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Russland
Vorhersehbares Urteil gegen ukrainische Kampfpilotin

Der ukrainischen Pilotin Nadija Sawtschenko wird die Beteiligung an Journalistenmorden vorgeworfen. In Russland spricht die 34-jährige Angeklagte heute ihr Schlussplädoyer, ihr drohen bis zu 23 Jahre Haft. Die Pilotin hat für diesen Fall einen erneuten Hungerstreik angekündigt - und gilt nicht nur deshalb in der Ukraine als Nationalheldin.

Von Sabine Adler |
    Die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko in russischer Haft.
    Die ukrainische Kampfpilotin Nadija Sawtschenko in russischer Haft. (Valery Matytsin/imago/ITAR-TASS)
    Nadija Sawtschenko wird in ihrer Heimat verehrt. Präsident Petro Poroschenko würdigte sie als "Heldin der Ukraine", seit der Parlamentswahl 2014 hängt ihr Foto am Rednerpult des ukrainischen Parlaments. Es war nicht zuletzt dieser Satz, der ihr zu Kultstatus verhalf: Sie würde lieber für die Ukraine sterben als in Russland leben.
    "Wenn mein Tod der Ukraine nützt, bin ich bereit zu sterben. Ich habe keine Angst. Ich habe vielmehr Angst davor, dass mein Leben oder mein Tod meiner Heimat schadet. Ich finde es nicht furchtbar, zu sterben. Es fällt mir leichter, für die Ukraine zu sterben als in Russland zu leben. Ich weiß nicht, ob ich lange Zeit im Gefängnis sitzen werde, ob sie mich demonstrativ umbringen, ob sie die Todesstrafe verhängen werden. Möglich auch, dass sie mich austauschen. Hauptsache, für die Ukraine endet alles friedlich."
    Wer die einst wuchtige Kampfpilotin, die erste Ukrainerin, die sowohl in Hubschraubern als auch Jagdfliegern am Steuer saß, vergleicht mit der Nadija Sawtschenko jetzt nach anderthalb Untersuchungshaft, erkennt sie kaum wieder. Sawtschenko ist um ein Drittel oder auf die Hälfte ihrer Selbst geschrumpft, die zahllosen Hungerstreiks haben sie fast verschwinden lassen.
    Russische Staatsanwaltschaft wirft Pilotin Mittäterschaft an Journalistenmorden zu
    Für Russland ist sie eine Tötungsmaschine mit Rock, die für die Ukraine in der Koalition der Willigen als Soldatin im Irakkrieg diente. Beihilfe zum Mord lautet die Anklage des russischen Gerichts. Sawtschenko hat 2014 im Freiwilligenbataillon "Aidar" gegen die Separatisten in der Ostukraine und die von ihnen unterstützten russischen Kräfte gekämpft, im Juli soll sie an der Ermordung zweier russischer Journalisten beteiligt gewesen sein. Sie habe deren genauen Aufenthaltsort an die ukrainische Artillerie weitergegeben. Mithilfe dieser Koordinaten seien die Fernsehleute ermordet worden. Eine Version, die Sawtschenko als Soldatin weit von sich weist.
    "Mir legt man zur Last, diese Journalisten ermordet zu haben. Ich habe das nicht getan, denn ich schieße prinzipiell nicht auf unbewaffnete Personen. Man kann das Ganze nicht als Mord darstellen. Es handelt sich eher um den Tod von Journalisten, denn es wurden keine Präzisionswaffen benutzt."
    Ihre Verteidiger versuchten nachzuweisen, dass sie zum Zeitpunkt des Artilleriefeuers, in dem die Journalisten umgekommen sind, bereits von den ostukrainischen Separatisten gefangen gehalten wurde, das würden Videoaufnahmen und ihre Handydaten belegen. In 99 Prozent aller russischen Gerichtsprozesse werden die Angeklagten schuldig gesprochen. Der russische Präsident Wladimir Putin tut dennoch so, als bestünde zwischen Anklage und Verteidigung Chancengleichheit und sagte auf einer Pressekonferenz vor Journalisten:
    "In diesem Saal sitzen Journalisten, Kollegen wie die, die in der südöstlichen Ukraine bei der Erfüllung ihrer Pflicht gestorben sind. Ich unterstreiche, dass diese Leute nicht an irgendwelchen Kämpfen für welche Seite auch immer teilgenommen haben. Sie waren unbewaffnet. Und die Pflicht aller wäre gewesen, ihr Leben zu schützen und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Pflicht zu erfüllen, zu informieren, so objektiv wie es ihnen möglich ist. Diese Leute sind getötet worden. Laut unseren Rechtsorganen war Frau Sawtschenko eine Komplizin. Sollten die Ermittlungen ergeben, dass sie unschuldig ist, wird sie freigelassen. Sollten sich aber herausstellen, dass sie schuldig ist und an diesem Mord beteiligt war, wird sie bestraft werden, so wie das Gericht es entscheidet."
    Staatsanwaltschaft fordert 23 Jahre Haft
    Die einstige Ikone des ukrainischen Widerstands, Julia Timoschenko, trat Nadija Sawtschenko freiwillig den Spitzenplatz ihrer Vaterlands-Partei bei der letzten Parlamentswahl ab. Sie sieht in Sawtschenko eine Leidensgefährtin, die wie sie aus politischen Gründen inhaftiert wurde und wie sie in Haft gesundheitliche Probleme und deswegen Besuch von deutschen Ärzten bekam. Die Abgeordnete Sawtschenko, die noch keinen Tag in der Werchowna Rada und auch nicht in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates war, in die sie gewählt wurde, könnte als Märtyrerin in die Geschichte eingehen. Sie will nach der Urteilsverkündung erneut in den Hungerstreik treten und dann auch auf Getränke verzichten. Die Aussichten, gegen zwei russische Geheimdienstmitarbeiter ausgetauscht zu werden, die in Kiew vor Gericht stehen, sind nicht erfolgversprechend, sagt der Anwalt in Kiew Igor Grabowski.
    "Das wäre keine so gute Sache, denn unsere Kollegen bestehen auf der Unschuld von Sawtschenko. Deswegen wäre ein Austausch, um die Strafe von einer unschuldigen Person abzuwehren eine, sagen wir, nicht besonders schöne Position."
    Der Staatsanwalt forderte in seinem gestrigen Schlussplädoyer 23 Jahre Haft. Für Putin wäre eine Verurteilung Sawtschenkos ein weiterer Sieg gegen die Ukraine, der er die Krim genommen, und in deren Osten er den Krieg getragen hat. Allerdings lautet seine Lesart genau umgekehrt:
    "Das was in der Ukraine vor sich geht, ist eine Strafaktion, die von der Kiewer Regierung durchgeführt wird. Und nicht umgekehrt. Die Aufständischen schicken nicht etwa ihre Truppen nach Kiew, sondern umgekehrt: Kiew schickt seine Streitkräfte nach Südosten und bedient sich seiner Artillerie und Luftwaffe."
    Kiew würde in diesem sogenannten hybriden Krieg einmal mehr unterliegen.