Christoph Heinemann: "Czar Wladimir - unfehlbar und messianisch", so ist ein Artikel von Anna Politkowskaja überschrieben, den die "Süddeutsche Zeitung" heute abdruckt. Die Journalistin, die am Wochenende in Moskau ermordet wurde, schreibt darin, dass Wladimir Putin den Weg in die Demokratie längst verlassen habe. Der abwegige Präsident, in dessen Land unabhängige Berichterstatter schon mal umgebracht werden und der dem kleinen Georgien gerade den Kalten Krieg erklärt hat, kommt morgen zum so genannten "Petersburger Dialog" nach Dresden.
Für den ehemaligen KGB-Offizier ein Heimspiel. Zu sowjetischen Zeiten arbeitete Putin in der sächsischen Landeshauptstadt in geheimen Diensten. Am Telefon ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel, der letzte Außenminister der DDR und der einzige frei gewählte deutsch-demokratische Chefdiplomat. Guten Tag!
Markus Meckel: Einen schönen guten Tag!
Heinemann: Herr Meckel, Fall Politkowskaja. Trauen Sie es der gegenwärtigen russischen Führung zu, dass sie bei diesem und anderen Morden ihre Finger im Spiel hatte?
Meckel: Ich gestehe ja und ich muss gestehen, ich stehe noch völlig unter dem Schock des Mordes an Anna Politkowskaja. Ich habe sie selber gekannt, kennen gelernt und auch eingeladen, im Rahmen der parlamentarischen Versammlung der NATO zu reden, über die Situation in Russland. Sie war, wie ja heute sogar manche Zeitungen Russlands schreiben, gewissermaßen die einzige kritische Stimme, die es in der Medienlandschaft noch so klar, offen und mutig gegeben hat. Wir sind hier wirklich herausgefordert, durch diesen furchtbaren Mord dieses neu auf die Tagesordnung zu setzen, was wir leider in der Vergangenheit viel zu oft versäumt haben.
Heinemann: Herr Meckel, Ihr ehemaliger Parteivorsitzender, Bundeskanzler Gerhard Schröder, hat Putin einst als lupenreinen Demokraten bezeichnet. War Schröders Lupe mit Milchglas beschichtet?
Meckel: Es war jedenfalls eine falsche Analyse. Dies habe ich ihm damals selbst gesagt und damals auch schon im Auswärtigen Ausschuss die Position vertreten, die Anna Politkowskaja heute in der "Süddeutschen Zeitung" deutlich macht. Ich glaube, Russland ist nicht mehr auf dem Weg der Demokratie, sondern dabei, immer mehr ein autoritärer Staat zu werden, der die Pressefreiheit unterdrückt, der NGOs versucht, die Luft zu nehmen, der mit Rodokowski und Levediew misslie-bige Leute, die politische Bedeutung haben könnten, ins Gefängnis wirft und außenpolitisch eine ganz schwierige Rolle spielt. Das ist hoch problematisch.
Gleichzeitig ist wiederum klar: wir brauchen Russland als Partner im Iran-Konflikt, in der Frage der Proliferation, bei Energiefragen und so weiter. Das heißt, wir haben beides zu berücksichtigen. Allzu oft ist in der letzten Zeit nur die wirtschaftliche Frage, die Krisen international und die Energiefrage thematisiert worden, und viel zu wenig die Fragen der inneren Entwicklung Russlands und auch das Spiel, das Russland im Kaukasus treibt.
Heinemann: Zurück zur Energie. Vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben, wie viel Abhängigkeit von russischer Energie können wir uns denn überhaupt leisten?
Meckel: Ich denke, dass wir abhängig sind, aber auch Russland in anderer Weise wiederum abhängig ist, die Energie auch los zu werden. Insofern ist es eine gegenseitige Abhängigkeit und Verflechtung und die kann man organisieren. Ich bin überhaupt nicht dafür, dass man das versucht, bei Seite zu stellen. Darüber müssen wir reden und da haben wir beide etwas von. Man muss es natürlich möglichst diversifizieren. Das heißt, auch nach anderen Energieträgern und Partnern Ausschau zu halten. Hier ist Russland aber ein wichtiger Partner.
Es muss nur deutlich bleiben, auch wenn Russland hier ein zentraler Partner ist und wir dies auch weiter ausbauen und verbindlich machen sollten, so gilt auf der anderen Seite, wir dürfen die innere Entwicklung Russlands, die Abkehr von der Demokratie, die außenpolitische Destabilisierungspolitik im Kaukasus, dies alles dürfen wir nicht bei Seite schieben und das sollte thematisiert werden auch bei dem Treffen, das morgen zwischen der Kanzlerin und Herrn Putin stattfindet.
Heinemann: Stichwort Kaukasus. Die Grenzen zwischen Russland und Georgien sind dicht. Glauben Sie, dass das auch eine Warnung an andere ehemalige Sowjetrepubliken ist?
Meckel: Na ja, es ist zumindest eine Warnung und eine entsprechende Politik, die auf dem Kaukasus selber andere dann auch versucht, in Schach zu halten. Natürlich gilt das auch für die Länder in Zentralasien, die ja in starker Abhängigkeit von Russland sind. Hier glaube ich, müssen wir überhaupt deutlich machen: wir als westliche Welt werden das nicht akzeptieren, wenn man versucht, Abchasien und Süd-Ossietien von Georgien sozusagen loszueisen.
