Ein Freundschaftsspiel in Glebowskij, ein kleiner Ort, gut 70 Kilometer nordwestlich von Moskau. Polizisten der Samtgemeinde gegen Verwaltungsangestellte. Auf der Tribüne haben einige Dutzend Fans Platz genommen. Die meisten haben Freunde oder Verwandte in den Mannschaften. Das Fußballfeld und die ganze Anlage sind noch brandneu. Flutlichtstrahler stehen bereit, der Rasen ist sorgfältig gestutzt. Dieser Platz ist jetzt schon ziemlich legendär.
Hier hat während der Weltmeisterschaft die französische Nationalmannschaft trainiert. Tatsächlich hat das Turnier die Popularität von Fußball in Russland wohl gesteigert. Andrej Dunajew ist Chef der Verwaltung und nennt Zahlen aus der Gemeinde: "Viel mehr Kinder spielen Fußball. Wir sind im besten Sinne des Wortes gezwungen, die Zahl der Trainerstellen zu erhöhen. Weil anderthalb Mal so viele Kinder beim Fußball sind wie im letzten Jahr. 3.000 werden in den Fußballabteilungen spielen."
11,6 Milliarden Euro Gesamtkosten
Im Dorf soll nun noch mehr Neues hinzukommen: ein Sportkomplex und eine Sportschule. Ähnliches soll an etlichen Orten geschehen, die zur WM entstanden sind. In Russland sind in elf Städten zwölf Stadien neu- oder umgebaut worden, mehr als 90 Fußballplätze entstanden, Flughäfen wurden erweitert, Straßen neu asphaltiert.
Die Summe der Gesamtausgaben wird in russischen Medien mit bis zu 883 Milliarden Rubel angegeben, das sind zurzeit rund 11,6 Milliarden Euro. Keine Weltmeisterschaft war so teuer wie die in Russland. Etliche Projekte sind allerdings gar nicht oder nicht transparent ausgeschrieben worden. Verdient haben in solchen Fällen Bauunternehmer, die dem Staatsapparat eng verbunden sind.
Mehr Zuschauer zu Saisonbeginn
Damit das neu Gebaute mit Leben gefüllt werden kann, hat Präsident Wladimir Putin nur fünf Tage nach dem WM-Finale angekündigt, dass die föderale Ebene Russlands weiter viel Geld aufwenden will. In einem Konzept der Regierung ist die Rede von 16 Milliarden Rubel, etwa 211 Millionen Euro, für fünf Jahre. Zurzeit aber haben die meisten Arenen ein Problem, und das besteht in geringen Zuschauerzahlen bei hohen Instandhaltungskosten. Zwar zeigen die Besucherzahlen der ersten Liga-Spieltage vielerorts deutlich nach oben. Aber niemand weiß, ob das auch im Winter noch so bleibt.
Das Beispiel Saransk, 600 Kilometer östlich von Moskau, steht für die problematischste Gruppe von Spielorten. Deren Kennzeichen sind: Der örtliche Verein zieht zwar nach der WM auch mehr Zuschauer an und hat damit viele erstaunt, aber das Stadion ist selbst dafür noch zu groß. Helfen soll ein Konzept, das der zuständige Minister der Teilrepublik Mordowien, Alexej Merkuschkin, erklärt: "Im Stadion können Geschäfte, Restaurants, Sportzentren, Bowling und Anderes untergebracht werden. Wir haben von Beginn an so geplant, damit später nicht so viel Geld für den Unterhalt des Stadions ausgegeben wird."
Sonderfall Luschniki
Ob die Rechnung aufgeht, wird sich erst noch erweisen. Jedenfalls wächst um das Stadion sichtbar ein neuer Stadtteil. Ähnlich wie in Saransk ist die Situation auch in Kaliningrad, Wolgograd, Rostow am Don, Nischnij Nowgorod und Jekaterinburg: Um die Stadien herum werden weitere Sportzentren errichtet, örtliche Vereine verlegen aus anderen, älteren Stadien ihre Spiele in die neuen Arenen und zahlen hohe Mieten.
Ein Zweitligist aus Sankt Petersburg wird sogar rund 2.300 Kilometer gen Süden, nach Sotschi, verpflanzt. Zuschüsse aus Steuermitteln fallen auch in Kasan oder Samara an. Etwas stabiler auf eigenen Beinen stehen das Stadion Spartak in Moskau und das Stadion in Sankt Petersburg, weil dort vergleichsweise erfolgreiche Vereine spielen.
Ein Sonderfall ist aber der Ort, an dem Frankreich im Finale Weltmeister wurde: Die größte Arena Russlands, das Stadion "Luschniki" in Moskau.
Arbeiter montieren auf dem abgedeckten Rasen eine Bühne für ein Konzert, das bald stattfinden soll. Das Stadion hat mehr als 80.000 Sitzplätze, eine Fassade, die dem Berliner Olympiastadion nachempfunden ist, und eine Menge High-Tech. Von umgerechnet knapp 450 Millionen Euro Umbaukosten soll ein Drittel allein in das Spielfeld, dessen Drainage, Belüftung, Bewässerung und Trocknungsanlage geflossen sein.
Aber: Luschniki ist nicht Heimat eines Liga-Vereins. Also bleibt es dort bei dem ein oder anderen Nationalmannschaftsspiel, dem jährlich ausgetragenen Fußball-Pokalfinale und Konzerten. Die Arena gehört der Stadt Moskau. Sie ist ein teurer Prestigebau, der oft leer stehen wird und hohe Zuschüsse erhält. Aber für die Erinnerung an eine perfekte Weltmeisterschaft, heißt es, lohne es sich, tief in die Tasche zu greifen.