Vor und nach der russischen Präsidentschaftswahl schossen Moskauer staatsnahe Medien und die Staatsanwaltschaft aus vollen Rohren auf die deutsche Nichtregierungsorganisation namens "Europäische Plattform für demokratische Wahlen", kurz EPD. Die verbindet und unterstützt seit vielen Jahren Wahlbeobachter in autokratisch geführten Ländern. Gegründet hat die Plattform Stefanie Schiffer, die die europaweit agierende Organisation bis heute leitet. Dass EPD in Russland zur unerwünschten Organisation erklärt wurde, erfuhr sie aus den dortigen Medien, die eine wahre Hetzkampagne gegen sie und ihre Partner in der russischen Zivilgesellschaft fuhren.
Ihre Telefonate wurden wie dieses hier heimlich mitgeschnitten und in den Kreml nahen Sendern NTW und Ren TV gezeigt, Stefanie Schiffer und andere Aktivisten wurden teils mit versteckter Kamera gefilmt. Bei einem Anruf gab sich sogar jemand als Vorsitzender des ukrainischen Parlaments aus.
Die "Europäische Plattform für demokratische Wahlen" ist die 13. unerwünschte Organisation, die zwölf davor kamen aus den USA sowie anderen Ländern Europas. Dass es jetzt erstmals Deutschland trifft, ist mehr als nur ein unfreundlicher Akt gegen die EPD, es ist auch ein Angriff auf den Petersburger Dialog. Denn Stefanie Schiffer gehört auch dessen Vorstand an. Nun lässt Ronald Pofalla, der Chef auf deutscher Seite, im Hintergrund die Drähte glühen, auch wenn die Töne offiziell moderat sind.
Zivilgesellschaftliches Engagement nicht willkommen
"Es gibt ganz konkret die Möglichkeit, in Russland mit der russischen Regierung direkt darüber zu sprechen, in russischen Medien darüber zu berichten, dass diese Listung von uns nicht akzeptiert wird und sie zurückgenommen werden muss. Und natürlich auch die Kontakte über unsere Regierung zu nutzen, zumal die Organisation ja auch von unserem Auswärtigen Amt unterstützt wird."
Ronald Pofalla hat seit langem den Eindruck, dass Russland - so wörtlich - zivilgesellschaftliche Arbeit nicht willkommen heißt, sie mit Hilfe von eigens geschaffenen Gesetzen einschränkt und diskreditiert. Doch wie nun auf dieses erste Verbot einer deutschen Organisation reagieren?
"Auf keinen Fall, indem man zurückweicht. Wenn wir Vertrauen schaffen wollen zwischen der russischen und der deutschen Seite, dann müssen wir den Dialog aufrechterhalten. Ich werde in jedem Gespräch, das ich in Russland mit Russen führe, und in Deutschland mit Russen führe, diese Listung immer wieder ansprechen. Und meine Erfahrung ist, dass wir ja sogar Anklagen verhindert haben zivilgesellschaftliche Organisation des PD allerdings auf russischer Seite vorgesehen waren."
Russischen Partnern droht strafrechtliche Verfolgung
Was allerdings anderthalb Jahre brauchte. Für das Arbeitsverbot der deutschen Wahlbeobachter-Organisation lieferte die russische Generalstaatsanwaltschaft bislang keine Begründung. Eine andere Behörde, das Aufsichtsgremium für russische Medien, Roskomnadsor, hat dafür die EPDE-Internet-Seite abgeschaltet. Wesentlich weitreichender aber sind die Auswirkungen für die russischen Partner.
"Alle russischen Staatsbürger und Staatsbürgerinnen, die mit einer unerwünschten Organisation zusammenarbeiten, können strafrechtlich verfolgt werden. Mit Geldstrafen oder mit Haftstrafen bis zu sechs Jahren. Das sind sehr drakonische Maßnahmen. Und der Begriff Kooperation ist sehr vage, der wird nicht wirklich im Gesetz definiert. Das hat dazu geführt, dass sich Golos sich jetzt entschieden hat, solange das rechtlich nicht geklärt ist, dieser Vorwurf, die Zusammenarbeit mit EPD auszusetzen."
Die deutschen Aktivisten dürfen in Russland keine Veranstaltungen mehr durchführen, möglicherweise nicht einmal mehr einreisen. Der nächste Petersburger Dialog Anfang November in Moskau könnte demnach ohne das Vorstandsmitglied Schiffer stattfinden. Ist also Schluss mit dem Dialog im Petersburger Dialog?
"Zum Dialog gehört auch der heftige Austausch von Argumenten, man muss dann stabil und stark bleiben und die Argumente immer wieder wiederholen."
Allerdings nicht gegenüber russischen Medien, schränkt Ronald Pofalla ein: "Ich habe schon seit vielen Monaten, mindestens seit einem Jahr keinem russischem Medium mehr ein Interview gegeben, weil meine Sorge groß ist, das meine Aussagen, die ich mache, in einen anderen Kontext gestellt werden, der dann meine Aussage verfälscht oder verändert."
Nur Politiker bestimmter Parteien sind als Wahlbeobachter erwünscht
Die ausgewiesene Monitoring-Expertin Stefanie Schiffer registriert schon seit einiger Zeit, dass in Russland durchaus nicht alle Wahlbeobachter unerwünscht sind. Im Gegenteil. Politiker bestimmter Parteien aus europäischen nationalen Parlamenten, dem Europarat, der OSZE und dem Europa-Parlament werden eingeladen und loben dann die stattgefundenen Wahlen.
"Aus Deutschland sind die Wahlbeobachter oft aus der AFD. Die Linke schickt auch oft Wahlbeobachter. In Frankreich geht es durchs ganze politische Spektrum. In Italien ist es oft die Lega Nord. Wenn man die Medienäußerungen vergleicht, dann sind die oft sehr standardisiert. Die sogenannten Wahlbeobachter sagen oft: Die Wahlen in Russland sind so gut wie in Frankreich. Oder die Wahlen haben europäischen Standard. Das sind solche Versuche, bei den russischen Mediennutzern den Eindruck zu erwecken, dass die russischen Wahlen vom Ausland gutgeheißen werden."
Russland und andere autokratisch regierten Länder wollen sich mit dem Urteil von Wahlbeobachtern schmücken, doch Kritik wird nicht als hilfreich, sondern störend empfunden.
"Man kann sagen, dass unsere Organisation umso wichtiger wird, weil wir darauf achten, dass da wo Wahlbeobachtung draufsteht, auch Wahlbeobachtung drin ist. Es wird immer wichtiger, zu unterscheiden, was ist Fakt und was ist politisch motiviert."