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Russland und Belarus
Demonstrativer Schulterschluss in Sotschi

Wenn sich der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko und der russische Präsident Wladimir Putin in Sotschi treffen, wollen sie Geschlossenheit signalisieren. Ihr Verhältnis ist eng, aber zunehmend von Spannungen geprägt. Von einer Begegnung auf Augenhöhe kann spätestens seit dieser Woche nicht mehr die Rede sein.

Gesine Dornblüth im Gespräch mit Anne Raith |
Der russische Präsident Wladimir Putin (r.) und der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko sitzen gemeinsam vor einem Kamin
Alexander Lukaschenko und Wladimir Putin trafen sich noch im April 2021 in Moskau (imago / Russian Look / Kremlin Pool )
Das Treffen in Sotschi am Schwarzen Meer ist bereits das dritte in diesem Jahr und steht nach der erzwungenen Landung einer Passagiermaschine in Minsk und der Festnahme des regierungskritischen Bloggers Protassewitsch und seiner Partnerin unter besonderer Beobachtung. Der belarussische Machthaber Lukaschenko steht unter dem zunehmenden Druck der europäischen und US-amerikanischen Sanktionen und setzt auf die Hilfe Putins – der sie ihm gewährt, aber nicht ohne Gegenleistung.

Worum geht es bei dem Treffen in Sotschi?

Das Treffen ist schon länger geplant, es werde aber nun dazu genutzt, nach außen Unterstützung und Geschlossenheit zu signalisieren, so die ehemalige Russland-Korrespondentin Gesine Dornblüth in der Sendung "Europa heute". Jetzt komme es auf die Bilder und Zwischentöne des Treffens an. Bei früheren Treffen – die übrigens immer in Russland stattfinden – habe man die beiden harmonisch beim Skifahren in einer Gondel sitzen sehen können, sie erinnere sich jedoch auch an Bilder, die Putin breitbeinig in seinem Sessel sitzend zeigten, und neben ihm ein gebeugter Lukaschenko mit Notizzetteln auf den Knien.
Grundsätzlich gehe es bei den Treffen zwischen Putin und Lukaschenko immer um das Gleiche: Lukaschenko braucht Geld, und Russland möchte bei der russisch-belarussischen Integration weiter vorankommen.
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Stellt sich Putin nachträglich an Lukaschenkos Seite – oder war er eingeweiht?

Ob Putin direkt in die erzwungene Landung und die Festnahme involviert war, sei schwer einzuschätzen, so Gesine Dornblüth. Die Geheimdienste beider Länder kooperieren zwar, rückblickend wirke die Aktion jedoch dilettantisch und wenig durchdacht.
Außerdem bereite Moskau gerade das Gipfeltreffen mit den USA vor, ein so aggressiver Akt gegen die EU passe Putin nicht ins Konzept. Dornblüth hält die Aktion für einen "Racheakt eines völlig außer Rand und Band geratenen, unberechenbaren Diktators Lukaschenko".

Zwischen Annäherung und Affront – wo steht die Beziehung zwischen Moskau und Minsk?

Im Jahr 1999 hatte Lukaschenko, der Dienstältere der beiden, einen Vertrag über eine Staatenunion zwischen Russland und Belarus unterzeichnet. Damals hieß der Präsident noch Boris Jelzin, der zu diesem Zeitpunkt schon krank und schwach war. Lukaschenko machte sich Hoffnungen, selbst als Oberhaupt dieses Unionsstaates in den Kreml einzuziehen. Als auf Jelzin Putin folgte, habe es Lukaschenko nicht mehr so eilig mit der Umsetzung des Vertrages gehabt, so Dornblüth, da er seine Chancen schwinden sah.
Lukaschenko hat seitdem immer wieder laviert, sich mal der EU, mal Moskau zugewandt und nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 vermehrt die Eigenständigkeit betont – und die Krim nicht als russisch anerkannt.
Im Kreml hatte man erwogen, vor der Wahl in Belarus 2020 Lukaschenko durch einen zuverlässigeren, berechenbareren, weniger exzentrischen prorussischen Präsidenten zu ersetzen. Das sei jetzt vom Tisch, so Russland-Kennerin Gesine Dornblüth, da die Massenproteste Lukaschenko massiv geschadet und geschwächt hätten. Durch die zusätzlichen Sanktionen gegen Belarus habe Putin nun die Oberhand.
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Wo decken sich die strategischen Ziele in Moskau und Minsk – und wo nicht?

Lukaschenko gehe es um seinen eigenen Machterhalt und sonst nichts, glaubt Gesine Dornblüth. Mehr Optionen habe er nicht, die Lage sei existentiell.
Auch Putin sei an einem Machterhalt Lukaschenkos interessiert - aus innenpolitischen Erwägungen. Er müsse sonst fürchten, dass eine erfolgreiche Revolution in Belarus auf die russische Bevölkerung abfärbe, schlussfolgert die ehemalige Russland-Korrespondentin. Und so gehe es ihm auch um seinen eigenen Machterhalt.
Wichtig ist auch die Staatenunion mit gleichen Zöllen, gleichen Steuern, gleicher Außenpolitik. Putins erste Reise nach seiner Rückkehr ins Präsidentenamt ging nach Belarus. Damals betonte er, Russlands Position in der Welt festigen zu wollen, vor allem über eine Integration im euro-asiatischen Raum. Durch die jüngsten Entwicklungen sei Belarus nicht mehr – wenn es das jemals war – ein gleichberechtigter Partner dieser Staatenunion, sondern verliere massiv an Souveränität und könnte Russland sogar einverleibt werden, so Dornblüth.
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Was heißt das für die belarussische Zivilbevölkerung?

Viele Beobachterinnen und Beobachter der Lage sagen, wenn Russland Lukaschenko nicht massiv unterstützt hätte, wäre der schon längst nicht mehr an der Macht. Inzwischen ist die belarussische Zivilgesellschaft wieder massiv unter Druck, es gibt über 400 politische Gefangene. Die belarussische Zivilgesellschaft sei jedoch nicht mit der russischen vergleichbar, findet Gesine Dornblüth. Sie sei viel aktiver und stärker. Es könne sogar sein, so Dornblüth, dass die Ereignisse der vergangenen Woche die Zivilgesellschaft wieder mobilisieren, es gebe erste Anzeichen, dass es wieder zu Protesten kommen wird.