Archiv

Russland-Connection an der Ostsee
Die SPD und die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern

Kritiker sind davon überzeugt: Anfang 2021 soll die Schweriner SPD/CDU-Regierung die Klimastiftung MV nur gegründet haben, um die Pipeline Nord Stream 2 weiterbauen zu können. Ein Untersuchungsausschuss wird seine Arbeit bald wieder aufnehmen - vor allem die Sozialdemokraten stehen unter Druck.

Von Silke Hasselmann | 22.07.2022
Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern
Erwin Sellering, früherer Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV, will das Kapitel Nord Stream 2 beenden. (picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Jens Büttner)
„Klima schützen heißt Zukunft sichern. Klima schützen heißt unser Land sichern, und deshalb wollen wir diese Stiftung auf den Weg bringen. Und ich bitte Sie dafür heute um Ihre Zustimmung.“ - Schwerin, 7. Januar 2021: Dringlichkeitssitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Einziger Tagesordnungspunkt: Der Antrag der SPD-geführten Landesregierung, das Parlament möge sie mit der Gründung einer „Stiftung für Klima- und Umweltschutz MV" beauftragen und einmalig 250.000 Euro für Verwaltungskosten und Stiftungskapital bewilligen.
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig lässt es sich nicht nehmen, den Antrag zu begründen. Die damaligen Regierungsfraktionen von SPD und CDU folgen dem Antrag ebenso geschlossen wie die oppositionelle LINKE. In den AfD-Reihen gibt es Enthaltungen. Das Protokoll vermerkt keine Gegenstimmen.
Noch am Nachmittag werden die Stiftung gegründet und deren Satzung veröffentlicht. Tags darauf erkennt das CDU-geführte Justizministerium die „Stiftung bürgerlichen Rechts“ an. SPD-Ministerpräsidentin Schwesig beruft drei ehrenamtliche Vorstände: Katja Enderlein, Geschäftsführerin einer Greifswalder Klinik, Werner Kuhn, einstiger Europa-Abgeordneter von der CDU, und Erwin Sellering. Einst war er Richter, dann Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, er ist Mitglied der SPD.

Grüne und Liberale wollen Untersuchungsausschuss

Schwerin, 17. Juni 2022: Wieder befasst sich der Schweriner Landtag mit einem Antrag zur „Klimastiftung MV“, und wieder wird er ohne Gegenstimmen angenommen. Doch dieses Mal geht die Initiative von den oppositionellen Grünen und Liberalen aus, die es bei der Landtagswahl vorigen Herbst ins Parlament geschafft haben. Sie wollen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „Klimastiftung MV“ einsetzen, der sich auch mit Nord Stream 2 und der vermeintlichen SPD-Russland-Connection befassen soll.
Der Hauptgrund dafür, so Grünen-Fraktionschef Harald Terpe: "Seit ihrer Gründung vor gerade einmal knapp eineinhalb Jahren gab es Zweifel darüber, wessen Interesse die damalige Landesregierung aus welcher Motivation auch immer bedient hat. Es gab von Beginn an Kritik an der Stiftungskonstruktion verbunden mit der Frage nach dem eigentlichen Stiftungszweck. Das muss der Parlamentarische Untersuchungsausschuss beleuchten und Transparenz herstellen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Derzeit bilden SPD und Linkspartei die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern. Die CDU musste in die Opposition wechseln, wo sie prompt den Untersuchungsausschuss zur Klimastiftung MV unterstützte. Sie stellt mit Sebastian Ehlers den Vorsitzenden. Warum will die CDU auf diesem Weg klären, was sie zuvor als Regierungspartner der SPD klaglos mitgetragen hatte?

