Lautstark und mit selbstgemachten Schildern buhlten die Journalisten um die Aufmerksamkeit des Präsidenten. Doch längst nicht alle der knapp 1.400 Teilnehmer konnten Wladimir Putin ihre Frage stellen. Viele drehten sich um Russlands Außenpolitik, zum Beispiel um das Verhältnis zur Türkei nach dem Abschuss des russischen Kampfjets durch türkisches Militär. Zwischen Moskau und Ankara wird es so bald keine Entspannung geben, das machte Putin klar.
"Es ist für uns praktisch unmöglich, uns mit der derzeitigen türkischen Führung zu verständigen. Auf staatlicher Ebene sehe ich keine Perspektiven, die Beziehungen ins Lot zu bringen."
Drastisch und versöhnlich
Er verstehe das Handeln der türkischen Regierung nicht. Auf die Frage, ob eventuell eine dritte Seite hinter dem Abschuss des russische Jets stecke, wurde Putin drastisch:
"Wenn jemand in der türkischen Regierung beschlossen hat, den Amerikanern in den Allerwertesten zu kriechen – da weiß ich nicht, ob das richtig war. Ich weiß auch gar nicht, ob die Amerikaner das brauchen."
In Bezug auf die USA gab sich Putin heute vergleichsweise versöhnlich. Vorgestern hatte er US-Staatssekretär John Kerry in Moskau empfangen. Russland unterstütze den Entwurf der USA für eine UN-Resolution zu Syrien, so Putin. Überhaupt sei Russland nach wie vor an einer politischen Lösung des Syrienkonfliktes interessiert. Allerdings, so Putin einmal mehr, dürfe niemand von außen über das Schicksal Assads entscheiden.
Gefragt, ob Russland sich seinen Militäreinsatz in Syrien angesichts der wirtschaftlichen Krise überhaupt leisten könne, verwies Putin auf die großangelegten Militärmanöver des letzten Jahres.
"Wir verwenden einfach einen Teil dieser Mittel für die Operation in Syrien. Ein besseres Manöver kann man sich schwer vorstellen. Wir können dort lange trainieren ohne wesentliche Verluste für unseren Haushalt."
Stets an einer politischen Lösung interessiert
Gefragt nach den Perspektiven im Ukraine-Konflikt gab es die üblichen Schuldzuweisungen: Russland sei an einer politischen Lösung interessiert, die Ukraine aber verzögere die Umsetzung des Minsker Abkommens.
Viele Fragen der Journalisten zielten auf die russische Wirtschaft. Sie steckt in einer Krise, auch wegen des rekordverdächtig niedrigen Ölpreises. Die Inflation liegt derzeit bei 15 Prozent. Putin räumte ein, dass die Lage schlimmer sei als noch vor wenigen Jahren erwartet, der Höhepunkt der Krise sei aber überwunden.
"Kritische" Fragen erlaubt
Eine Besonderheit der Jahres-Pressekonferenz besteht darin, dass immer auch kritische Fragen zugelassen werden. Jekaterina Vinokurova, Journalistin aus Jekaterinburg, sprach die weit verbreitete Korruption in Russland an, darunter den Skandal um Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika. Dessen Söhne sollen mit kriminellen Geschäftsmethoden Millionen gemacht haben, gedeckt unter anderem vom Vater. Russische Blogger hatten den Fall kürzlich öffentlich gemacht. Er steht nach Meinung vieler für ein verfaultes System, in dem Staatsaufträge Günstlingen des Kreml zugeschustert werden. Die Journalistin Vinokurova heute zu Putin:
"Wladimir Wladimirowitsch, haben Sie solche Ergebnisse erwartet, als Sie 2000 an die Macht kamen? Vielleicht sollten Sie etwas ändern? Es könnte noch nicht zu spät sein."
Dazu Putin:
"Die Ergebnisse sind: Eine erhebliche Steigerung der Einkommen, die Verdoppelung des Bruttoinlandsproduktes, die Festigung der Verteidigungsfähigkeit. Der Kampf gegen den Terrorismus, den wir noch nicht ganz besiegt, dem wir aber schon das Rückgrat gebrochen haben. Das sind die Ergebnisse. Was Sie erwähnen, sind Nebeneffekte, die gibt es überall."
So blieb nach gut drei Stunden vor allem ein Eindruck: Präsident Putin hält an seinem Kurs innen- und außenpolitisch fest. Veränderungen sind nicht zu erwarten.