Archiv

Russland im Syrien-Krieg
Die Toten der "Gruppe Wagner"

Seit fast zwei Jahren beteiligt sich Russland am Krieg in Syrien. Von einem beginnenden zivilen Wiederaufbau ist im Staatsfernsehen die Rede. Doch die Kämpfe gehen weiter. Und die Zahl der Gefallenen steigt, unter ihnen Angehörige einer russischen Privatarmee, die es offiziell gar nicht gibt.

Von Gesine Dornblüth |
    Russische Soldaten in einer Straße im Ostteil der zerstörten syrischen Großstadt Aleppo.
    Das russische Verteidigungsministerium hat den Tod von 34 Soldaten in Syrien seit Beginn der russischen Militäroperation in Syrien im Herbst 2015 eingeräumt. (picture alliance / dpa / Timur Abdullayev)
    Die Kirche des Heiligen Hiob liegt an einer Ausfallstraße am Rande Moskaus. Vor gut einem halben Jahr, am 14. Februar 2017, versammelte sich hier eine kleine Trauergemeinde um einen Zinksarg. Darin lag Konstantin Sadoroschnyj, Kampfname "Moskal", 21 Jahre alt, gefallen in Syrien. Er hatte dort für eine russische Privatarmee gekämpft, die "Gruppe Wagner". So geht es aus Einträgen in sozialen Netzwerken hervor. Der Priester der Hiobskirche, Aleksandr Naruschew, bestätigt es. Er kannte Sadoroschnyj noch lebend, hatte oft mit ihm gesprochen.
    "Es war seine Wahl, in Syrien zu kämpfen, und diese Wahl erfolgte ausschließlich aus patriotischen Gründen. Ich weiß, dass er in Syrien zunächst den russischen Luftwaffenstützpunkt bewacht hat. Wie er umgekommen ist, weiß ich nicht."
    Die "Gruppe Wagner" kämpfte vorher in der Ostukraine
    Russische Medien berichteten vor zwei Jahren das erste Mal über die "Gruppe Wagner". Damals kämpfte die Privateinheit auf Seiten der Separatisten in der Ostukraine. Benannt ist die Gruppe nach ihrem Chef, einem ehemaligen Offizier der russischen Armee mit dem Kampfnamen "Wagner". 2015 soll die "Gruppe Wagner" ihr Einsatzgebiet aus der Ostukraine nach Syrien verlegt haben, um dort auf Seiten Assads zu kämpfen. Der Moskauer Priester Naruschew hat am Tag der Trauerfeier auf seiner Seite in dem sozialen Netzwerk "vkontakte" einen Song gepostet.
    Unter dem Feuer der Granatwerfer seien sie gefallen, aber Palmyra hätten sie dennoch eingenommen, singt der Mann. Auch vom Sandsturm und der Hitze am Flughafen Latakia ist die Rede.
    Interneteinträgen zufolge ist der Song ein Hit unter den Kämpfern der "Gruppe Wagner".
    Der Blogger Ruslan Lewijew arbeitet für das Conflict Intelligence Team, ein internationales Recherchenetzwerk, das brisante Informationen zum russischen Militäreinsatz in Syrien sammelt. Lewijew geht davon aus, dass ständig zwischen 500 und 1.000 "Wagner"-Kämpfer in Syrien im Einsatz sind.
    "Sie werden in die schwersten Kämpfe geschickt. Zum Beispiel bei der Befreiung von Palmyra. In der Regel erkämpfen sie die ersten Positionen, erst dann kommt die syrische Armee."
    Experten gehen von mehr als 40 toten Soldaten aus
    Entsprechend hoch seien die Opfer unter den "Wagner"-Kämpfern. Die Nachrichtenagentur Reuters hat Anfang August Zahlen veröffentlicht. Sie sprach von 40 Soldaten, die in Syrien seit Beginn dieses Jahres getötet worden seien, darunter sowohl Angehörige des russischen Militärs als auch solche von Privatarmeen.
    Ruslan Lewijew hält diese Zahl für viel zu niedrig. Er beruft sich auf öffentlich zugängliche Quellen im Internet und auf die Aussagen von Angehörigen und von Kameraden der etwa zwanzig gefallenen "Wagner"-Kämpfer, deren Namen bekannt seien.
    "Die Angehörigen sagen oft, dass ihr Sohn, Mann oder Bruder nicht allein im Kampf umgekommen ist, sondern dass er in einer Gruppe unterwegs war. Oft handelte es sich um Angriffe eines Selbstmordattentäters, dann wurden noch vier, fünf oder zehn Leute mehr getötet. Die gesamte Zahl dürfte deshalb bei 100 oder 200 liegen, mindestens."
    Das russische Verteidigungsministerium hat den Tod von 34 Soldaten in Syrien seit Beginn der russischen Militäroperation in Syrien im Herbst 2015 eingeräumt. Gemeint sind dabei nur Militärangehörige. Die russische Regierung leugnet die Existenz russischer Privatarmeen in Syrien. Das russische Strafgesetzbuch verbietet den Einsatz von Söldnern im Ausland. Wenn es in Syrien russische Freiwillige gäbe, erklärte Putins Sprecher Dmitrij Peskow vor wenigen Wochen, so hätten diese mit dem Verteidigungsministerium nichts zu tun.
    "Wir spüren, dass ein mächtiger Staat hinter uns steht"
    Experten wie Ruslan Lewijew vom Conflict Intelligence Team bezweifeln das. Im Internet ist ein Foto aufgetaucht, das den Kommandeur der "Gruppe Wagner" im Kreml zeigen soll. Aufgenommen wurde das Bild, russischen Medienangaben zufolge, am 9. Dezember 2016, am "Tag der Helden des Vaterlandes", als Staatspräsident Wladimir Putin Orden auch an viele Soldaten verlieh.
    Sogar das Staatsfernsehen berichtete anschließend über - Zitat – "geheime Helden", die in Syrien gegen Terroristen kämpften. Die Wochensendung "Vesti Nedeli" zeigte russische Elitekämpfer beim Angriff mit Granatwerfern, Scharfschützen. Die Protagonisten bleiben anonym, einer sagt: "Wir spüren, dass ein mächtiger Staat hinter uns steht, der uns versorgt, ausgebildet, ausgestattet und losgeschickt hat, eine Aufgabe zu erfüllen. Unsere Freunde, Kameraden aus Syrien, schauen auf uns wie auf Götter."
    Der Film ließ offen, ob es sich um reguläre russische Soldaten oder um Kämpfer einer Privatarmee handelte.
    Wer bezahlt die "Gruppe Wagner"?
    Das alles, zusammen mit den jüngsten Berichten über immer mehr gefallene russische Kämpfer, wirft mittlerweile selbst bei etablierten russischen Medien Fragen auf. Dmitrij Drise, Kommentator beim Radiosender Kommersant.fm, der bei vielen Themen auf der Linie des Kreml liegt, stellte Anfang August fest: "Wir haben eine Art inoffizieller Armee. Und in dem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wer bezahlt die Dienste der legendären 'Gruppe Wagner'?"
    Russischen Medienberichten zufolge finanziert der Geschäftsmann Jewgenij Prigoschin die Privatarmee. Prigoschin werden enge Verbindungen in den Kreml nachgesagt.