„Ja, ich finde es schon wichtig, dass man mit offenen Karten spielt. Und es gab damals ja schon sehr viel Kritik gerade von Umweltverbänden. Die habe ich persönlich immer nachvollziehen können, weil: Also als Christian Pegel das bei uns in der Fraktion vorgestellt hat, haben wir über viele Themen gesprochen. Über Klimaschutz haben mit keiner Silbe gesprochen, weil es einfach mal klar ist, dass es um etwas anderes ging.“
Stiftung Klima.- und Umweltschutz
Umweltverbände und Parteien fordern die Auflösung der maßgeblich mit russischem Geld finanzierten Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern. Kritiker hatten stets von einer „klimaschädlichen Fake-Stiftung“ und von „Putins Gas-Lobbyisten“ gesprochen. (picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Geheime Vorbereitungen russlandfreundlicher Sozialdemokraten

Nicht von ungefähr sei der der Plan lange Zeit im Geheimen ausgerechnet von einem exklusiven Kreis russlandfreundlicher Sozialdemokraten vorbereitet worden. 

"Die Akten, die bisher vorliegen, da sieht man sehr deutlich, dass das eigentlich in so einem Dreiecksverhältnis gelaufen ist zwischen dem Energieminister Christian Pegel, dem Chef der Staatskanzlei Heiko Geue und der Ministerpräsidentin - alle SPD. Das Ganze in enger Rückkopplung mit der Nord Stream 2 AG, und es wird jetzt zu klären sein, wer da wirklich die Idee hatte und wer vielleicht auch den ersten Aufschlag gemacht hat. Ob es wirklich Herr Pegel oder jemand anderes war."

Die Pipeline gehört dem russischen Energiekonzern Gazprom, Hauptgesellschafter der Nord Stream 2 AG. Darüber hinaus zählen auch die deutschen Energieunternehmen BASF/Wintershall und UNIPER zu diesem Konsortium, das den Bau und den Betrieb der Ostseetrasse von Russland nach Vorpommern zum Ziel hat. Sie soll russisches Erdgas transportieren, genau wie die parallel verlaufende, seit 2011 arbeitende Schwestertrasse Nord Stream 1.
Doch trotz der erteilten Genehmigungen aus allen betroffenen Ostseeanrainerstaaten kommt die Arbeit an der Pipeline Ende 2019 zum Erliegen. Die US-Regierung droht jedem Privatunternehmen, das sich jetzt noch an der Fertigstellung von Nord Stream 2 beteiligt, mit Zitat „vernichtenden Konsequenzen“ für deren Aktivitäten auf dem US-amerikanischen Finanz-, Versicherungs- oder Wirtschaftsmarkt. Auch betroffen: der Hafen Sassnitz-Mukran auf der vorpommerschen Ostseeinsel Rügen.
Das Schiff Blue Ship der Klimastiftung MV liegt im Fährhafen Mukran im Landkreis Vorpommern-Rügen.
Das Schiff Blue Ship der Klimastiftung MV liegt im Fährhafen Mukran im Landkreis Vorpommern-Rügen. (IMAGO/Jens Koehler)

Rechtskonstrukt gegen US-Sanktionsdrohungen

Um die letzten 150 Leitungskilometer zu verlegen und damit die Nord-Stream-2-Pipeline doch noch fertigzubekommen, wird mit der Landesstiftung ein Rechtskonstrukt gefunden, an dem Strafdrohungen aus Washington abprallen. Sie agiert wie ein Puffer zwischen der Nord Stream 2 AG und bauwilligen Firmen und Dienstleistern, indem sie Aufträge und Bezahlung über ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abwickelt. Nord Stream streckt das Geld freilich vor. Am Ende werden es 165 Millionen Euro für etwa 80 Vertragspartner sein.
„Auch, wenn es in der Satzung als Nebenzweck definiert war – es war in der Argumentation der Begründung immer der Hauptzweck. Und ich finde, so offen und ehrlich hätte man damals auch sein sollen", sagt Sebastian Ehlers von der CDU. "Und die Stiftung hat sich nachher ganz schön verselbständigt. Das muss man mal ganz kritisch aufarbeiten. Und da ist dann am Ende der Untersuchungsausschuss das schärfste Schwert, was die Opposition hier im Landtag ziehen kann. Wir haben es in der Fraktion ganz offen diskutiert, auch natürlich vor allem mit denjenigen, die jetzt die letzten Jahre in Verantwortung waren, die alle gesagt haben: 'Wir haben da ein reines Gewissen. Wir stellen uns da den Fragen. Wir sind da für Transparenz.'“