Putin hat ja schon zum Thema gemacht, dass, wenn es zu einer Unabhängigkeit des Kosovo kommen soll - und das ist ja absehbar -, dann hätte das durchaus Bezüge zum Kaukasus. Dies müssten wir ihm in aller Deutlichkeit sagen, dass das für uns nicht so ist und auch nicht akzeptabel ist. Auch da erwarte ich deutliche Worte von Seiten des Westens und auch der Kanzlerin.
Heinemann: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Meckel: Bitte Schön. Auf Wiederhören!
Für den ehemaligen KGB-Offizier ein Heimspiel. Zu sowjetischen Zeiten arbeitete Putin in der sächsischen Landeshauptstadt in geheimen Diensten. Am Telefon ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel, der letzte Außenminister der DDR und der einzige frei gewählte deutsch-demokratische Chefdiplomat. Guten Tag!
Markus Meckel: Einen schönen guten Tag!
Heinemann: Herr Meckel, Fall Politkowskaja. Trauen Sie es der gegenwärtigen russischen Führung zu, dass sie bei diesem und anderen Morden ihre Finger im Spiel hatte?
Meckel: Ich gestehe ja und ich muss gestehen, ich stehe noch völlig unter dem Schock des Mordes an Anna Politkowskaja. Ich habe sie selber gekannt, kennen gelernt und auch eingeladen, im Rahmen der parlamentarischen Versammlung der NATO zu reden, über die Situation in Russland. Sie war, wie ja heute sogar manche Zeitungen Russlands schreiben, gewissermaßen die einzige kritische Stimme, die es in der Medienlandschaft noch so klar, offen und mutig gegeben hat. Wir sind hier wirklich herausgefordert, durch diesen furchtbaren Mord dieses neu auf die Tagesordnung zu setzen, was wir leider in der Vergangenheit viel zu oft versäumt haben.
Heinemann: Herr Meckel, Ihr ehemaliger Parteivorsitzender, Bundeskanzler Gerhard Schröder, hat Putin einst als lupenreinen Demokraten bezeichnet. War Schröders Lupe mit Milchglas beschichtet?
Meckel: Es war jedenfalls eine falsche Analyse. Dies habe ich ihm damals selbst gesagt und damals auch schon im Auswärtigen Ausschuss die Position vertreten, die Anna Politkowskaja heute in der "Süddeutschen Zeitung" deutlich macht. Ich glaube, Russland ist nicht mehr auf dem Weg der Demokratie, sondern dabei, immer mehr ein autoritärer Staat zu werden, der die Pressefreiheit unterdrückt, der NGOs versucht, die Luft zu nehmen, der mit Rodokowski und Levediew misslie-bige Leute, die politische Bedeutung haben könnten, ins Gefängnis wirft und außenpolitisch eine ganz schwierige Rolle spielt. Das ist hoch problematisch.
Gleichzeitig ist wiederum klar: wir brauchen Russland als Partner im Iran-Konflikt, in der Frage der Proliferation, bei Energiefragen und so weiter. Das heißt, wir haben beides zu berücksichtigen. Allzu oft ist in der letzten Zeit nur die wirtschaftliche Frage, die Krisen international und die Energiefrage thematisiert worden, und viel zu wenig die Fragen der inneren Entwicklung Russlands und auch das Spiel, das Russland im Kaukasus treibt.
Heinemann: Zurück zur Energie. Vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben, wie viel Abhängigkeit von russischer Energie können wir uns denn überhaupt leisten?
Meckel: Ich denke, dass wir abhängig sind, aber auch Russland in anderer Weise wiederum abhängig ist, die Energie auch los zu werden. Insofern ist es eine gegenseitige Abhängigkeit und Verflechtung und die kann man organisieren. Ich bin überhaupt nicht dafür, dass man das versucht, bei Seite zu stellen. Darüber müssen wir reden und da haben wir beide etwas von. Man muss es natürlich möglichst diversifizieren. Das heißt, auch nach anderen Energieträgern und Partnern Ausschau zu halten. Hier ist Russland aber ein wichtiger Partner.
Es muss nur deutlich bleiben, auch wenn Russland hier ein zentraler Partner ist und wir dies auch weiter ausbauen und verbindlich machen sollten, so gilt auf der anderen Seite, wir dürfen die innere Entwicklung Russlands, die Abkehr von der Demokratie, die außenpolitische Destabilisierungspolitik im Kaukasus, dies alles dürfen wir nicht bei Seite schieben und das sollte thematisiert werden auch bei dem Treffen, das morgen zwischen der Kanzlerin und Herrn Putin stattfindet.
Heinemann: Stichwort Kaukasus. Die Grenzen zwischen Russland und Georgien sind dicht. Glauben Sie, dass das auch eine Warnung an andere ehemalige Sowjetrepubliken ist?
Meckel: Na ja, es ist zumindest eine Warnung und eine entsprechende Politik, die auf dem Kaukasus selber andere dann auch versucht, in Schach zu halten. Natürlich gilt das auch für die Länder in Zentralasien, die ja in starker Abhängigkeit von Russland sind. Hier glaube ich, müssen wir überhaupt deutlich machen: wir als westliche Welt werden das nicht akzeptieren, wenn man versucht, Abchasien und Süd-Ossietien von Georgien sozusagen loszueisen.
Putin hat ja schon zum Thema gemacht, dass, wenn es zu einer Unabhängigkeit des Kosovo kommen soll - und das ist ja absehbar -, dann hätte das durchaus Bezüge zum Kaukasus. Dies müssten wir ihm in aller Deutlichkeit sagen, dass das für uns nicht so ist und auch nicht akzeptabel ist. Auch da erwarte ich deutliche Worte von Seiten des Westens und auch der Kanzlerin.
Heinemann: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Meckel: Bitte Schön. Auf Wiederhören!