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Russland-Visa als wirtschaftlicher Hemmschuh

Bereits 2003 versprach der damalige Präsident der EU-Kommission, Romano Prodi ein baldiges Ende Visa-Pflicht für Russland. Doch es gibt sie immer noch. Von ihrem Wegfall würde auch die Wirtschaft profitieren.

Von Thomas Franke | 21.12.2012
    Dieter Möller, der Chef von Siemens Russland, hat einen Wunsch:

    "Ich wünsche mir Visa-Freiheit. Ich glaube, es ist Zeit, dass die Visa-Freiheit eingeführt wird. Denn ich glaube, ehrlich gesagt, dass ein möglicher Missbrauch diese Barriere nicht rechtfertigt, die für 99 Prozent der Menschen existiert. Das würde unserem Land gut zu Gesicht stehen. Und das würde auch Russland ermöglichen, dass hier einfacher und mehr Touristen herkommen. Fürs Business hat überhaupt keiner Verständnis, warum sich ein Generaldirektor in die Schlange für ein Visum anstellen soll, der Millionen Geschäfte macht."

    Siemens ist einer der großen im Russlandgeschäft. Zuletzt schloss die Firma Verträge über 2,5 Milliarden Euro ab. Siemens investiert hier derzeit etwa eine Milliarde Euro in unterschiedliche Unternehmungen. Die Prozedur für ein Visum ist mühsam. Wer nach Deutschland reisen möchte, braucht eine Einladung, Geld, ein Rückflugticket. Der einladende deutsche Partner muss sich von den deutschen Behörden durchleuchten lassen, sein Einkommen angeben, die Größe der Wohnung und deren Mietpreis mit Nebenkosten. Dann muss man noch 2.500 Euro auf ein Sperrkonto überweisen, falls der Besucher straffällig wird und abgeschoben werden muss. An diesen Auflagen ist so manche Freundschaft und so manches Geschäft gescheitert.

    Auch Nadja Kasperskaja ist leidvoll geprüft. Nadja Kasperskaja ist in Eile. Sie muss nach Deutschland. Dort hat sie drei Firmen mit insgesamt 550 Mitarbeitern. Sie verdient ihr Geld mit Computersoftware. Der Umsatz in Deutschland ist in zweistelliger Millionenhöhe.

    "Es gibt immer Probleme mit den Geschäftsreisen. Denn wir müssen ins deutsche Konsulat gehen, um dort das Visa abzuholen. Man braucht Zeit und manchmal gibt es nicht genug Zeit. Es kann einen Monat dauern. Oder länger. Das hängt von der Situation ab."

    Bremser in der EU ist ausgerechnet Deutschland. Unlängst ließ Innenminister Friedrich verlauten, dass er Visa-Erleichterungen derzeit nicht für machbar halte. Es gelte, Sicherheitsrisiken im Blick zu behalten. Man müsse wissen, wer mit welchem Ziel in den Schengen-Raum einreise. Bei Erleichterungen für Geschäftsreisende sei ein System nötig, das den "zunehmenden Kontrollverlust" ausgleiche. Die EU fordert, dass Russland zunächst biometrische Pässe einführen müsse und Russland müsse die organisierte Kriminalität besser in den Griff bekommen. Nadja Kasperskaja spricht in dem Zusammenhang von veraltetem Denken.

    "Russland ist kein armes Land. Wir haben viele reiche Leute, natürlich. Diese Geldgrenze ist aus meiner Sicht nicht richtig. Für die Geschäftsseite wäre es ganz gut, dass keine Grenze zwischen Russland und Deutschland und Schengen existiert."

    Andersherum funktioniert das mit dem Visum besser. Wer bereit und in der Lage ist, Geld auf den Tisch zu legen, bekommt das Visum für Russland binnen 24 Stunden.

    Trotz der Schikanen hat das deutsche Konsulat in Moskau im Jahr 2011 mehr als 200.000 Visa-Anträge bearbeitet. Die Probleme der etwa 6.500 deutschen Firmen auf dem russischen Markt sind vielfältig. So baut die Firma Herrenknecht aus Schwanau Maschinen, die Tunnel bohren. Der Chef, Martin Herrenknecht, ist einer der erfahrendsten deutschen Unternehmer im Russlandgeschäft. Bereits vor 25 Jahren hat seine Firma Aufträge beim Bau der Moskauer Metro bekommen. Das war noch in der Sowjetunion. Herrenknechts Maschinen sind groß und kompliziert.

    "Wenn wir Großmaschinen verkaufen, machen wir alle zwei Monate ein technisches Meeting. Dann geht es wieder los, dann musst du wieder ein Visum beantragen, dass die Leute herüberkommen. Und vor allem, wenn dann kurz vor dem Bau das Ganze erfolgt, vor der Endmontage, dann musst du ja die Leute herüberziehen, damit man die Maschinen erstmal denen zeigen kann während der Endmontage, bevor sie nach Russland geliefert werden."

    Herrenknecht ist geduldig. Doch auch für ihn steht fest:

    "Deutschland und Russland sollten schon enger zusammenarbeiten. Was die Visa-Frage angeht, würde ich das sehr begrüßen, wenn wir hier herüberfliegen könnten, ohne, sag' ich mal, ein Visa zu beantragen, und auch die Russen nach Deutschland. Das würde das ganze Handelsgeschäft intensiv verbessern."