Schwesigs Plädoyer für Gas aus der Ostseepipeline

Sie seien es schon bei der Dringlichkeitssitzung des Landtages im Januar 2021 gewesen, heißt es aus den SPD-Reihen. Tatsächlich stellte Ministerpräsidentin Schwesig damals klar, dass es Zusammenhänge der Klimastiftung mit der Nord Stream 2 AG gibt: „Die Nord Stream 2 AG hat sich bereit erklärt, die Stiftung finanziell zu unterstützen. Jetzt sofort beim Aufbau mit 20 Millionen Euro. Und später dann eine dauerhaft jährliche Unterstützung, wenn die Ostseepipeline fertiggestellt ist."

Dann spricht die Schweriner SPD-Politikerin den heikelsten Punkt der künftigen „Stiftung Klima- und Umweltschutz“ an:   

"Eine Besonderheit ist, dass sie auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bekommen kann, der zeitlich befristet ist und genutzt werden kann, die Fertigstellung der Ostseepipeline 2 zu unterstützen. Und was hat die jetzt mit Klimaschutz zu tun, fragen sich einige? Es ist richtig, dass wir 2022 aus Atomenergie aussteigen. Es ist auch richtig, dass wir aus Kohlekraft aussteigen. Aber der Energiebedarf wird der gleiche sein, und gerade wir als Industrienation - und die wollen wir bleiben -  sind angewiesen auf Energie. Und Ziel dieses Landes ist, dass wir unsere Energieversorgung aus erneuerbaren Energien stemmen. Und der Weg dahin, und das ist schon immer unsere Auffassung, ist Gas. Gas aus der Ostseepipeline anstatt Fracking-Gas."
Manuela Schwesig bei einer Pressekonferenz.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern hat ihre Haltung zur umstrittenen Klimastiftung MV geändert und plädiert für eine Umwidmung des Stiftungskapitals für humanitäre Zwecke in der Ukraine-Krise. (imago images/Emmanuele Contini)

Treffen Schwesigs mit Putin-Freunden Schröder und Warnig

Anfang Juli 2022: Nach einer Auskunftsklage durch die Zeitung DIE WELT beantwortet die SPD-geführte Staatskanzlei Fragen nach Treffen und Kontakten von Ministerpräsidentin Schwesig mit Gazprom- beziehungsweise Nordstream-Vertretern ausführlicher als beim ersten Mal. So werden drei Schwesig- Treffen mit Gerhard Schröder aus den Jahren 2018/19 nachgereicht, bei denen es sich allerdings „um einen persönlichen Austausch und nicht um ein Arbeitstreffen zum Bau der Ostseepipeline“ gehandelt habe, so die Schweriner Staatskanzlei. [*]
Die AfD will es genauer wissen. Deren Obmann kündigt Anträge an, SPD-Altkanzler Schröder und Ex-Nordstream-Vorstandschef Warnig als Zeugen vor den Untersuchungsausschuss zu laden. Diese beiden Männer standen bzw. stehen seit vielen Jahre als Chefmanager beziehungsweise Aufsichtsratsvorsitzende im Dienst russischer Energiekonzerne. Beide pflegen freundschaftliche Kontakte zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der wiederum den Staatskonzern Gazprom im Griff hat.  

