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Russland
Putin stellt sich Wählern und Presse

Zweimal im Jahr beantwortet der russische Präsident Wladimir Putin im Fernsehen ausgewählte Fragen der russischen Bevölkerung - bei der internationalen Pressekonferenz und der Bürgerstunde "Primaja Linia". Heute könnte es vor allem um die von Putin geplante neue Nationalgarde gehen.

Von Sabine Adler |
    Russlands Präsident Wladimir Putin während einer Dankesrede für Militärs, die in Syrien eingesetzt waren.
    Zweimal im Jahr beantwortet Putin im russischen Fernsehen Fragen (AFP / Yekaterina Shtukina)
    Es wird ein Marathon, den Wladimir Putin heute Mittag ab 12 Uhr beginnt, im vorigen Jahr hatten die Bürger insgesamt drei Millionen Fragen, Putin schaffte 55 Antworten. 2013 waren es 85 in vier Stunden 47 Minuten. 1000 Mitarbeiter haben ein Sonderstudio nahe des Kremls eingerichtet, sortieren seit Tagen die Fragen, die zum allergrößten Teil telefonisch gestellt werden, aber auch per Mail, SMS oder Videobotschaft. Die meisten betreffen Alltagssorgen in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise: Rubel und Ölpreis sind gefallen, die Preise stark gestiegen, es geht um Schlendrian und Unfähigkeit in Behörden. In der Regel erweckt Putin den Eindruck, dass er sich der Probleme persönlich annimmt, sagt der ehemalige Berater des Präsidenten Jelzin, der Politologe Georgij Saratow
    "Jedes Mal, wenn er vor dem Volk auftritt, erklärt er: Ich habe etwas angeordnet, aber sie tun das nicht. Und das ist tatsächlich so - schon 16 Jahre lang. Wenn es Versuche gibt, irgendwo so etwas wie Ordnung zu schaffen oder irgendeine Einrichtung zur Arbeit zu bewegen, zu der sie eigentlich da sind, entstehen kolossale Probleme. Und wenn dann jemand fragt, warum sie den Ukas von Putin nicht erfüllt haben, gibt es die immer gleiche Antwort: darum nicht. Sie sind nur dann effektiv, wenn es ein gemeinsames Interesse oder eine gemeinsame Angst gibt. Die haben keine Angst vor ihm, denn sie wissen, dass er von ihnen nicht weniger abhängig ist, als sie es von ihm sind."
    Die neue Nationalgarde soll Geheimdienst und Innenministerium einen
    Mit sie sind unter anderem der Geheimdienst FSB, die Truppen des Innenministeriums, die Zentrale Wahlkommission oder die Duma gemeint. Putin wird sich auch zu der von ihm angeregten Nationalgarde äußern müssen: die wird Russische Garde heißen, erinnert Kritiker an die Leibwache der Zaren und soll die Kräfte des Innenministeriums, den Geheimdienst FSB sowie die Sondereinheiten Omon und SOBR vereinen. Der Nationalgarde müsste sich theoretisch auch die tschetschenische Armee von Präsident Ramsan Kadyrow unterordnen, sagt der russische Sicherheitsexperte Pawel Felgenhauer.
    "In den russischen Sicherheitsinstitutionen mögen sie Kadyrow und seine Leute nicht besonders. Jetzt hofft man, dass Kadyrow sich unterordnet. Aber das wird nicht geschehen. Kadyrow wird seine Armee nicht auflösen und seine Leute auch nicht dem Kommando der Zentrale unterstellen."
    Die Nationalgarde wird ohne Vorwarnung schießen oder Wohnungen durchsuchen dürfen, was die Bürger vor allem beunruhigt an dieser neuen Mega-Sicherheitsbehörde.
    "Keine der Reformen, die es in den zurückliegenden 16 Putin-Jahren in den Sicherheitsorganen gab, war rational durchdacht. Alles drehte sich nur um die Ernennung von konkreten Personen, wie zum Beispiel die Rauschgiftbekämpfung. Es ging nur darum, einem bestimmten Mann eine Institution zu schaffen, nicht um mehr Sicherheit. Es ist wie beim angeblichen Antiterrorkampf, mit dem begründet wurde, das Gouverneure nicht mehr gewählt sondern ernannt werden."
    Georgij Saratow hält Loyalität für das wichtigste Merkmal nach dem Putin Posten besetzt und deswegen glaubt der Politologe nicht, dass Putin ehrlich sagt, warum er Viktor Solotow ernannt hat als Chef der Nationalgarde, der ein enger Vertrauter von ihm ist.