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Russland
Setschins Macht

Mehr als drei Milliarden Rubel Schadensersatz verlangt Russlands Ölriese Rosneft von dem Verlagshaus RBK - wegen eines angeblich rufschädigenden Artikels. Noch nie hat ein Kläger von einem Medienhaus eine solche Entschädigungssumme verlangt. Rosneft-Chef Igor Setschin ist ein Vertrauter von Wladimir Putin - und bekannt für seinen harschen Umgang mit Kritikern.

Von Gesine Dornblüth |
    Anlass für die Milliardenklage von Rosneft gegen den Verlag RBK ist ein Zeitungsartikel aus dem vergangenen April. Darin berichtete RBK über die bevorstehende Teilprivatisierung des Ölkonzerns. Bisher besitzt der russische Staat 70 Prozent von Rosneft, weitere knapp 20 Prozent hält das britische Unternehmen BP.
    Das Blatt schrieb, Rosneft habe die russische Regierung aufgefordert, dafür zu sorgen, dass, wer auch immer Staatsanteile von Rosneft erhalte, keine Abreden mit dem Minderheitenaktionär BP treffen dürfe, und mehr noch, dass die Anteile schon gar nicht an BP selbst gehen dürften. Die Konzernführung unter Setschin wolle damit, so legte es der Artikel nahe, eine Übermacht des Mitaktionärs BP in dem strategisch wichtigen Konzern Rosneft verhindern. Das Blatt berief sich auf zwei hohe Regierungsbeamte und eine Quelle bei Rosneft. Rosneft nannte den Artikel eine Lüge und zog vor Gericht - wegen angeblicher Rufschädigung.
    Unabhängige Medien in die Schranken weisen
    Eine erste Verhandlung Anfang November wurde auf den heutigen Montag vertagt. Timofej Scherbakow, Jurist von RBK, meinte daraufhin ironisch: "Der 12. Dezember - das ist symbolisch: Es ist der Tag der Verfassung. Wir haben große Zweifel an den Beweisen, die Rosneft anführt."
    Gerade letzte Woche wurde bekannt, dass RBK möglicherweise richtig lag. Der Schweizer Rohstoffhändler Glencore und ein Fond aus Katar werden bei dem Ölriesen einsteigen. RBK vermutet, Rosneft gehe es mit der Klage darum, unabhängige Medien in die Schranken zu weisen, die mehr schreiben, als in den Pressemitteilungen von Unternehmen steht.
    Rosneft verklagte auch Kommunistische Partei
    Rosneft und sein Chef Igor Setschin überziehen Medien schon seit Jahren mit Klagen - und gewinnen. 2014 traf es die russische Zeitschrift "Forbes". Sie hatte über mutmaßliche Bonus-Zahlungen an Setschin berichtet. Die Zeitung Vedomosti unterlag, nachdem sie über ein Luxus-Anwesen Setschins geschrieben hatte - Verletzung der Privatsphäre, befand ein Gericht. Setschin klagte auch gegen die Nowaja Gaseta. Das kremlkritische Blatt hatte über eine Luxusyacht berichtet, die mutmaßlich Setschins Frau gehört.
    Auch die Kommunisten wagen mitunter Kritik an Setschin. Im Herbst 2014 nannte der Abgeordnete Walerij Raschkin in der Duma mutmaßliche Gehälter von Spitzenmanagern. Igor Setschin verdiene im Staatsunternehmen Rosneft 4,5 Millionen Rubel am Tag, so der Abgeordnete. 4,5 Millionen Rubel, das waren damals umgerechnet rund 90.000 Euro. Anfang 2016 bekräftigte Raschkin im Sender Echo Moskwy: "Dass Top-Manager von Rosneft in Russland in Krisenzeiten solche Gehälter beziehen, ist schockierend."
    Mittlerweile wurde auch die Kommunistische Partei von Rosneft verklagt und unterlag. Laut Medienberichten diskutierte die Fraktion kürzlich, statt Rosneft künftig doch lieber die Regierung zu kritisieren.
    Setschin hat großen Einfluss auf Putin
    Im November gab ein weiteres Ereignis Anlass zu Diskussionen über Setschins Macht: Russlands damaliger Wirtschaftsminister Aleksej Uljukajew wurde wegen Korruptionsverdachts verhaftet. Hintergrund könnte ein Streit des Ministers mit Rosneft gewesen sein. Er wurde im Büro des Konzerns festgenommen. Uljukajew sei bereits seit Monaten vom Geheimdienst beobachtet worden, hieß es anschließend aus dem Kreml.
    Der Politologe Andrej Kolesnikow vom angesehenen Carnegie-Zentrum sagte in einer Diskussionsrunde bei Radio Liberty: "Das Problem ist der unglaubliche, kolossale, und schwer zu erklärende Einfluss Setschins auf Putin. Man fragt sich, wer da wen lenkt."
    Wladimir Putin und Igor Setschin kennen sich seit den 1990er Jahren. Setschin war Putins Berater in der Präsidialverwaltung und stellvertretender Premierminister.
    Die kremlkritische Wochenzeitschrift "The New Times" brachte kürzlich eine Montage mit einem winzigen Putin und einem riesigen Setschin auf ihrem Titelblatt. Journalisten im Fernsehsender Doschd halten es sogar für möglich, dass Setschin und sein Umfeld auch in der Lage wären, eines Tages die Regierung zu stürzen.