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Drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat die Europäische Union weitere Sanktionen beschlossen – das 16. Maßnahmenpaket seit 2022. Dazu zählen Export- und Importverbote, Ausschluss von russischen Banken aus dem Finanzkommunikationssystem Swift und die Aussetzung von Rundfunklizenzen von Medienunternehmen. Das soll den Druck auf Putin erhöhen. Doch die angekündigten Verhandlungen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin über einen Waffenstillstand oder gar einen Frieden könnten die Sanktionen untergraben.
Welche Folgen haben die Sanktionen für das russische Geschäft mit Öl, Gas und Kohle?
Die EU hat die Einfuhr von Kohle und Öl aus Russland verboten. Russland verkauft weiterhin Öl, Kohle und Gas, vor allem nach China und Indien. Die verlorenen Einnahmen in Europa werden so vollständig ausgeglichen. Trotz eines Embargos gelangt Öl über ausländische, meist schrottreife Öltanker nach Europa. Eine neue Sanktion soll diese sogenannte Schattenflotte stoppen. Die EU hatte bereits im vergangenen Jahr 80 Schiffen das Einlaufen in Häfen untersagt, nun kommen 73 weitere dazu.
„Russisches Öl wirklich vom Markt zu nehmen und damit die gesamte Wirtschaftspyramide Russlands zum Einsturz zu bringen, ist kaum möglich, weil Russland so eng mit der Weltwirtschaft verflochten ist", sagt Maria Schagina vom International Institute for Strategic Studies.
Auch Flüssigerdgas (LNG) wird weiterhin aus Russland in die EU geliefert – und zwar so viel wie noch nie. Im vergangenen Jahr brachte das der russischen Staatskasse acht Milliarden Euro. Erst bis 2027 soll der Import verboten werden.
Vor dem Krieg sollten die zusätzlichen Einnahmen aus dem Ölverkauf in den Nationalen Wohlfahrtsfonds gehen, diese Regel wurde aufgegeben. Das Geld, das Russland einnimmt, gibt es sofort wieder für Aufrüstung aus. Dadurch fehlt es anderswo – und das hat mittelfristige Folgen.
Wie beeinflussen die Sanktionen die russische Wirtschaft?
Auf den ersten Blick scheinen die Sanktionen Russland nicht zu schaden. Die Wirtschaft wächst aktuell um drei Prozent. „Aber dieses Wachstum spiegelt sich nicht in der Steigerung des Wohlstands der russischen Bevölkerung wider“, sagt die russische Finanzexpertin Alexandra Prokopenko. „Die Ausgaben für Soziales, Bildung, Gesundheit und sogar bei der inneren Sicherheit sinken, wegen des steigenden Kriegs- und Militärhaushalts.“
Sie spricht von einer „Politik der verpfändeten Zukunft“. Die Aussichten für die russische Wirtschaft in fünf bis zehn Jahren seien „ziemlich düster“. Prognosen zufolge wird das russische Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf 1,35 Prozent sinken – und sich bis 2029 auf niedrigem Niveau halten.
Außerdem gibt es weitere Krisenerscheinungen. Wegen der Kriegswirtschaft fehlen Unternehmen Arbeitskräfte. Es gibt zudem einen Engpass für elektronische Bauteile, Software und optische Linsen, die für Hightechwaffen benötigt werden. China füllt diese Lücke und dient als Hauptumschlagplatz für westliche Halbleiter und andere Hochtechnologie. „China hält den Krieg am Kochen“, sagt Maria Schagina. „An China muss man sich wenden, um den Krieg zu beenden.“
Hohe Inflation und Innovationsschwäche
Die Finanzsanktionen treffen Russland am stärksten. Für den Kreml ist es nun sehr schwer, sich auf dem Finanzmarkt Geld zu leihen. Außerdem verteuern diese Sanktionen das Leben in Russland. Wegen der Sanktionen steigen die Preise, weil Unternehmen neue Wege für Lieferketten finden müssen. Wegen steigender Preise steigt auch die Inflation in Russland. Sie betrug im Januar 2025 9,9 Prozent. Vor einem Jahr waren es noch 7,4 Prozent. In diesem Jahr könnte sie zu einem großen Problem für die Regierung und die russische Zentralbank werden.
Hinzu kommt eine Innovationsschwäche: „Russland gehört bereits jetzt schon zum technologischen Hinterhof der Welt“, sagt Alexandra Prokopenko, die bis zur russischen Invasion in die Ukraine leitende Beraterin bei der russischen Zentralbank gewesen ist. „In den letzten drei Jahren haben wir in Russland keine herausragenden Innovationen gesehen, nicht einmal Anzeichen für potenzielle technologische Durchbrüche. Diese Situation wird sich noch verschlechtern.“
Christian von Soest, Sanktionsexperte beim Leibniz-Institut für globale und regionale Studien Hamburg, fasst es so zusammen: „Wenn man sich das Gesamtbild anschaut, dann ist klar, dass die Sanktionen Russland sehr viel stärker schaden als dem Westen.“
Wie könnte es voraussichtlich weitergehen mit Sanktionen?
Das bisher konstruierte Sanktionsregime ist in enger Abstimmung mit den G7-Staaten entstanden – also auch mit den USA. Trumps Schwenk zu einer Verständigung mit Putin läuft den Bemühungen zuwider, Moskau unter Druck zu setzen, und die russischen Profite, mit denen der Krieg finanziert wird, weiter zu reduzieren.
Allerdings sind Sanktionen nur so stark, wie deren Einhaltung auch kontrolliert wird. Der Kahlschlag, den Elon Musk in Regierungsbehörden durchführt, hat auch schon Stellen getroffen, die mit der Sanktionsüberwachung betraut waren. Dadurch könnte das neue Sanktionspaket an Durchschlagskraft einbüßen.
Sollte Donald Trump bald wie angekündigt mit Wladimir Putin über das Ende des Krieges mit der Ukraine verhandeln, wird es auch um ein Ende der Sanktionen gehen. Auch wenn sie selten eine Änderung der Politik bewirken, sind sie doch eine nicht zu unterschätzende Verhandlungsmasse. Doch selbst wenn Trump zu Zugeständnissen bereit sein sollte, ziehen die Europäer wohl längst nicht so schnell mit, denn das hieße, ein wirksames Druckmittel gegen Putin eventuell voreilig aus der Hand zu geben.
„Eine Einladung an Russland, nach Europa zurückzukehren, wird von Putin nur als Zeichen von Schwäche angesehen“, sagt Alexandra Prokopenko. „Vielleicht würde er einige Preise senken, aber er wird mit Sicherheit andere Kosten erhöhen, politische. Er wird einen Keil in den Westen treiben oder sich andere demütigende Dinge einfallen lassen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Rückkehr zu den guten alten Zeiten unmöglich ist.“
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