Geopolitik
Diese Rolle hat Nordkorea in Russlands Krieg gegen die Ukraine

Nordkoreanische Soldaten sollen an der Seite der russischen Armee gegen die Ukraine kämpfen. Im Gegenzug gibt es Devisen und militärische Hilfe, die für Südkorea gefährlich werden könnte. Eine gefährliche Situation, die der "Achse des Aufruhrs" nützt.

    Russlands Präsident Putin und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un stehen im geöffneten Dachfenster eines schwarzen Autos, das durch eine Willkommensparade in Pjöngjang fährt. Im Hintergrund sind bunte Ballons und viele Menschen zu sehen.
    Verbündet für eine andere globale Ordnung: Russland und Nordkorea haben ihre militärischen Beziehungen seit Beginn der russischen Offensive in der Ukraine verstärkt. (picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
    Mitte Oktober berichtet der südkoreanische Geheimdienst, Nordkorea habe 1500 Soldaten von Spezialeinheiten in den Fernen Osten Russlands verlegt, um sie dort für Kämpfe in der Ukraine zu trainieren. Die Truppen würden mit russischen Uniformen, Waffen und gefälschten Ausweispapieren versorgt.

    Inhalt

    Welche Rolle spielt Nordkorea im Ukrainekrieg?

    Nordkorea hat schon länger Waffen, Munition und Ausrüstung an Russland geliefert, sagt der Sicherheitsexperte Nico Lange. Bautrupps vermieteter Arbeitskräfte hätten in den besetzten Gebieten für Russland gearbeitet.
    Nach Angaben der USA und Südkoreas hat Nordkorea nun aber zudem mehr als 10.000 Soldaten entsandt, um Russland im Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen. Die Truppen würden in Kampfeinheiten eingegliedert und brächten Geschütze und Artillerie mit, die von Soldaten aus Nordkorea bedient würden.
    Der Sicherheitsexperte bezeichnete dies als „Kriegseintritt Nordkoreas“, der Folgen haben müsse. Damit bestünde die Gefahr, „dass der Weg für einen dauerhaften Zufluss nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite geöffnet ist“.
    Europa müsse darauf entschlossen reagieren, meint Lange. Ansonsten würden „die sicherheitspolitischen Folgekosten für Europa ungleich höher ausfallen, als wenn man jetzt handeln würde“.
    Der Einsatz der nordkoreanischen Soldaten deute dabei nicht zwangsläufig auf eine Verzweiflung Russlands hin, dass man keine eigenen Soldaten mehr rekrutieren könne, sagt die Wissenschaftlerin Maria Snegovaya vom Center for Strategic and International Studies in Washington. Vielmehr könne dieser Schritt im Zusammenhang mit dem Aufbau der sogenannten Achse des Aufruhrs stehen, einer Interessensgemeinschaft der Länder Iran, China, Russland und Nordkorea. So könnten nordkoreanische Soldaten in Russland nützliche Fähigkeiten erwerben, die in zukünftigen Konflikten von Bedeutung sein könnten.

    Welchen Nutzen zieht Nordkorea aus der Kriegsbeteiligung?

    Russland bietet Nordkorea viel moralische und politische Unterstützung, sagt Jenny Town, Leiterin des Korea-Programms am Stimson Center in Washington. Russland schütze Nordkorea vor zahlreichen Sanktionen wegen dessen Atomwaffenentwicklung. Beispiel: Im März 2024 legte Russland sein Veto gegen eine UN-Resolution ein, wodurch die Überwachung der Sanktionen gegen Nordkorea durch UN-Experten verlängert werden sollte.
    Nordkoreas materielle Hilfe wiederum zahlt sich aus - in Devisen, Wirtschaft, Handel, Tourismus. Nordkorea wird in Russlands Netzwerke eingebunden, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: Widerstand gegen westliche Dominanz, Zwang und Sanktionen.
    Da Nordkorea nun auch Truppen stellt, entsteht eine Blutschuld. Nordkoreaner sterben in Russland für russische Interessen. Russland wird künftig noch mehr gegenüber Nordkorea verpflichtet sein, so Town.
    Einige Experten vermuten zudem, dass Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un derzeit auf einen Krieg gegen das Nachbarland Südkorea hinarbeitet. Russlands Präsident Putin könnte ihm dabei helfen, nachdem Nordkorea ihn in einem europäischen Krieg unterstützt hat.
    In Südkorea sorge man sich deswegen, dass die Hilfe aus Russland dafür eingesetzt werde, den Konflikt zwischen Nord- und Südkorea zu eskalieren, sagt Eric Ballbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Denkbar wäre demnach Hilfe bei der Luftabwehr Nordkoreas, Einblicke in die Satellitentechnologie oder das Know-how zu Interkontinentalraketen.
    Am 3. Dezember rief Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol das Kriegsrecht aus und begründete das in einer Fernsehansprache mit der Bedrohung durch Nordkorea. Oppositionsführer Lee Jae Myung bezeichnete die Maßnahme laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Yonhap als verfassungswidrig und unbegründet.

