Einige russische Kommentatoren sind auf Konfrontationskurs. Der Nato-Gipfel finde zur falschen Zeit am falschen Ort statt, so der Sender Kommersant.fm am Tag vor dem Treffen. Wenn die Nato in Warschau beschließe, ihre Präsenz an der Ostflanke zu verstärken, untergrabe das den gerade begonnenen Annäherungsprozess zwischen Nato und Russland und gebe den Falken neuen Auftrieb.
Russische Regierungsvertreter sehen dem Nato-Gipfel dagegen gelassen entgegen. Er erwarte in Warschau keine qualitativ neuen Entscheidungen, so Nato-Botschafter Aleksandr Gruschko gestern in einem Interview der Zeitung "Kommersant". Der ehemalige General Jewgenij Buschinskij, gewöhnlich dicht an der Position des russischen Generalstabs, sagt dem Deutschlandradio sogar, von den vier geplanten Bataillonen der Nato im Baltikum und in Polen gehe keine Gefahr für Russland aus.
"Sicher, symbolisch ist das kein besonders positiver Schritt. Aber ich bin nicht geneigt, die Nato zu dämonisieren und eine militärische Bedrohung von ihrer Seite zu spüren."
Ein ständiges Wechselspiel zwischen Nato und Russland
Dementsprechend werde Russland auch nicht scharf auf den Gipfel in Warschau reagieren, so Buschinskij. Ganz ähnlich äußert sich der Militärexperte Ivan Konovalov, Direktor des Zentrums für strategische Konjunktur. Nein, die voraussichtlichen Beschlüsse des Nato-Gipfels stellten keine Bedrohung dar. "Niemand sieht das hier so. Aber es ist eine Provokation, die von uns eine Antwort erfordert."
Diese Antwort sei bereits erfolgt, so Konovalov. Anfang des Jahres hat Russlands Verteidigungsministerium angeordnet, drei Bataillone an die russische Westgrenze zu verlegen. Zwar nicht an die Grenze zur Nato , nicht in das Gebiet Pskow nahe Estland und Lettland, und auch nicht nach Kaliningrad, sondern in die Nähe der Ukraine und Weißrusslands. Von dort ist es allerdings nicht weit bis zum Baltikum. In der Nato fürchtet man, dass Russland seine Ankündigungen wahr machen und in Kaliningrad dauerhaft Iskander-Raketensysteme stationieren könnte. Der Militärexperte Konovalov beschwichtigt:
"Wir werden nichts tun, was im Westen als ein offenes Übertreten der roten Linie verstanden wird. Wenn wir Iskander-Raketen in Kaliningrad stationieren, verringern wir die Möglichkeiten, uns mit der Nato zu einigen, nur noch weiter. Wenn die Nato allerdings Elemente des Raketenabwehrschirms in Polen installiert, dann haben wir keine andere Wahl."
Es ist rhetorisch ein ständiges Wechselspiel: Mal heißt es, ja, die Nato provoziere, dann wieder, die Nato könne Russland gar nichts haben. Aber reagieren müsse man.
Annexion der Krim führte zur Verschlechterung der Beziehungen
Präsident Putin hatte sich zuletzt moderat geäußert. Bei einem Besuch in Finnland sicherte er zu, mit der Nato über Präventionsmechanismen im baltischen Luftraum zu beraten. Und Russland hat sich mit dem Nato-Mitglied Türkei ausgesöhnt.
Bei alledem verschweigt die russische Führung den Anlass, der zur rapiden Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Russland und der Nato geführt hatte: die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, die Verschiebung der Grenzen mithilfe von Gewalt, die Einmischung Russlands im Nachbarland Ukraine. Die Sprecherin des Außenministeriums, Marija Zacharowa, warf der Nato gestern erneut vor, Russland nur deshalb der Aggression zu bezichtigen, um das eigene Aufrüsten zu rechtfertigen.
Zacharowa hielt ihr wöchentliches Briefing auf der Halbinsel Krim ab. In weißem Kleid vor blauem Meer, vom Fernsehen live übertragen, beteuerte sie Russlands Unschuld. "Großbritannien sagt, wir seien eine Gefahr. Der Generalsekretär der Nato sagt, wir bedrohten den Frieden und die Sicherheit. Wo sind bitte konkrete Beispiele?"
Trotz aller beschwichtigenden Worte aus Moskau - wenn es um die Krim und die Ostukraine geht, zeigt sich Russland unnachgiebig.