Seit Jahren schon unterhält das russische Militär regelmäßigen Kontakt zu Chalifa Haftar, der in Libyen zur Offensive auf Tripolis ansetzt: Vor mehr als zwei Jahren bekam er einen Empfang auf dem Flugzeugträger "Admiral Kusnezow", einschließlich eines Gesprächs per Videoschalte mit Sergei Schoigu, dem russischen Verteidigungsminister. Haftar war in den vergangenen Jahren außerdem mehrfach zu Besuch in Moskau.
Am Sonntagabend widmete sich nun das Staatsfernsehen in einer sehr populären Sendung diesem General. Sie vermittelte den Eindruck, dessen Vormarsch sei legitim. Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass er Russisch spreche: "Chalifa Haftar wurde in der Sowjetunion ausgebildet: 1978 absolvierte er Offizierskurse. 1983 hörte er Vorlesungen an der Frunse-Militärakademie", einer Hochschule der Sowjetischen Armee.
Medienbericht: Russische Soldaten sollen nach Libyen verlegt worden sein
Russland setzt in Libyen aber wohl nicht nur auf freundliche Worte. Wer die Meldungen der vergangenen Monate zueinander fügt, für den zeichnen sich Umrisse militärischen Engagements in dem nordafrikanischen Staat ab: Die Zeitung RBK schrieb im Oktober des vergangenen Jahres unter Verweis auf eine ungenannte Quelle, über Monate seien russische Soldaten nach Libyen verlegt worden, um die von Haftar befehligten Truppen zu unterstützen. Die Soldaten sollen aus Einheiten der Luftlandetruppen stammen.
Die unabhängige Zeitung "Nowaja Gasjeta" fand im Netz ein vom Kommandostab Haftars veröffentlichtes Video. Zu sehen ist, wie der General im vergangenen November in Moskau empfangen wird und mit Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Gerassimow an einem Tisch sitzt. Außerdem dabei: Jewgenij Prigoschin, ein langjähriger Vertrauter Wladimir Putins und Schlüsselfigur für die Strategie des Kremls, in mehr und mehr Ländern rund um den Globus Einfluss zu nehmen.
Russland will Einfluss auf die Zukunft des ölreichen Staates nehmen
Seit Jahren weist sehr viel darauf hin, dass dieser Mann eine Söldnerarmee lenkt, die unter dem Namen "Wagner" firmiert. "Wagner"-Kämpfer operierten nachweislich in der Ostukraine, sind in Syrien aktiv, außerdem in Venezuela, im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik. Gelegentlich kommen dabei Söldner zu Tode. Sie werden meist in Russland bestattet – auch dazu gibt es Zeugen. Die Kämpfer dienen dem Kreml als kostengünstiges Instrument der Einflussnahme überall dort, wo offizielle Militäreinsätze unter russischer Flagge nicht gewollt oder möglich sind.
Denn Moskau hält sich trotz der deutlichen Zuneigung zu Haftar auch andere Optionen offen. Es hat im UN-Sicherheitsrat ein Waffenembargo für Libyen mitgetragen und die Einheitsregierung anerkannt. Deren Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch war auch zu Gesprächen in Moskau. In diesen Tagen ermahnte die Moskauer Diplomatie beide Konfliktparteien: "Wir alle müssen die Libyer dazu aufrufen, ihre Angriffe und militärischen Operationen zu beenden und sich an den Verhandlungstisch zu setzen", forderte Außenminister Sergej Lawrow. Damit wurde auch klar, dass Russland die Offensive Haftars nicht einseitig verurteilen will.
Die meisten unabhängigen Experten in Moskau erkennen noch keine klare Strategie der russischen Führung in Libyen. Wahrscheinlich ist zurzeit dies: Es geht dem Kreml darum, präsent zu sein und Einfluss auf die Zukunft des ölreichen Staates zu nehmen. Dies kann sich nützlich erweisen, um künftig Geschäfte zu machen. Die Rede ist vom Bau von Eisenbahnlinien, vom Einstieg ins Geschäft mit Erdöl. Und dass Flüchtlingsrouten nach Europa durch Libyen führen, muss für Moskau kein Nachteil sein.