Bislang ist der russische Impfstoff Sputnik V in der EU nicht zugelassen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) überprüft derzeit die Sicherheit des Impfstoffes. Damit der Impfstoff im Fall der Zulassung schnell innerhalb der EU verimpft werden kann, müsste die EU bereits jetzt einen Vorvertrag schließen. Doch der russische Impfstoff Sputnik V soll nicht gemeinsam über die EU bestellt werden, wie es bei anderen Impfstoffen der Fall war. Deswegen strebt die Bundesregierung einen unabhängigen Kauf des Impfstoffes an. Am 9. April bestätigte sie Verhandlungen über den Kauf von Sputnik V. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte, man sei in Gesprächen über einen Vorvertrag. Er bekräftigte aber auch, dass ein Einsatz des Impfstoffs erst in Frage komme, wenn er die Zulassung der europäischen Arzneimittelbehörde EMA habe. Auch Bayern und Mecklenburg-Vorpommern verhandeln über den Kauf von Sputnik V.
Der EU-Binnenmarktkommissar und Impfstoff-Beauftragte der EU-Kommission Thierry Breton hat begründet, warum die EU den russischen Impfstoff Sputnik V nicht für Europa bestellt. Für Breton stellt sich bei neuen Impfstoffen im Moment eine Frage: Können sie dazu beitragen, dass die EU ihr Impfziel für diesen Sommer erreicht – also rund 70 Prozent der erwachsenen Europäer zu impfen? Bretons Antwort im Fall Sputnik V lautet: nein. Das liegt daran, dass die europäische Arzneimittelbehörde EMA den Impfstoff erst freigeben muss und ihn momentan noch überprüft. Die Überprüfung kann noch dauern, denn dafür benötigt die EMA weitere Informationen aus Russland und muss auch dortige Produktionsstätten besichtigen, was Russland gerade verschoben hat. Breton geht davon aus, dass die EU von den bereits zugelassenen Impfstoffen schon so viele Dosen erhalten wird, dass auch ohne Sputnik V ausreichend geimpft werden kann.
Die russische Seite reagiert ziemlich dünnhäutig, wenn Zweifel an Sputnik V aufkommen. So hatte zum Beispiel die "Financial Times" berichtet, dass die EMA erst einmal prüfen müsse, ob die russischen Studien überhaupt internationalen Standards entsprechen. Der offizielle Sputnik-V-Twitter-Account bezeichnete diesen Bericht als Fake News.
Gleichzeitig greifen russischen Medien die EU an: Eine Pressemitteilung des russischen Auslandsgeheimdienstes wurde mit der Behauptung zitiert, dass EU-Bürokraten alles täten, um Sputnik V zu diskreditieren. Dafür wurde sogar der EMA-Chefin Emer Cooke in den Mund gelegt, sie wolle den russischen Impfstoff verbieten.
Es zeigt sich also, dass Sputnik V von einer ziemlich offensiven Medienkampagne begleitet wird. Das Credo der russischen Medien lautet: Es ist einer der besten Impfstoffe gegen das Coronavirus. Die landesweiten Impfungen in Russland hatten im Dezember 2020 begonnen, gehen aber relativ langsam voran.
Es gibt einige Länder oder auch Regionen, die eigenständig Sputnik V einsetzen wollen — mal mit, mal ohne Segen von Europas Arzneimittelbehörde. Madrid hat über den Kauf verhandelt. Die süditalienische Region Kampanien hat bestellt. Italien insgesamt will sich auch ohne EU-Koordination Sputnik V sichern. Österreich will eine Million Impfdosen kaufen.
Die Slowakei hat schon 200.000 Impfdosen erhalten, aber auch in diesem EU-Land gibt es Streit um Sputnik V. Dem slowakischen Ministerpräsidenten Igor Matovič wurde neben Fehlern im Corona-Krisenmanagement auch der hastige Ankauf des russischen Impfstoffs vorgeworfen, was zu seinem Rücktritt geführt hat. Matovič selbst, der noch Finanzminister ist, kritisierte negative Medienberichte auf Facebook als böswillige Verschwörung. Außerdem hat die slowakische Arzneimittelbehörde Sputnik V bislang nicht zugelassen. Denn sie hat andere Inhaltsstoffe gefunden als in den bisher von der EMA und dem Fachmagazin "The Lancet" untersuchten Proben. Russland fordert die Impfdosen zurück. Matovič ist nach Moskau gereist, um mit dem Chef des russischen Staatsfonds verhandeln, der Sputnik V vertreibt.
In Tschechien ist am 7. April zum dritten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie der Gesundheitsminister ausgewechselt worden. Diesmal gefiel Ministerpräsident Andrej Babis nicht, dass der Gesundheitsminister Jan Blatny auf die EMA-Freigabe für Sputnik V warten wollte.
Häufig stehen Wahlen in den Ländern an, in denen Politikerinnen und Politiker versuchen, mit Sputnik V das Impftempo zu erhöhen. In Madrid, wo über den Kauf des Impfstoffes verhandelt wird, finden im Mai Regionalwahlen statt. In Tschechien gibt es in einem halben Jahr Parlamentswahlen. In Ungarn, wo bereits mit Sputnik V geimpft wird, will Regierungschef Viktor Orbán die Wirtschaft ankurbeln, bevor in einem Jahr ein neues Parlament gewählt wird.
Ungarn ist bislang das einzige EU-Mitgliedsland, das mit Sputink V derzeit impft. Die Impfkampagne ist dort weiter fortgeschritten als in anderen europäischen Ländern: 29 Prozent der Bevölkerung haben zumindest eine Impfung erhalten. Im Vergleich: In Deutschland ist der Anteil knapp halb so hoch. Der Vorsprung liegt aber nicht nur an Sputnik V, sondern auch am chinesischen Impfstoff Sinopharm, mit dem sich auch Orbán impfen ließ. Davon hat Ungarn mehr als doppelt so viel gekauft wie von Sputnik V. Die Impfquote nennt Orbán einen Meilenstein. Die Corona-Restriktionen hat er gelockert, sodass zum Beispiel Einzelhandel und Friseure wieder geöffnet haben.
(Quelle: Benjamin Dierks, afp)