Klimastiftung als "Spitze des Eisbergs" der Russland-Verbindungen

Fest steht: Der Parlamentarische Untersuchungsausschusses hat seinen Auftrag auf Initiative der selbsternannten Jamaika-Opposition aus CDU, Grünen und FDP weit gefasst. Der Ausschussvorsitzende Sebastian Ehlers will nicht allein die Stiftung, sondern auch die engen Beziehungen der SPD zu wirtschaftlichen und politischen Entscheidern in Russland untersuchen:

"Die Klimastiftung ist ja ein Stück weit nur die Spitze des Eisbergs. Wir haben ja nun über Jahre erlebt, dass hier gerade seitens der Staatskanzleien ein sehr enger Draht Richtung Russland gepflegt wurde. Ob es der `Russlandtag` war, ob es der Deutsch-Russische Partnerschaftsverein von Erwin Sellering war, ob es die `Wasserstoff-Hanse` war. Das war Gerhard Schröder noch kurz vor der Landtagswahl hier als Ehrengast da. Es gab Parteispenden in Richtung der SPD, die nachgewiesen sind. Es gab Spenden von Nord Stream 2 an den Verein von Erwin Sellering. Also es ist ein schon sehr, sehr enges Geflecht, was, glaube ich, einzigartig ist bundesweit. Von daher gehörte das alles zusammen mal herauszuarbeiten: Wo hat sich Nord Stream 2 noch eingebracht im Land? Wo haben sie noch Geld gegeben? An haben sie Geld gegeben? Was für Gegenleistungen gab es?“

Sellerings Vision von Frieden, Völkerverständigung und Wohlstand

„Also, mein persönliches Verhältnis zu Russland ist sehr bestimmt dadurch, dass ich als Ministerpräsident die große Aufgabe gesehen habe, damals den wirtschaftlichen Aufholprozess des Landes voranzubringen“, erklärt Erwin Sellering in einem Telefongespräch mit dem Deutschlandfunk. „Und da gab es sehr viele Nachteile für dieses Land und nur sehr wenige Vorteile. Und einer davon waren die guten gewachsenen wirtschaftlichen Beziehungen in den Osten, an die wir anknüpfen konnten. Deswegen haben wir ein gutes Verhältnis zu Russland entwickelt. Deshalb der `Russlandtag` mit russischen Unternehmen. Deshalb der Versuch, russische Unternehmen hierher zu bekommen.“

Er habe seine Aufgabe als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern zwischen 2006 und 2017 auch darin gesehen, Unternehmen, die sich hier ansiedeln und wirtschaften wollen, zu gemeinnützigem Engagement anzuregen. Einige russische Unternehmen wie Gazprom und die Nord Stream 2 AG hätten das getan - mit Spenden oder Sponsoring für Sportvereine, Kulturfestivals, Wirtschaftstage, sagt Sellering.

„Ich habe auch, als ich die Deutsch-Russische Partnerschaft gegründet habe, russische Unternehmen gebeten, das mit zu unterstützen. Denn das liegt ja auch in deren Interesse, dass sich die Völker beider Nationen, in denen sie wirtschaftlich tätig sind, verstehen. Und dass Völkerverständigung da ist und Frieden und gegenseitiges Verständnis. Das dürfen wir übrigens auch für die Zukunft nicht aufgeben, auch wenn die Verhältnisse im Moment ganz besonders schwierig sind.“

Ehlers: "Große Nähe zu Russland" in MVP

Für 2020 ließ die Regierungskoalition von SPD und CDU diesem Verein 200.000 Euro als Anschubfinanzierung aus dem sogenannten „Strategiefonds MV“ zukommen.  Für dieses und kommendes Jahr bewilligte die derzeit regierende SPD-LINKE-Koalition dem Verein Deutsch-Russische Partnerschaft, noch einmal 400.000 Euro. Für die genauen Hintergründe interessieren sich nun vor allem Grüne, FDP und AfD im Untersuchungsausschuss.

