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Russland
Weltweites Entsetzen über Mord an Nemzow

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier haben sich bestürzt über die Ermordung des russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow in Moskau geäußert. Der Kremlkritiker wurde auf offener Straße erschossen. Russlands Präsident Wladimir Putin geht von einem Auftragsmord zum Zweck der "politischen Provokation" aus und kündigte an, die Mörder zu verfolgen.

    Moskauer Bürger haben Blumen abgelegt an der Stelle, an der Kremlkritiker Boris Nemzow ermordet wurde
    Moskauer Bürger haben Blumen abgelegt an der Stelle, an der Kremlkritiker Boris Nemzow ermordet wurde. (AFP/ Dmitry Serebryakov)
    In einem Kondolenzschreiben Putins an Nemzows Mutter heißt es, diejenigen, die hinter der feigen und zynischen Tat stünden, würden zur Rechenschaft gezogen. Putin erklärte, Nemzow habe Politik und Gesellschaft in Russland nachhaltig geprägt.
    Der Oppositionspolitiker war am späten Freitagabend in Moskau erschossen worden. Die Tat hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Merkels Regierungssprecher Steffen Seibert teilte in Berlin mit, die Kanzlerin fordere Putin auf, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Auch die EU-Außenbeauftrage Mogherini verlangte die Aufklärung des Verbrechen. Der französische Präsident Francois Hollande verurteilte die Tat und würdigte Nemzow als mutigen Verteidiger der Demokratie. US-Präsident Barack Obama erklärte, Russland habe einen seiner engagiertesten Kämpfer für die Rechte des Volkes verloren.
    Die oberste russische Ermittlungsbehörde teilte mit, Nemzow sei auf einer Brücke in unmittelbarer Nähe des Kremls in Moskau auf offener Straße hinterrücks erschossen worden. Den Ermittlern zufolge wurden sieben bis acht Schüsse aus einem vorbeifahrenden Auto auf den 55-Jährigen abgegeben. Nemzows Begleiterin blieb unverletzt. Die Tat sei "minutiös geplant" gewesen.
    Schwarz-Weiß-Porträt von Boris Nemzow
    Der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow wurde in Moskau unweit des Kreml erschossen. (picture alliance / dpa/ Maksim Blinov)
    Kreml wittert "politische Provokation"
    Nach Putins Einschätzung deute alles auf einen Auftragsmord hin, sagte ein Kremlsprecher. Er nannte die Tat eine "politische Provokation". Dieser Begriff beherrsche nun die Diskussion, berichtete Moskau-Korrespondentin Gesine Dornblüth. Verschiedene Fraktionsführer aus der Duma hätten sich zu Wort gemeldet und von Kräften gesprochen, die Russland destabilisieren und die Stimmung anfachen wollten. Der Vorwurf der Provokation sei in Russland inzwischen zu einem Kampfbegriff im politischen Diskurs geworden und ziele auf die Regierungsgegner, die angeblich bezahlt vom Ausland Russland schaden wollen.
    Auch die Ermittler, so Dornblüth, verfolgten diese Version einer Provokation zur Destabilisierung der politischen Lage in Russland. Eine weitere Ermittlungsrichtung sei ein islamistischer Hintergrund. Nemzow soll Drohungen erhalten haben, weil er sich nach dem Terroranschlag auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" mit den Journalisten solidarisch gezeigt hatte. Darüber hinaus gebe es noch eine innerukrainische Spur.
    Die russische Opposition glaubt ebenfalls an ein politisches Motiv für die Ermordung Nemzows, allerdings mit dem Ziel der Einschüchterung: Irina Sherbakowa von der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial sagte im Deutschlandfunk, als bekannte Persönlichkeit sei Nemzow die ideale Zielscheibe für ein Attentat gewesen, um andere Regierungsgegner abzuschrecken. Die russische Oppositionspolitikerin Galina Michailova sagte, Menschenrechtler in Russland rechneten immer damit, dass so etwas geschehe.
    Kritisches Interview wird zu Nemzows Vermächtnis
    Nemzow galt als einer der schärfsten Gegner Putins und als Unterstützer des prowestlichen Kurses der ukrainischen Führung. Wenige Stunden vor seinem Tod hatte er in einem Interview noch Kritik an Putins Ukraine-Politik geübt: Der russische Präsident habe eine "wahnsinnige, aggressive, todbringende Kriegspolitik" gegen die Ukraine begonnen, sagte er darin. Die Anwesenheit russischer Truppen dort sei "dokumentiert und bewiesen".
    Der ursprünglich für Sonntag geplante Anti-Krisen-Marsch der Opposition in Moskau wurde abgesagt. Die Behörden genehmigten stattdessen einen Trauermarsch für Nemzow mit 50.000 Teilnehmern im Zentrum von Moskau.
    (nin/kr)