In Sankt Petersburg reden in diesen Tagen deutsche und russische Wirtschaftsvertreter sowie Politiker über die Zusammenarbeit in Zeiten massiver politischer Spannungen. Über eine Grundsatzfrage wird auch innerhalb Deutschlands heftig gestritten: Helfen alleine Sanktionen oder soll man auf Augenhöhe mit Russland diskutieren?
"Ich bin entschieden dafür, dass miteinander gesprochen wird, dass der Dialog aufrecht erhalten wird", sagte Horst Teltschik im Deutschlandfunk-Interview. Der ehemalige Leiter der Abteilung für "Auswärtige und innerdeutsche Beziehungen, Entwicklungspolitik und Äußere Sicherheit" im Bundeskanzleramt hat einst mit Helmut Kohl wichtige Gespräche in Russland geführt und das Tor zur deutschen Wiedervereinigung mit aufgestoßen.
Was derzeit in Russland zu erleben sei, sei die heftige Auseinandersetzung von Generationen, sagte Teltschik – "der Überlebenskampf der alten Nomenklatura und ihrer Profiteure" mit den jungen Generationen nach 1990. "Über 50 Prozent der heute lebenden Russen sind nach 1990 geboren", so Teltschik. Über diese Tatsache würden viele Deutsche gar nicht nachdenken.
Austausch auf der gesellschaftlichen Ebene notwendig
Das innen- und außenpolitische Handeln von Russlands Präsident Wladimir Putin interpretiert Teltschik als Signale der Schwäche und Phänomene eines Übergangs. Gerade deshalb sei die Aufrechterhaltung des Dialogs wichtig, vor allem mit der jungen Generation. "Denn da sind die potenziellen neuen Führungsleute von morgen dabei", betonte der 80-Jährige.
Zusätzlich zum Dialog zwischen Politikern müsse unbedingt der Austausch auf allen Ebenen hinzukommen, so Teltschik. Also der Wirtschaftsaustausch, aber auch der Jugend- sowie Kulturaustausch. "Wir hätten auch längst die Visafreiheit für junge Russen durchsetzen müssen."
Von Sanktionen halte er hingegen gar nichts. "Ich habe acht Jahre lang im Bundeskanzleramt Sanktionen weltweit verfolgen können und habe immer erlebt, wie auch die stärksten Befürworter von Sanktionen dann heimlich die Sanktionen umgangen haben", sagte Teltschik. Und auch Kreml-Gegner Alexej Nawalny habe schließlich gesagt, Sanktionen träfen vor allem erst einmal die Menschen und nicht die Verantwortlichen.