Seit 1998 stellt die SPD in Mecklenburg-Vorpommern ununterbrochen Ministerpräsidenten: Harald Ringstorff, Erwin Sellering, nun Manuela Schwesig. Spätestens seit der russischen Krim-Annexion 2014 ist im beschaulichen Schwerin wie auch in Berlin gelegentlich die Rede von einer „Schweriner Neben-Außenpolitik“. Gemeint ist die vergleichsweise häufige und deutliche Kritik an bestimmten Russlandsanktionen der EU und der Bundesregierung. Gemeint ist auch die Gründung der Klimastiftung MV, um Strafdrohungen aus Washington zu unterlaufen und die zweite Ostseepipeline von Nord Stream fertigzubekommen.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern hätten einige Kritiker sie für energie- wie sicherheitspolitisch falsch gehalten, sagt Sebastian Ehlers. Doch der CDU-Politiker, der 1982 in Schwerin geboren wurde und sein Bundesland nie verlassen hat, meint auch: Ein Großteil der Bevölkerung ticke in diesem Punkt ganz ähnlich wie die SPD-geführten Regierungen.

„Es gibt in den neuen Bundesländern natürlich ein hohes Maß auch an Antiamerikanismus und eine große Nähe zu Russland, teils historisch begründet, teils aus gemeinsamen Entwicklungen nach der friedlichen Revolution. Das hat die SPD eiskalt ausgenutzt, und dabei war auch eigentlich die Moral ziemlich egal. Dem Vorwurf muss man sich schon stellen. Und die Ergebnisse sehen wir jetzt ja. Wenn Frau Schwesig nach Polen reist, kriegt sie keine Termine bei hochkarätigen Vertretern.“  

Rechtsprofessorin erklärt Stiftungskonstrukt für nicht auflösbar

Schweriner Landtag, 1. März 2022: Eine Woche ist seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine vergangen. Ministerpräsidentin Schwesig hat sämtliche offiziellen Beziehungen zu russischen Partnern einstellen lassen. Nun stellt sie sich auch an die Spitze der Bewegung, als das Parlament die möglichst rasche Auflösung der Stiftung für Umwelt- und Klimaschutz MV beschließt und vom Stiftungsvorstand verlangt, die von der Nord Stream 2 AG gestifteten 20 Millionen für humanitäre Zwecke in der Ukraine auszugeben.  

Das wäre satzungswidrig und würde den Tatbestand der Untreue erfüllen, wehrt sich der Vorstandsvorsitzende Erwin Sellering. Auch was die geforderte Auflösung der „Klimastiftung MV“ angeht, spielt ausgerechnet Schwesigs politischer Ziehvater nicht mit. Die Landespolitik würde damit aus seiner Sicht nachträglich den Kritikern von Fridays for Future über die Grünen bis zum Verein Deutsche Umwelt Recht geben. Sie hatten stets von einer „klimaschädlichen Fake-Stiftung“ und von „Putins Gas-Lobbyisten“ gesprochen.

Schwerin, 22. April: In seinem Lieblingsrestaurant stellt Stiftungschef Erwin Sellering die Bochumer Rechtsprofessorin Katharina Uffmann vor. Sie hat ein Rechtsgutachten erstellt. Es bestätigt Sellerings bisherige Auffassung.   

Der Vorstand würde mit einem Auflösungsbeschluss gegen die eigene Satzung und gegen das deutsche Stiftungsrecht verstoßen, denn weder seien die gemeinnützigen Satzungszwecke wie Klima-, Natur- und Umweltschutz in Mecklenburg-Vorpommern entfallen, noch sei deren Umsetzung etwa durch Geldmangel unmöglich geworden. Auch die Stiftungsbehörde, das Justizministerium, könne hier nicht rechtskonform eingreifen und die Klimastiftung MV auflösen - Parlamentsbeschluss hin oder her, erklärt die Gutachterin Katharina Uffmann:     

"Das ist, wenn man sich die politische Diskussion anschaut, schwer zu begreifen, weil man sich sagt: 'Naja, das hat man gegründet. Das kann man dann doch auch wieder zumachen.' Wie so eine GmbH oder einen Verein - man macht einfach einen Auflösungsbeschluss! Das geht aber nur, wenn man ein Willensbildungsorgan hat, sprich: Gesellschafter, Eigentümer, Vereinsmitglieder. Die Stiftung ist eben ein besonderes rechtliches Konstrukt, was eigentümer- und mitgliederlos ist.“  

