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Russland
Neue Gesetze gegen Terroristen - und Oppositionelle?

Die russische Regierung plant neue Gesetze zur Terrorbekämpfung. Die Opposition geht allerdings davon aus, dass sie keine Attentäter stoppen, sondern vor allem Regierungskritiker einschüchtern sollen. Und das vor den Duma-Wahlen am 18. September.

Von Florian Kellermann |
    Polizisten der OMON-Sondereinheiten trainieren am 22.09.2011 die Erstürmung eines Gebäudes auf dem Sofrino-Übungsgeländenahe Moskau
    Übung einer Antiterror-Einheit nahe Moskau: Neue Gesetze sollen die Bekämpfung des Terrors weiter erleichtern (dpa)
    Wenn das Gesetzespaket in Kraft tritt, müssen russische Internetanbieter Verbindungsdaten künftig ein Jahr aufbewahren, Mobilfunkanbieter sogar drei Jahre lang. Dabei handelt es sich um Informationen, welche Personen miteinander telefoniert haben, wer an wen eine Mitteilung geschickt hat, ein Foto oder eine Videodatei.
    Die neuen Bestimmungen gehen jedoch noch viel weiter. Die Telekommunikationsunternehmen sollen nämlich auch den Inhalt von Gesprächen und Mitteilungen speichern müssen - und zwar bis zu sechs Monate.
    Die Staatsduma hat bereits zugestimmt
    Die Gesetze stammen aus der Partei von Präsident Vladimir Putin "Einiges Russland", am vergangenen Freitag wurden sie bereits vom Unterhaus des Parlaments, der Staatsduma, verabschiedet. Sie dienten der Bekämpfung von Terrorismus, erklärte der stellvertretende Duma-Vorsitzende Sergej Schelesnjak, Abgeordneter von "Einiges Russland":
    "Vor der zweiten Lesung des Gesetzes gab es einige Vorschläge, damit die Mobilfunkanbieter nicht übermäßig belastet werden, aber die Staatsschutzorgane der Terrorgefahr trotzdem effektiv begegnen können. Die Variante, die letztendlich verabschiedet wurde, berücksichtigt die Vorschläge beider Seiten."
    Oppositionelle und Bürgerrechtler haben einen ganz anderen Blick auf die Gesetze. Sie gehen davon aus, dass die Staatsmacht die Bürger - und besonders ihre Kritiker - einfach besser überwachen und sie gleichzeitig einschüchtern möchte.
    Darauf deuten andere Bestimmungen aus dem Gesetzespaket hin. Sie enthalten einen neuen Straftatbestand: Aufruf zu Massenunruhen, heißt er und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden. Solche Formulierungen ließen den Behörden großen Spielraum, so der Kreml-kritische Journalist Jurij Saprykin:
    Immer nach dem gleichen Muster gestrickt
    "Solche Gesetze sind nach einem Muster gestrickt: Sie sind möglichst wenig konkret, sodass man jedes beliebige Verhalten in ihrem Sinne auslegen kann. Wenn man jemandem etwas anhängen will, dann findet sich dafür ein Gesetz."
    Dafür eignet sich auch der Straftatbestand der sogenannten "extremistischen Handlungen", die künftig schärfer geahndet werden sollen. Schon regierungskritische Karikaturen fallen mitunter unter dieses Gesetz. Neu ist, dass nun auch diejenigen bestraft werden können, die solche Straftaten nicht zur Anzeige bringen.
    Mit ihrem Gesetzespaket hat die Regierung nicht nur Bürgerrechtler gegen sich aufgebracht, sondern auch die Internet- und Mobilfunkanbieter. Dmitrij Solodobnikow vom Handybetreiber MTS:
    "Wenn die Unternehmen Milliarden Rubel investieren müssen, um die Forderungen des Gesetzes zu erfüllen, dann werden sie für viele Jahre ohne Gewinn arbeiten. Dadurch entgehen dem Staat dann erhebliche Steuereinnahmen."
    30 Milliarden Euro kostet die Infrastruktur
    Umgerechnet 30 Milliarden Euro wird die nötige Infrastruktur nach Schätzungen kosten. Ursprünglich sollten die Mobilfunk- und Internetunternehmen den Inhalt aller Gespräche nicht nur ein halbes Jahr, sogar sogar drei Jahre lang speichern.
    Experten rechneten allerdings aus, dass alle Computerhersteller der Welt jahrelang nur für Russland produzieren müssten, um Server mit der nötigen Menge an Speicherplatz herzustellen. Außerdem hätte der in Russland verfügbare Strom nicht ausgereicht, um diese Server auch zu betreiben.
    Es gilt als wahrscheinlich, dass der Föderationsrat, das Oberhaus des Parlaments, die neuen Gesetzes heute bestätigt.