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Russland streckt seine Fühler nach Osten aus

Russland hat große Erwartungen an den Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC). Er soll dem unterentwickelten Fernen Osten Russlands Perspektiven bieten, den Export steigern und Investitionen anziehen.

Von Gesine Dornblüth |
    Rund sechseinhalbtausend Kilometer sind es von Moskau nach Wladiwostok an der russischen Pazifikküste. Die russische Regierung hat den Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft bewusst an das andere Ende Russlands gelegt, um Aufschwung in die bisher unterentwickelte Region zu bringen. Igor Schuwalow, stellvertretender Premierminister:

    "In Wladiwostok gab es zum Beispiel keine Kläranlagen. Alle Abwasser flossen ins Meer. Die dortigen Behörden hätten das niemals allein beheben können. Wegen des Gipfels gab es enorme finanzielle Hilfe aus dem föderalen Haushalt."

    Für den Gipfel wurden Straßen, Brücken, Eisenbahnlinien gebaut, eine ganze Insel umgestaltet. Alles in Rekordgeschwindigkeit. Mehr als 16 Milliarden Euro hat es gekostet, mehr als die Vorbereitung der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014. Russland geht es in Wladiwostok um eine wirtschaftliche Weichenstellung von strategischer Bedeutung. Vizepremier Schuwalow:

    "Bisher bestreiten wir mehr als die Hälfte unseres Außenhandels mit der EU. Wenn wir unsere Wirtschaft diversifizieren und unsere Abhängigkeit von Rohstoffen verringern wollen, wenn wir stärker werden wollen und interessanter für viele Ökonomien der Welt, dann müssen wir da eine Balance herstellen. Mindestens fünfzig Prozent unseres Außenhandels müssen wir künftig mit den Ländern der Asien-Pazifik Region abwickeln."

    Noch ist der Handel Russlands mit dem Osten verschwindend gering, prozentual liegt er im niedrigen einstelligen Bereich. Das Hauptproblem ist: Russland exportiert noch immer fast nur Rohstoffe. Vor allem Öl und Gas. In der EU sinkt die Nachfrage nach Energie aus Russland. Da sei es ganz natürlich, dass Russland sich umorientiere, meint Nikita Maslennikow von dem kremlnahen Institut für moderne Entwicklung, INSOR.

    "Vor allem in den entwickelten Ländern wird sich das Verbraucherverhalten künftig ändern. Die Staaten der EU brauchen dann weniger Rohstoffe, als wir liefern. Wenn wir weitermachen wie bisher, werden unsere Exporte sehr schnell sinken: in den nächsten drei bis vier Jahren um zehn Prozent."

    Doch Wirtschaftsfachleute bezweifeln, dass die asiatischen Märkte wirklich eine Alternative zum europäischen Markt darstellen. Sergej Chestanow ist Direktor eines großen russischen Finanzdienstleisters.

    "Der Handel mit den APEC-Staaten wird in den nächsten zehn Jahren niemals auf 50 Prozent unseres Außenhandels anwachsen. Das ist völlig unrealistisch. Dafür ist die Konkurrenz dort viel zu hoch. Russland wird seine Energieträger nach Osten nicht zu den Preisen exportieren können, die es in der EU erzielt."

    Und etwas andere als Öl und Gas habe Russland bisher nicht zu bieten.

    "Um hochklassige Produkte exportieren zu können, brauchen wir erst mal eine konkurrenzfähige Industrie. Die haben wir nicht. Und um billige Massenware zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten, ist die Arbeitskraft bei uns zu teuer – viel teurer als in Asien."

    Nikita Maslennikow vom Institut für moderne Entwicklung ist optimistischer. Die Pazifik-Anrainer hätten Interesse, zum Beispiel mehr Holz oder Meeresprodukte aus dem russischen Fernen Osten zu importieren und entsprechend in Russland zu investieren. Japan wolle Automobilwerke an der russischen Pazifikküste bauen. Und es gäbe Pläne, die Öl verarbeitende Industrie zu entwickeln. Das alles, räumt Maslennikow ein, werde aber nur dann funktionieren, wenn Russland endlich seine Hausaufgaben mache, die Korruption im eigenen Land bekämpfe und das Investitionsklima verbessere.

    "Wenn wir bei uns zu Hause keine Ordnung schaffen, schaffen wir weder den Durchbruch nach Osten, noch können wir unsere Position in Europa halten."

    Bisher bestand die Korruptionsbekämpfung in Russland lediglich aus schönen Worten. Wenn der Asien-Pazifik-Gipfel in Wladiwostok daran tatsächlich etwas ändert, würden davon auch europäische Investoren profitieren.