Kompromißlösung und Abwicklung der Stiftung bis September

Ein zweites, wenig später in der Schweriner Staatskanzlei präsentiertes Gutachten kommt zu einer völlig anderen Bewertung. Die Hamburger Rechtsprofessorin Birgit Weitemeyer sieht alle Voraussetzungen erfüllt. Der Vorstand bzw. die Stiftungsaufsicht seien sogar verpflichtet, der Klimastiftung MV jetzt ein Ende zu bereiten. Diese Meinung findet in der juristischen Fachwelt allerdings wenig Anklang. Auch den Stiftungsvorstand überzeugt es nicht.
Am 17. Mai stellen die einstigen politischen Weggefährten Schwesig und Sellering einen Kompromiss vor. Manuela Schwesig: "Wir bleiben unterschiedlicher Auffassung über die rechtlichen Möglichkeiten bei der Auflösung der Stiftung. Aber wir haben damit ein gemeinsames und geordnetes Verfahren gefunden, an deren Ende - und das ist Weg des Landes, den nicht der Vorstand zu verantworten hat - die Auflösung der Stiftung stehen wird."

Ein von Ministerpräsidentin Schwesig neu berufener Vorstand soll die Auflösung der Stiftung betreiben. Vorher muss der jetzige Vorstand zurücktreten. Das könne im September geschehen, denn bis dahin soll der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb abgewickelt sein, erklärt Erwin Sellering.

Im Gegenzug sichert die rot-rote Landesregierung zu, die bisherige Natur- und Klimaschutzarbeit der Stiftung wie gehabt mit vier Mitarbeitern fortzusetzen - dann unter dem Dach einer landeseigenen Energieagentur. Damit könne unter anderem ein Experiment zum Anbau von Kohlendioxid-bindenden Seegraswiesen in der Ostsee weitergehen, würdigt Erwin Sellering den Kompromiss. Trotz allem bedauert er das politisch gewollte Ende der Klimastiftung MV. "Aber wir machen jetzt den Weg frei, damit die Regierung versuchen kann, ob sie einen für sich gangbaren rechtskonformen Weg findet."

Parlamentsausschuss untersucht Regierungs- und Stiftungsakten

Ein großes Problem für Staatskanzlei und Justizministerium, geführt von SPD bzw. Linkspartei. Doch es ist nicht das einzige; nach dem Ende der Sommerpause Mitte August wird der Parlamentarische Untersuchungsausschusses seine Arbeit wieder aufnehmen und die eingehenden Regierungs- und Stiftungsakten sichten. 

Der Obmann der SPD-Fraktion im Ausschuss Thomas Krüger hat sich allerdings bereits Elemente einer „Vorwärtsverteidigung“ zurechtgelegt. Seinen Gegnern hält er widersprüchliches Verhalten vor und reibt zum Beispiel den grünen Parlamentskollegen unter die Nase, dass ausgerechnet der grüne Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck Gas „im autokratischen Katar einkaufen“ wolle. Thomas Krüger sagt auch, es habe sich niemand vorstellen können, dass Putin Zitat „einen fürchterlichen Krieg in Europa“ anfangen würde.

„Mit diesem Krieg gibt es ein Vorher und ein Nachher. Die SPD hat vorher zum Projekt Nord Stream 2 gestanden. Das ist unsere Verantwortung. Es ging um Versorgungssicherheit, es ging um bezahlbare Energie, und es ging um ein friedliches Miteinander. Jetzt haben wir Krieg. Der Krieg ändert alles. Wir sind im Nachhinein. Meine Damen und Herren, ich werde es Ihnen aber nicht durchgehen lassen, so zu tun, als wäre die Verantwortung für das Vorher, zudem wir stehen, alleine die Verantwortung der SPD.“
[*] An dieser Stelle haben wir eine Darstellung korrigiert und präzisiert.