Das Gesetz, auf das sich die Abgeordneten beziehen, ist schon 26 Jahre alt. Es sieht unter anderem vor, dass Kriegsveteranen Unterstützung bekommen und der Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland würdevoll begangen wird.
Doch was nun in das Gesetz aufgenommen werden soll, geht weit darüber hinaus. Es soll verboten werden, auf bestimmte Weise über den Zweiten Weltkrieg zu sprechen. Das Vorgehen von Hitler-Deutschland soll nicht mehr mit dem Vorgehen der sowjetischen Staatsführung gleichgesetzt werden dürfen. Er könne das teilweise verstehen, erklärte der Historiker Oleg Budnitzkij von der Höheren Wirtschaftsschule in Moskau gegenüber dem Fernsehsender "Doschd":
"Die Hauptverantwortung für den Ausbruch des Kriegs liegt bei Nazi-Deutschland. Hitler hat den Krieg begonnen. Aber in manchen Etappen des Krieges waren seine Ziele mit denen der Sowjetunion in bestimmten Aspekten identisch. Der damalige sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow hat zugegeben, dass es der Sowjetunion damals darum ging, den polnischen Staat zu zerstören."
Genau das taten das Deutsche Reich und die Sowjetunion 1939 gemeinsam – so wie sie es zuvor im geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt vorgesehen hatten.
Der Historiker Budnitzkij urteilt differenziert über den Gesetzentwurf. Er sei zwar so vage formuliert, dass man daraus leicht weitreichende Vorwürfe ableiten könne, sagte er. Andererseits sichere er immerhin die Freiheit der historischen Forschung zu.
"Die Wissenschafts-Community sollte sich hier aufbäumen"
Andere Kommentatoren äußerten sich deutlich kritischer, so der Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Alexander Archangelskij gegenüber Radio Echo Moskwy:
"Wenn die Wissenschafts-Community dieses Gesetz akzeptiert, hat sie nur zwei Möglichkeiten: nicht mehr über dieses Thema, den Krieg, zu sprechen oder zu emigrieren. Im Beruf darf ich keine Kompromisse eingehen, denn da geht es um meinen professionellen Ruf. Die Wissenschafts-Community sollte sich hier aufbäumen. Das ist ein Gesetz der Willkür."
Kritiker fürchten, die Staatsmacht werde das Gesetz benutzen, um den historischen Diskurs einzuschränken. Von den sowjetischen Kriegsverbrechen unter Stalin solle nicht mehr die Rede sein, so vom Mord an tausenden polnischen Zivilisten und Soldaten, dem sogenannten Massaker von Katyn.
Denn hinter dem neuen Gesetz steht Staatspräsident Wladimir Putin, wie die Autoren einräumten. Und Putin versucht seit langem, Stalins Politik zu rechtfertigen. Er verteidigte nicht nur den Hitler-Stalin-Pakt, sondern gab auch Polen eine Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Grundstein für ein neues Stalin-Zentrum
Passend zu Putins Geschichtspolitik will die Kommunistische Partei Russlands heute [8.5.21] den Grundstein für ein sogenanntes Stalin-Zentrum legen, in der Stadt Bor in der Region Nischnij Nowgorod. Es solle Museum und Bildungseinrichtung werden, heißt es. Wladislaw Jegorow vom regionalen Parteiverband sagte vor einigen Monaten, bei der Einweihung eines Stalin-Denkmals:
"Der Name Stalin symbolisiert für uns Sieg und den Ruhm unseres Vaterlands. Er symbolisiert die Einheit der brüderlichen Völker der Sowjetunion. Stalin symbolisiert die Macht und die Größe des Staats, der den Frieden auf der Erde sicherte und den Dritten Weltkrieg verhinderte."
Das Stalin-Zentrum ist, wie auch das Denkmal, zwar eine private Initiative. Aber es entsteht in einer Atmosphäre, die von der Staatsführung mit geprägt wurde.
Böse Zungen allerdings behaupten, das geplante Gesetz diene eigentlich einem ganz anderen Zweck als der Geschichtspolitik. Es solle die russischen Kriegsveteranen symbolisch trösten. Denn sie bekommen zum Jahrestag des Kriegsendes eine viel niedrigere Zuwendung als ihre ehemaligen Kameraden in Kasachstan und Usbekistan.