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Russland
Kremlkritiker Chodorkowski ist in Berlin

Der russische Regierungskritiker Michail Chodorkowski ist nur Stunden nach seiner Freilassung in Berlin eingetroffen, wie das Auswärtige Amt bestätigte. Er war nach zehn Jahren Haft von Präsident Wladimir Putin begnadigt worden.

    Kremlgegner Michail Chodorkowski steht während eines Prozesses im Gerichtssaal und winkt.
    Der Kremlgegner Chodorkowski ist begnadigt worden. (dpa/Tass/Stanislav)
    Der Kremlkritiker Michail Chodorkowski ist nach zehn Jahren Haft wieder in Freiheit und sogleich nach Deutschland ausgereist. Er landete nach Angaben des Auswärtigen Amtes am Nachmittag auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) holte ihn am Flughafen ab.
    Der 50-Jährige war zuvor von Präsident Wladimir Putin begnadigt worden. Putin hatte einen Tag nach der überraschenden Ankündigung der Amnestie die Begnadigungsurkunde des früheren Ölmagnaten unterzeichnet. Auf Grundlage der Prinzipien der Humanität befreie er Chodorkowski von seiner weiteren Haftstrafe, hieß es in dem heute veröffentlichten Erlass. Der schärfste Gegner Putins war seit 2003 in Haft, die im August nächsten Jahres enden sollte.
    Mutter erkrankt
    Chodorkowski hatte ein Begnadigungsgesuch stets abgelehnt, weil damit nach Kremlangaben ein Schuldeingeständnis verbunden ist. Putin begründete seine Entscheidung mit einer Erkrankung von Marina Chodorkowskaja, der Mutter des Kremlgegners. Nicht bestätigt haben sich allerdings Meldungen, wonach der Kreml-Kritiker nach Deutschland geflogen sei, um hier seine krebskranke Mutter zu besuchen. Sie soll in der Vergangenheit in Deutschland behandelt worden sein.
    Der frühere Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos war 2003 festgenommen und zwei Jahre später zusammen mit seinem Geschäftspartner Platon Lebedew wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu langjähriger Haft verurteilt worden. Chodorkowski hatte sich offen zur Opposition bekannt. Der einst reichste Mann Russlands setzte sich zudem für den Bau einer von seiner Firma kontrollierten Ölpipeline nach China ein, die den staatlichen Firmen Konkurrenz gemacht hätte. Der Prozess gegen ihn wurde international als politisch motiviert kritisiert.
    Putin hatte gestern auch die Freilassung der beiden inhaftierten Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot an. Möglich macht dies eine Massen-Amnestie, die das Parlament am Mittwoch gebilligt hatte. Offizieller Anlass dafür ist der 20. Jahrestag der russischen Verfassung. Experten sehen aber auch einen Versuch Putins, vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi im Februar Kritiker im Westen zu besänftigen.
    Steinmeier: "Gute Nachricht"
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte die Freilassung Chodorkowskis. "Das ist eine gute Nachricht", sagte Steinmeier nach einem Treffen mit seinem Luxemburger Amtskollegen Jean Asselborn in Berlin. "Das ist aber auch eine Nachricht, die uns darauf hinweist, dass wir die Gespräche mit Russland über Rechtsstaat und Menschenrechte auch in den nächsten Jahren mit Engagement weiterführen müssen." Asselborn ergänzte, eine engere Zusammenarbeit der EU mit Russland sei im Interesse beider Seiten.
    Einen möglichen Zusammenhang zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi ließen beide Außenminister offen. Asselborn sagte: "Man kann das im Kontext von Sotschi sehen, man muss es aber nicht." Steinmeier räumte ein: "Der zeitliche Zusammenhang ist offenbar." Dass Menschen freikämen, sei aber ein gutes Signal, das er nicht kleinreden wolle.