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Russland
Freispruch für Ildar Dadin

Ildar Dadin ist Aktivist der russischen Opposition – seit gut zwei Jahren sitzt er in Haft und ist dort nach eigenen Angaben gefoltert worden. Sein Fall ist jetzt vom Obersten Gericht in Russland neu entschieden worden – Dadin kommt frei.

Von Thielko Grieß |
    Der russische Oppositionelle Ildar Dadin.
    Der russische Aktivist Ildar Dadin kommt frei. (AFP/KIREEV)
    Der Freispruch ist per Bote auf dem Weg von Moskau in eine Strafkolonie im sibirischen Altai-Gebirge. Dort sitzt Ildar Dadin in Haft. Seine Ehefrau, Anastasija Sotowa, zeigte sich in Moskau erleichtert, erneuerte aber auch ihren Vorwurf, der Prozess gegen ihren Mann sei politisch beeinflusst gewesen.
    "Weil es in Russland keine Gerichte gibt. Weil die Richterin nur das macht, was ihr ‚von oben‘ gesagt wird. Sie hat alle Einwände ignoriert. Sie hat ignoriert, dass Ildar Einzelnmahnwachen abgehalten hatte. Das waren keine Massenmahnwachen gewesen, für die man Genehmigungen braucht."
    Ildar Dadin war der erste Angeklagte, der die Wirkung eines damals neuen Artikels im russischen Strafgesetzbuch zu spüren bekam. Artikel 212.1 sieht Geld- oder Haftstrafen für diejenigen vor, die unangemeldet demonstrieren. Mehrere Male hatte er unangemeldet protestiert – gelegentlich auch allein, wobei er Schilder hochgehalten hatte. Auf ihnen unterstützte er zum Beispiel die Ukraine.
    "Ich liebe das Leben"
    Ein Gericht verurteilte ihn im Dezember 2015. Als die Richterin zunächst drei Jahre Haft verhängte, brach im Gerichtssaal Protest aus. "Schande", riefen Dadins Unterstützer. Das Strafmaß wurde später um ein halbes Jahr auf zweieinhalb Jahre verkürzt. Damals hatte der Verurteilte gesagt:
    "Wenn mir etwas passiert, sollt ihr wissen: Ich liebe das Leben. Ich kämpfe. Und ich will aus dem Gefängnis rauskommen, um diese Banditen, die mich gesetzeswidrig gerichtlich verfolgen, selbst ins Gefängnis zu bringen. Ich werde vor keinem niederknien. Und ich habe nicht vor, selber mein Leben zu beenden. Ich werde kämpfen."
    Im Gefängnis saß der heute 34-Jährige in Einzelhaft und schilderte im vergangenen Jahr in einem Brief an seine Frau, dass und wie er gefoltert werde. Die Rede war unter anderem von Schlägen, Wärter hätten seinen Kopf in eine Toilette gedrückt. Die Vorwürfe sind von unabhängiger Seite nicht bestätigt worden. Allerdings hatten Dadins Anwälte keinen Zugang etwa zu Videoaufnahmen aus dem Gefängnis.
    Wichtiger Nachweis nicht erbracht
    Nachdem der Fall in Russland für Aufsehen gesorgt hatte, wurde der Häftling von einer Haftanstalt in eine andere verlegt. Präsident Putin ließ mitteilen, auch er verfolge die Entwicklung. Anfang Februar urteilte das Verfassungsgericht, dass der neue Strafrechtsparagraph verfassungsgemäß ist. Allerdings muss vor einer Verurteilung nachgewiesen werden, dass von einem Demonstranten eine konkrete Gefahr ausgeht.
    Dieser Nachweis ist im Fall Dadin nicht erbracht worden, weshalb das Verfassungsgericht die Akte an das Oberste Gericht weiter gab. Es folgte heute der Freispruch. Der Kreml ließ erklären, die Entscheidung jedes Gerichts sei zu respektieren, insbesondere des Obersten Gerichts.