Ein Jahr vor Olympia
Keine Einigkeit im Wintersport über mögliche Rückkehr Russlands

Ob Eishockey, Eiskunstlauf oder Biathlon: Seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine sind russische Sportler und Teams vom Wintersport ausgeschlossen. Russland will zurückkehren – aber die Verbände sind sich nicht einig.

Von Constantin Eckner |
    Spieler haben sich vor einem  Saisonspiel im Eishockey zwischen St. Petersburg und Sotschi im Februar 2024 aufgereiht.
    Kehrt Russland schon bald in den Wintersport zurück? (IMAGO / ITAR-TASS / IMAGO / Alexander Demianchuk)
    Vier Tage nach den Olympischen Winterspielen 2022 begann der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Schon bei den folgenden Paralympics waren Russland und Belarus ausgeschlossen, seitdem hat kaum ein Athlet aus diesen Ländern an Wettkämpfen im Wintersport teilgenommen.
    Doch rund ein Jahr vor den Winterspielen in Mailand und Cortina d'Ampezzo könnte sich das langsam ändern. Die Internationale Eislaufunion lässt bereits Russinnen und Russen für die Olympia-Qualifikation im Eiskunstlauf, Eisschnelllauf und Shorttrack unter Auflagen wieder zu. Andere Verbände könnten dem Beispiel folgen.

    Mittag: "IOC hat Kurswende in die Wege geleitet"

    "Ich denke, die zentrale Entwicklung ist eigentlich zum Jahresende 2023, Anfang 2024 erfolgt, als vor allen Dingen seitens des IOC eine grundsätzliche Kurswende in die Wege geleitet worden ist; von der doch relativ einhelligen und zeitnahen Ausschlussentscheidung hin zu einer Rückkehr zum Dialog, zum Austausch", sagt Jürgen Mittag, Professor für Sportpolitik an der Deutschen Sporthochschule Köln. 
    "Das hat einfach auch Wettbewerbsgründe, finanzielle Gründe. Und eben die Logik, dass es mit Russland letztendlich erfolgreicher, besser geht, trotz grundsätzlicher Bedenken, die aus der internationalen Politik sicherlich weiter im Raume stehen. Und damit kommt dem Sport gewissermaßen wirklich eine gewisse Türöffner-Funktion im Hinblick auf internationale Politik zu. Die aber, das ist mir wichtig zu betonen, nicht unisono einhellig ist. Sondern die eher ein ganz vielfältiges, vielschichtiges, man könnte sagen ein Flickenteppich oder auch ein zerrissenes Bild des Wortes, des Sportes widerspiegelt, weil es eben so unterschiedliche Positionen in den einzelnen Verbänden gibt."

    Präsident des Rodelverbands gegen Rückkehr, Eishockey-Chef will Russland wieder dabei haben

    Der lettische Präsident des Internationalen Rodelverbands, Einars Fogelis, ist beispielsweise ein klarer Gegner einer russischen Rückkehr. Im Biathlon hat Russland auch keine Fürsprecher. Im Eishockey wiederum sieht das Ganze etwas anders aus. Luc Tardif, der Präsident der Internationalen Eishockey-Föderation, möchte Russland und Belarus "so schnell wie möglich" zu den internationalen Turnieren zurückbringen. Ein recht überraschender Richtungswechsel, gerade weil Tardif in der Vergangenheit als Russlandkritiker auftrat.
    Eishockey-Journalist Bernd Schwickerath überrascht dieser Wandel nicht. "Manche der größten Stars der Sportart, sei es historisch, sei es aktuell, kommen aus Russland. Und natürlich will man die besten Mannschaften dabeihaben, sei es bei Olympia, wo ja jetzt in Mailand 2026 wieder die NHL-Stars dabei sein werden, oder sonst bei der jährlichen Weltmeisterschaft.
    Andererseits geht es natürlich auch um finanzielle Interessen, denn in Russland gucken sehr viele Leute zu. Es gibt russische Sponsoren, es gibt russische Fans, die Tickets kaufen. Und natürlich ist es auch für westliche Sponsoren interessanter, ein Turnier zu unterstützen, das in Russland sehr viele Menschen gucken." Jedoch ließe sich eine Forderung, wonach sich russische Eishockeyspielerinnen und -spieler politisch neutral verhalten müssten, nicht umsetzen.

    Putin-Nähe im Eishockey bei bestimmten Spielern lange bekannt

    "Gerade im Eishockey hat man halt Spieler wie Alexander Ovechkin, den Superstar aus Washington, der ganz klar Putin-nah ist. Bis heute ziert sein Instagram-Profilbild ein Bild von ihm mit Putin. Er hat sogar mal für eine russische Präsidentschaftswahl ein eigenes Putin-Team aufgestellt. Also ein Wahlkampfteam aus prominenten Eishockeyspielern, wo noch Leute wie Evgeni Malkin waren, auch ein Starspieler von Pittsburgh zum Beispiel."
    Ovechkin hat beispielsweise auch mit dem Slogan "Save the children from fascism" nach der Invasion des Donbass die Position des Kremls unterstützt, wonach Russland vermeintlich gegen ukrainische Faschisten kämpfen würde. "Ovechkin war voll eingespannt in diese Putin-Maschinerie."

    Ende des Krieges könnte die Rückkehr vereinfachen

    Interessanterweise hält sich Ovechkin, der in Kürze den ewigen Torrekord in der NHL von Wayne Gretzky brechen könnte, seit rund eineinhalb Jahren mit politischen Äußerungen komplett zurück. Aber man kennt seine Haltung, ebenso wie jene von anderen Stars, etwa von Malkin oder auch dem ehemaligen Eiskunstläufer Evgeni Plushenko. Sollte der Krieg in der Ukraine bald enden, könnte das die Rückkehr Russlands sicherlich vereinfachen. Aber ohne Nebengeräusche wird das Ganze nicht vonstattengehen.
    Daran glaubt auch Professor Jürgen Mittag: "Sportgroßereignisse, Olympische Spiele, sommers wie winters, ziehen so viel Aufmerksamkeit auf sich, werden so stark medial rezipiert werden, dass auch definitiv politische Fragen in diesem Rahmen auch 2026 in Mailand und Cortina d'Ampezzo auf der Agenda stehen werden. Wenn es nicht die Russlandfrage ist, dann definitiv auch andere sportpolitische Fragen."
    Allzu große Hoffnungen sollte sich Russland in vielen Winterdisziplinen nicht machen, erst recht nicht, wenn der Krieg in der Ukraine weitergeht. Weder im alpinen Skisport noch im Skispringen oder Biathlon scheint ein Wende in Sicht.