Im Westen liegt der Baikalsee mit der Großstadt Irkutsk, im Osten die Insel Sachalin vor der russischen Pazifikküste - und dazwischen rund 3.000 Kilometer vorwiegend gebirgige Landschaft. So lässt sich der Südosten Sibiriens abstecken. In der Region herrscht Taiga vor, also borealer Nadelwald. Jedes Jahr gehen große Teile davon in Flammen auf. Der südkoreanische Atmosphärenforscher Jin-Soo Kim:
"Es gibt zwei größere Hot-Spots der Feuer-Aktivität in höheren Breiten der Nordhalbkugel. Einer liegt in Zentralasien, wo es allerdings meist Ackerflächen sind, die in Brand geraten. Und der zweite Hot Spot ist Südost-Sibirien mit seinem sehr dichten Taiga-Wald."
Die Waldbrandsaison beginnt im Frühling
Wenn die Buschbrände in Australien endlich vorüber sein werden, dürfte es die südostsibirische Taiga sein, die als Nächstes entflammt. Denn dort brennt es nicht im Sommer, wie man vermuten könnte, sondern schon im Frühling – kaum, dass die winterliche Schneedecke verschwunden ist:
"Die Region liegt im Einflussbereich des ostasiatischen Monsuns. Im Sommer fällt dort sehr viel Regen, und es gibt keine starken Brände. Im Frühling dagegen ist es sehr trocken, und sobald der Schnee wegschmilzt, kommt Blattstreu zum Vorschein, die gut brennt. Deswegen ist das Risiko für Feuer im Frühling am höchsten."
Kim forscht an der Universität Edinburgh in Schottland. Zusammen mit einigen Fachkollegen legt er jetzt eine neue Studie über Südost-Sibirien vor, gestützt auf 20-jährige Satelliten-Beobachtungen. Besonders feuerreiche Jahre gibt es demnach immer dann, wenn sich ein bestimmtes Wetter-Muster in der Atmosphäre einstellt – und zwar nicht erst im April oder Mai, wenn es brennt, sondern schon ein, zwei Monate vorher, am Ende des Winters.
Klimatische Kettenreaktion
Wenn dann ein stabiles Hoch in der Arktis herrsche und gleichzeitig ein Tief in mittleren Breiten, ströme warme Luft von Süden nach Sibirien, so Kim. Dadurch setze die Schneeschmelze in dem Gebiet frühzeitig ein. Was folgt, ist eine Art Kettenreaktion:
"Je früher die Schneeschmelze einsetzt, desto eher kommt dunkler Boden darunter zum Vorschein, der von der Sonne erwärmt wird. Dadurch schmilzt der Schnee noch schneller und ist schon im Frühling verschwunden."
Also beginnt auch die Feuersaison im Südosten Sibiriens früher, und Waldbrände haben genügend Zeit, um sich dramatisch auszubreiten, ehe der Monsunregen sie im Sommer löscht.
Wetterschaukel zwischen Hoch und Tief
Hoch- und Tiefdruckgebiete im hohen Norden werden von der Arktischen Oszillation dirigiert. Diese natürliche Wetterschaukel schwankt zwischen einer positiven und einer negativen Phase. Die positive mit dem Hoch über Süd-Sibirien ist die kritische für die Wälder der Taiga. Sie trete tendenziell immer häufiger auf, sagt Heiko Balzter, Direktor des Zentrums für Landschafts- und Klimaforschung an der Universität Leicester in England. Daten aus den letzten 60 Jahren zeigten das:
"Was man mittlerweile eigentlich weiß, ist, dass die zunehmenden extremen Dürren und Trockenheiten, die wir jetzt sehen, dass das eben auch dazu führen kann, dass es mehr Waldbrände gibt, und auch katastrophale Waldbrände. Und dass es eben nicht gesagt ist, dass die Wälder über lange Sicht in Sibirien uns dabei helfen, das Klima zu stabilisieren, sondern dass es durchaus sein kann, dass der Klimawandel dazu führt, dass die Wälder dort ihre Klimaschutzfunktion verlieren."
Vorhersagen der Waldbrandgefahr werden möglich
Der deutsche Forscher hat schon vor fünfzehn Jahren vermutet, dass die arktische Wetterschaukel das Waldbrandrisiko in Sibirien beeinflusst. Nur war die Datenlage seinerzeit sehr dürftig:
"Es galt damals teilweise ein bisschen als esoterische Idee."
Heute fühlt sich Balzter bestätigt. Genauso wie Jin-Soo Kim kann er den neuen Studienergebnissen auch etwas Gutes abgewinnen. Ab sofort könne man die Arktische Oszillation heranziehen, "um zu sehen, in welchen Jahren man besonders auf der Hut sein muss und vielleicht auch die Feuerbekämpfung und Feuerkontrolle intensivieren muss."