Die Opernfreunde liebten die Tannhäuser-Inszenierung von Anfang an, den Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche war sie ein Stachel im Fleisch, spätestens ab der siebten Minute im zweiten Akt. Regisseur Timofej Kuljabin hatte anstelle des traditionellen Sängerwettstreits ein Filmfestival stattfinden lassen, Jesus Christus als Regisseur inmitten von kaum bekleideten Damen. Dazu ein Plakat, das ein Kreuz zwischen nackten Frauenbeinen zeigte - zu viel für die russisch-orthodoxe Kirche. Dass das Poster aus dem Bühnenbild verschwand, reichte dem Metropoliten Tichon von Nowosibirsk nicht.
"Die Gläubigen haben das Recht nachzufragen, warum ihre Gefühle verletzt werden."
Wegen Gotteslästerung brachte der Kirchenmann Theaterintendanten Boris Mesdritsch und Regisseur Timofej Kuljabin vor den Kadi. Doch das Bezirksgericht folgte dieser Beschuldigung nicht, sprach die Künstler frei. Der Metropolit wandte sich daraufhin mit einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft und den russischen Inlandsgeheimdienst FSB, eskortiert wurden die Bemühungen von der Fraktion der Kreml-Partei "Einheitliches Russland" des Gebietsparlaments. Die Abgeordneten drängten den russischen Kulturminister, den Theaterintendanten abzusetzen. Der Minister handelte nun am Wochenende. Das Amt übernimmt der Direktor des Michailowskij-Theaters von Sankt Petersburg Wladimir Kechman, früher Geschäftsmann und Bananenkönig. Er hatte sich in dem Streit vor Wochen schon auf die Seite von Politik und Kirche gestellt und den Kollegen in Nowosibirsk ebenfalls Blasphemie vorgeworfen und deren Absetzung verlangt. Ob er die Aufführung nun persönlich aus dem Spielplan verbannt, ließ er zunächst offen.
Viel Zuspruch von anderen Kulturschaffenden
Am Wochenende hatten nach Aussagen der Veranstalter 3.000 Gläubige auf einer Kundgebung vor dem Opernhaus gegen die Tannhäuser-Inszenierung protestiert und nun noch die Absetzung des Kulturministers der Region gefordert. Die Menschenrechtsbeauftragte Russlands, Ella Pamfilowa, findet die Auseinandersetzung völlig überzogen:
"Man sollte nur im Notfall reagieren, wenn es eine grobe Gesetzesverletzung gibt. Diese Reaktion der russisch-orthodoxen Kirche löst in mir Beklemmungen aus."
Intendant und Regisseur erfahren jedoch auch viel Zuspruch, nicht nur im Internet, sondern auch aus der russischen Theaterwelt. Das Bolschoj- und das Lenkom-Theater in Moskau haben dem jungen Regisseur Kuljabin angeboten, in ihren Häusern zu inszenieren, was immer er möchte. Regisseure wie Alexander Kalagin, Oleg Tabakow, der Bildhauer Surab Zereteli, Sänger, Musiker, Schauspieler erklärten ihre Solidarität.