    Wie ist das Verhältnis zwischen Nordkorea und Russland?

    Nordkorea hat in den vergangenen Jahren seine militärischen Beziehungen mit Russland verstärkt. Im Juni 2024 besuchte der russische Präsident Wladimir Putin die nordkoreanische Hauptstadt und unterzeichnete ein Verteidigungsabkommen mit seinem Amtskollegen Kim Jong-un.
    Darin vereinbarten beide Länder einen gegenseitigen Beistand für den Fall eines militärischen Angriffs durch einen Drittstaat. Das Abkommen gilt als die stärkste Verbindung zwischen Moskau und Pjöngjang seit dem Ende des Kalten Krieges.
    Das letzte Mal war Putin im Jahr 2000 in Nordkorea, damals wurde er noch von Kims Vater Kim Jong-il empfangen. Nach einer längeren Auszeit wurden die Beziehungen zuletzt deutlich ausgebaut - nicht zuletzt wegen des Kriegs gegen die Ukraine.
    So empfing Putin Kim im September 2023 in Russlands Fernem Osten. Bei dem Treffen auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny in der Amur-Region betonten beide Seiten ihre Bereitschaft zu einer Vertiefung der Kooperation - ausdrücklich auch im militärtechnischen Bereich.
    Die Demokratische Volksrepublik Korea war bereits seit ihrer Gründung nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Sowjetunion verbündet.

    Was bedeutet für die NATO die Kooperation Russlands und Nordkoreas?

    Aufgrund ihres Trainings und der Art und Weise, wie nordkoreanische Soldaten "in die russischen Formationen integriert" würden, rechnet US-Verteidigungsminister Lloyd Austin "fest damit, dass sie bald an Kämpfen beteiligt sein werden“. Für diesen Fall hat US-Außenminister Anthony Blinken eine entschlossene Antwort angekündigt. Wie sie aussehen könnte, erklärte er nicht.
    Es gilt derzeit als ausgeschlossen, dass die NATO eigene Kampftruppen in die Ukraine entsendet, die kein Mitglied des Transatlantik-Bündnisses ist. Bündnismitglieder wie Deutschland und die USA befürchten, dass dadurch ein Dritter Weltkrieg ausgelöst werden könnte.
    Dieses Szenario hat auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Mitte Oktober in Brüssel angesprochen. Er sagte zu einem möglichen Eingreifen Nordkoreas: „Das ist der erste Schritt zu einem Weltkrieg.“
    NATO-Generalsekretär Mark Rutte sprach sich angesichts des nordkoreanischen Engagements für eine stärkere Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine aus. Man müsse mehr tun, um sicherzustellen, dass die Ukraine im Kampf bleibe und die russischen Truppen so weit wie möglich zurückdrängen könne.

    Welche anderen ausländischen Mächte unterstützen Russland?

    Neben Nordkorea zählen auch der Iran und China zu den Unterstützern der russischen Kriegsmaschinerie. Russland setzte bisher fast 4000 Drohnen iranischer Bauart ein. China kauft russisches Öl und Gas und liefert Kriegstechnologien.
    Vor mehr als zwei Jahrzehnten nannte US-Präsident George Bush Iran, Irak und Nordkorea im Zusammenhang mit Terrorismus die „Achse des Bösen“, obwohl sie damals kaum miteinander kooperierten. Heute bilden Russland, Iran und Nordkorea zusammen mit China eine „Achse des Aufruhrs“. Diesen Begriff prägten die Sicherheitsanalysten Andrea Kendall-Taylor und Richard Fontaine vom Center for a New American Security (CNAS) in Washington.
    Der Vorwurf gegen die vier Länder lautet, diese würden intensiv daran arbeiten, die globalen Regeln und Normen zu kippen, die das internationale System stützen. Sie wollen die Macht und den Einfluss der USA schwächen, das US-Bündnissystem untergraben und die globale Ordnung verändern, die sie als nachteilig empfinden. Als Katalysator wirke Putins Invasion der Ukraine, durch den sich die Kooperation zwischen diesen Ländern beschleunige.
    Der Westen habe diese Zusammenarbeit zu schnell abgetan, sagt Maria Snegovaya vom Center for Strategic and International Studies in Washington. Allen voran die USA, die Russland laut mehreren offiziellen Dokumenten zur US-Sicherheitspolitik nicht als langfristige Bedrohung für ihr Land einstufen.