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Russland
Noch mehr Macht für den Geheimdienst

Ohne weitere Genehmigung in eine Menschenmenge schießen oder bei Massenunruhen in jedes beliebige Gebäude eindringen: Was in Demokratien ausführlich debattiert würde, hat das Parlament in Russland dem Inlandsgeheimdienst in aller Eile erlaubt. Begründet wurden die neuen Vollmachten mit dem Kampf gegen den Terror - doch Kritiker vermuten andere Hintergründe.

Von Gesine Dornblüth |
    Eine Spezialeinheit des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Man sieht mehrere Soldaten von hinten mit dem Aufdruck "FSB" auf dem Rücken.
    Nur zwei Duma-Abgeordnete stimmten gegen die neuen Vollmachten für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB. (picture alliance / dpa / Igor Zarembo)
    Nur zwei Duma-Abgeordnete stimmten gegen die neuen Vollmachten für den russischen Inlandsgeheimdienst. Eine der Nein-Stimmen kam von Dmitrij Gudkow. Er sagt, die Geheimdienste hätten längst genug Vollmachten, um gegen Terrorismus zu kämpfen. Die neue Regelung öffne lediglich Tür und Tor für Missbrauch und verletzte die in der Verfassung garantierten Bürgerrechte:
    "Der FSB darf jetzt zum Beispiel Gewalt anwenden, um sogenannte Massenunruhen zu verhindern. Bei uns werden aber auch friedliche Demonstrationen zu Massenunruhen erklärt, es sitzen Leute deshalb im Gefängnis, obwohl sie nichts dergleichen getan haben."
    Oppositionelle warnen vor Willkür
    Dem neuen Gesetz entsprechend, darf der FSB bei Massenunruhen in jedes beliebige Gebäude eindringen und bei einer, wie es heißt, erheblichen Ansammlung von Menschen Schusswaffen gebrauchen, um Terroranschläge zu verhindern oder Geiseln zu befreien. Außerdem dürfen die Geheimdienstler an der Staatsgrenze Fingerabdrücke von Ein- oder Ausreisenden nehmen, sofern es Hinweise gäbe, dass die Betreffenden zu Terrorismus neigen.
    Mehrere Abgeordnete hatten das Gesetz eingebracht. Sie begründen es mit der Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Das Massenblatt "Moskowskij Komsomolez" spricht von einer "präzedenzlosen Erweiterung der Vollmachten" und benennt den Föderalen Sicherheitsdienst FSB im Titel um in "Föderaler Gefahrendienst". Auch der Abgeordnete Gudkow warnt vor Willkür. Schon jetzt habe das Parlament in Russland keine Möglichkeit, die Geheimdienste zu kontrollieren:
    "Der FSB und das Parlament werden vom Kreml, vom Präsidenten kontrolliert. Ich denke, diese Gesetzesänderungen geschehen in seinem Interesse."
    Präsidentenlob für den Geheimdienst
    Präsident Putin muss das das Gesetz noch unterzeichnen. Daran, dass er das macht, besteht kein Zweifel. Erst vor wenigen Tagen lobte Putin die Geheimdienstler bei einer Feierstunde für ihre Erfolge. Im vergangenen Jahr hätten sie 30 Terroranschläge verhindert:
    "Ich gratuliere Ihnen zum Tag der Arbeiter der Sicherheitsorgane, dem Tag der starken, entscheidungsfreudigen Menschen, echter Profis, die zuverlässig die Souveränität und die nationalen Interessen Russlands und das Leben unserer Bürger schützen."
    Die Duma beschloss gestern auch, die Freiheit der FSB-Mitarbeiter einzuschränken. Sie dürfen keine Kontakte mehr zu Ausländern, ausländischen Medien oder internationalen Organisationen unterhalten. Sie und ihre Ehepartner dürfen keine Auslandskonten mehr führen und keine Immobilien im Ausland besitzen. Dass das neue Gesetz so kurz vor Neujahr und ohne Debatte verabschiedet wurde, ist nach Meinung Dmitrij Gudkows kein Zufall:
    "Es zeigt, dass die Macht die Reaktion der Öffentlichkeit auf dieses Gesetz fürchtet. Die Leute denken bereits an die Feiertage und daran, wo sie Neujahr verbringen. Das passiert extra, damit es keinen Lärm gibt."