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Russlanddeutsche in Omsk (5/5)
Sergej, der Rückkehrer

Mit 14 Jahren kam Sergej Anders nach Deutschland. Er und seine Familie folgten ihren deutschen Wurzeln. Vor drei Jahren ist er nach Sibirien zurückgekehrt. Auf einer Taxifahrt erzählt er, wie es dazu kam.

Von Frederik Rother |
Ein Mann und sein Wolga: der 31-jährige Sergej
Taxifahrer Sergej Anders vor seinem Wolga (Deutschlandradio / Frederik Rother)
Sergej Anders wartet schon. Er steht mit seinem silbernen Wolga vor dem Haus, der Motor läuft. Das Auto hat schon einige Dellen abbekommen, an der Motorhaube platzt etwas Rost ab.
Aber der 12 Jahre alte Wagen, gebaut vom russischen Autohersteller Gaz, hat immer noch die Eleganz wie die alten Modelle zu Sowjetzeiten.
Sergej Anders ist Taxifahrer. Es geht von Aleksandrowka, dem kleinen deutschen Dorf in der Nähe von Omsk, nach Asowo. Der Hauptort des Landkreises. 30 Kilometer durch Westsibirien.
Rückkehr nach 15 Jahren in Deutschland
2001 ist er mit der Mutter und zwei Brüdern in den Norden Deutschlands gezogen, seit 2016 ist er wieder in Russland. Sergej ist einer der wenigen Rückkehrer.
Dieser Beitrag ist Teil der Reportagereihe Zwischen Geschichte und Gegenwart - Die Russlanddeutschen in Westsibirien.
Wie tausende andere aus der Gegend mit deutschen Wurzeln hatten er und seine Familie es in der Bundesrepublik versucht. Mit dem Bus sind sie damals rübergefahren, mehrere Tage lang, erzählt er. Sergej war 14 Jahre alt.
"Das war aufregend und neu. Aber ich war auch traurig, ich habe meine Freunde hier zurückgelassen. Und die ersten Jahre in Deutschland waren nicht einfach. Die Sprache lernen, neue Freunde finden, mit 14 ist das alles nicht leicht, sagen wir so."
Die Idee kam nach einem Besuch in der Heimat
In Deutschland ging er noch ein paar Jahre zur Schule, war dann bei der Bundeswehr, ist Tischler geworden und hat auf Baustellen gearbeitet.
Auf der Straße nach Asowo ist Sergejs Konzentration gefragt. Es gibt viele Schlaglöcher. Generell sind die Straßen hier ein großes Thema. Viele Autofahrer beschweren sich über deren Zustand und schimpfen auf die Politiker. Die haben schon oft versprochen, die Infrastruktur zu verbessern. Das passiert nur langsam. Sergej Anders schreckte das nicht ab:
"2014 war ich hier in Russland zu Besuch, danach habe ich drüber nachgedacht, wieder zurückzukommen."
Sergej wollte es in Russland noch mal probieren. Er war aber nicht Teil eines offiziellen Rückkehrprogramms. Damit wirbt etwa der Landkreis um Russen, die im nahen und fernen Ausland leben und unterstützt sie hier bei der Arbeits- und Wohnungssuche. In den letzten Jahren kamen dadurch einige Hundert Menschen hierher.
"Ich war traurig, wieder Freunde zurücklassen zu müssen"
"Ich wurde hier gut aufgenommen. Die Leute waren natürlich etwas überrascht, dass ich zurückgekommen bin, aber sie haben mich gut empfangen. Ich hatte auch Unterstützung von meinem älteren Bruder, habe mich recht schnell zurechtgefunden und angefangen zu arbeiten."
Seitdem ist Sergej selbstständig. Er fährt Taxi für seinen Bruder, dem die Firma gehört, vorher hat er auf dem Bau gearbeitet. Seine Zeit teilt er sich frei ein. Ihm gefällt der Job. Dennoch kam er mit gemischten Gefühlen zurück:
"Ich war auch traurig, in Deutschland wieder Freunde zurücklassen zu müssen. Auf der anderen Seite war ich froh, was Neues zu erleben, wieder in der Heimat zu sein, alte Bekannte wieder zu treffen."
"Bei uns gibt es Winter, bei euch nicht"
Die alte Heimat – häufig erzählen Zurückgekommene davon, dass ihre Heimat hier in Russland sei.
"In Russland ist alles ganz anders: Die Straßen, die Leute, die Mentalität. Bei uns gibt es zum Beispiel Winter, bei euch nicht."
Vor dem Autofenster ziehen die schneebedeckten Felder vorbei, es gibt viel Landwirtschaft hier im "Deutschen Nationalrajon Asowo". Ab und an taucht ein kleines Birkenwäldchen auf. Westsibirien im November ist karg.
2014 packte Sergej Anders das Heimweh. "Bei uns gibt es Winter, bei euch nicht", sagt der Rückkehrer
Seit 2016 ist Sergej Anders wieder in Russland. Er arbeitet als Taxifahrer im "Deutschen Nationalrajon Asowo". (Deutschlandradio / Frederik Rother)
Sergej macht das Radio an. In dem Lied geht es um das Leben, die Liebe, und den Mut, was Neues zu beginnen. Ihm gefällt der russische Chanson, die melancholischen Texte, sagt er. Diese Songs laufen in vielen Autos.
Schwieriges Verhältnis zwischen Russen und Deutschen
Dann erinnert er sich an eine Begegnung in Deutschland, die immer noch einiges erzählt, über das Verhältnis von Russen und Deutschen.
"Es gab diese Situation, als ich auf Montage war. Wir waren bei einem alten Mann zu Hause, der in Stalingrad gekämpft hatte. Als er erfuhr, dass ich aus Russland komme, wurde er unfreundlich. Am Ende habe ich dann die Baustelle gewechselt."
Immer wieder gab es Situationen wie diese, in denen Sergej seine russische Herkunft zu spüren bekam. Er hat aber auch Verständnis für den Mann:
"Der Krieg war nicht Teil meiner Generation. Es ist ganz natürlich und nachvollziehbar, dass er es nicht gut findet, wieder einen Russen in seinem Haus zu sehen."
Sergej gefällt die Freiheit in Russland
Asowo, das Ziel der Fahrt, ist nicht mehr weit weg. Sergej biegt mit dem Wolga ab, von der Hauptstraße Richtung Dorf. Die ersten Häuser sind zu sehen.
In Deutschland war natürlich vieles einfacher, erzählt er. Man verdiente besser, die Infrastruktur ist gut. Aber auch in Russland kommt genug Geld rein, sagt Sergej pragmatisch:
"Wenn du arbeitest, reicht das Geld. Wenn du nicht arbeitest, reicht das Geld nicht."
Sergej gefällt die Freiheit, die Natur, das Fischen gehen. Einen Angelschein etwa brauche man nicht. Man schnappt sich einfach eine Angel, ein Boot und legt los.
In Russland, sagt Sergej Anders, ist es besser. Er ist froh, wieder hier zu sein.