."
    Wer manipuliert was - und zu welchem Zweck?
    Die russische Sportpresse ist in Sachen Doping weitgehend auf Seiten der russischen Funktionäre und Politiker. Einhellig heißt es: Es gibt Probleme, aber kein Staatsdoping. Darum aber geht es in der Auseinandersetzung und die Daten aus dem Moskauer Dopinglabor wären ein weiterer Beweis. Nebenbei: Natalja Marjantschik arbeitet neben ihrem Job als Journalistin auch noch als Pressesprecherin der vor zwei Jahren von Präsident Putin eingesetzten Nationalen Anti-Doping-Kommission.
    Grigorij Rodtschenkow hat sich am Dienstag über seinen Anwalt zur Frage der Datenübergabe geäußert. Er sehe, so wörtlich, "null Chance", dass Russland den Experten der WADA Zugang zu den Originaldaten gewähre. Auch Natalja Marjantschik vom Sport-Express hält es für möglich, dass die Daten manipuliert wurden. Und zwar von Rodtschenkow. Ihm traut sie zu, einzelnen russischen Sportlern eins auswischen zu wollen:
    "Bei uns in Russland gibt es Informationen, dass Rodtschenkow die Möglichkeit hatte, aus der Ferne Veränderungen an dem Datensatz vorzunehmen. Ich glaube gern daran, denn Rodtschenkows hat tausend Jahre in dem Labor gearbeitet, hatte dort eine Million Bekannte, auch Programmierer, und es war kein Problem für ihn, hinten herum irgendetwas zu verändern."
    Doch Marjantschik schließt nicht aus, dass auch das Ermittlungskomitee eigene Interessen und nachträgliche Manipulationen ermöglicht haben könnte: "Das Ermittlungskomitee ist eine ganz eigene Struktur. Wir Leute aus dem Sport haben nichts mit ihm zu tun. Ich kann mir nur schemenhaft vorstellen, wie es überhaupt arbeitet. Man darf nichts ausschließen. Uns bleibt nur die Hoffnung, dass alles so läuft, wie es laufen soll.
    "Meine einzige Hoffnung ist, dass es bei der WADA genauso so gute Programmierer gibt wie bei uns, die mit Bestimmtheit sagen können, wann welche Veränderungen vorgenommen wurden, und die die echten Daten von denen unterscheiden können, die möglicherweise später korrigiert wurden."
    Die WADA allerdings sieht sich selbst zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, gegenüber Russland einzuknicken.