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Russland
Der Druck auf Menschenrechtsorganisationen wächst

Menschenrechtsorganisationen hatten es in Russland bislang schon nicht einfach, doch jetzt wird im Parlament über ein ganzes Paket von Gesetzesänderungen beraten, das den Nichtregierungsorganisationen weitere Steine in den Weg legen würde. Viele befürchten, verboten zu werden.

Von Sabine Adler |
Das russische Parlament, die Staatsduma. Ministerpräsident Dmitry Medwedew hält eine Rede vor deen Abgeordneten.
Das russische Parlament, die Staatsduma, berät über Gesetzesänderungen (dpa / Alexander Astafyev / Sputnik )
Sogenannten ausländischen Agenten, womit hauptsächlich Menschenrechtsorganisationen gemeint sind, die aus dem Ausland unterstützt werden, sollen es in Russland noch schwerer haben. Die diffamierende Einstufung soll ausgeweitet werden, wenn es nach dem Willen des russischen Parlaments geht.
Der Vorsitzende der Kommission zum Schutz der staatlichen Souveränität, Andrej Klimow, begründet die neuen Gesetze mit der neuen Verfassung, über die Sommer per Referendum abgestimmt worden war.
"Das Ziel unserer neuen Vorschläge ist, den Forderungen der neuen Verfassungen nachzukommen, in der es heißt, ich zitiere: Die Russische Föderation unternimmt Maßnahmen, die eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Staates nicht zulassen. Einen solchen Artikel in der Verfassung gab es früher nicht."
Verlust wichtiger Grundrechte droht
In der Duma, dem russischen Parlament, fand gestern die erste Lesung des Maßnahmenpaketes statt, dass die russische Zivilgesellschaft außerhalb von Parteien, Parlament und Regierung wie Feinde behandelt, sagt die Juristin Tatjana Gluschkowa von der Menschenrechtsorganisation Memorial.
"Das ist eine Politik, die alles, was mit Menschenrechten und dem Ausland zu tun hat, als etwas Böses, Feindliches darstellt, das man bekämpfen muss. Und jeden, der sich damit beschäftigt, auch jede Organisation, muss man daran hindern und die Tätigkeit beschränken. Das ist die Ideologie dieser Politik seit mindestens acht Jahren."
Unmittelbar vor einer geplanten Online-Pressekonferenz mit den wichtigsten Nichtregierungsorganisationen wurde das Moskauer Memorial-Büro ohne jede Ankündigung durchsucht. Den Stempel "Ausländischer Agent" können künftig nicht nur Organisationen bekommen, sondern auch Privatpersonen, Politiker, Journalisten. Natalja Jewdokimowa weist darauf hin, dass jemand mit der Stigmatisierung schon jetzt wichtige Grundrechte verlieren kann.
"Sie dürfen nicht teilnehmen an Präsidentschafts- oder Parlamentswahlen, erklärt die Expertin vom Rechtsschutzrat in Sankt Petersburg. Sogenannte Agenten dürfen keine politische Partei unterstützen. Und dies sind nur einige von insgesamt 35 Änderungen."
Organisationen haben ihre Arbeit eingestellt
Künftig müssen die Organisationen ihre Veranstaltungen wohl vorab vom Justizministerium genehmigen lassen. Doch die Kriterien, was erlaubt oder verboten wird, seien unbekannt, sagt Tatjana Gluschkowa von Memorial.
"Wir haben zum Beispiel ein Hilfsprogramm für politische Häftlinge. Dann kann das Ministerium sagen: Es gibt keine politischen Gefangenen in Russland, folglich kann es ein solches Hilfsprogramm auch nicht geben. Und es wird verboten."
Das Label "Ausländischer Agent" tut seine Wirkung, seit seiner Einführung haben Dutzende von Organisationen ihre Arbeit eingestellt. Auch wer noch nicht auf der Liste steht, kann ins Visier geraten.
"Diese Neuerungen gelten für 68 Organisation und keine Organisation ist davor geschützt, ebenfalls auf diese Liste zu kommen. Das kann jede Organisation treffen, politisch tätig ist. Was darunter fällt, kann sehr breit ausgelegt werden. Darunter kann schon fallen, wenn man bestimmte Regierungsentscheidungen bewertet oder Umfragen durchführt oder sich öffentlich an Staatsorgane wendet."
Keine Hoffnung auf die Gerichte
Auch Bildungsprogramme könnten künftig kontrolliert werden. Kommende Woche beim Treffen des Präsidenten mit Vertretern gesellschaftlicher Organisationen sollen die Bedenken vorgebracht werden. Man hofft auf das Beste, ist aber auf das Schlimmste vorbereitet, so die Aktivistin. Von der letzten Instanz, den Gerichten, sei keine Hilfe zu erwarten. Diese Erfahrung hätten Organisationen gemacht, die sich juristisch zur Wehr setzen wollten.
"Die meisten von ihnen haben gegen dieses Label Ausländischer Agent vor Gericht geklagt, aber keine einzige hat Recht bekommen, keine einzige."