Protestplanung statt Tanzen und Trinken wie sonst: In der Moskauer Bar Masterskaja geht es an diesem Abend vor allem um eine Frage. "Wie weiten wir die Proteststimmung aus? Über hundert Menschen stehen dicht an dicht in dem schummerig beleuchteten, verrauchten Raum, die Plätze an Tischen und Bar reichen nicht aus. Verabredet haben sie sich – wie auch zu den Demonstrationen – über Facebook.
Auf der kleinen Bühne, auf der sonst Bands oder DJs stehen, stellt einer nach dem anderen seine Ideen vor: Ein Flashmob in der Metro, Teeversorgung auf Demos oder ein Online-Spendenkonto werden organisiert. Auch ein Dolmetscherservice wird gegründet: für ausländische Korrespondenten, die extra zu den Protesten anreisen.
"Als Putin an die Macht kam, haben wir eine Art stillschweigende Abmachung mit ihm getroffen. Wir haben ihm alle Macht gegeben, auf unsere Bürgerrechte verzichtet und nichts gefordert – abgesehen von Wohlstand. Und dann kam Medwedew - der hat uns jahrelang zum Narren gehalten, Modernisierung und Liberalisierung versprochen. Das war alles Betrug."
… sagt der 30 Jahre alte Geschäftsmann Pavel Lobanow, der mit Whiskey und Zigarette an einem der Tische sitzt. In den letzen Jahren war er vor allem damit beschäftigt, seinen Online-Tierfuttervertrieb aufzubauen. Zum Demonstrieren gegen das System hatte er weder Zeit noch Lust – bis zu den Wahlfälschungen. Und nun sitzt er zwischen den alternativ-hippen Stammgästen des Masterskaja und älteren Bürgerrechtsaktivisten, die an diesem Abend wie Pawel das erste Mal ihren Weg hierher gefunden haben. Sie alle wollen ein Russland ohne Korruption und ohne Beamtenwillkür, eines ohne Putin.
"Geschäftsleute leiden ebenfalls unter dem System, viele verlassen das Land. Wenn ich mit Investoren spreche, dann höre ich immer wieder, dass die politische Lage das größte Risiko ist. Wir brauchen neue Politiker: Die alt bekannte Opposition ist auch keine Lösung – auch wenn sie sich nun wieder zeigen und sagen, dass sie gegen Putins Regime sind: Die Bevölkerung will neue Gesichter."
"Für freie Wahlen" – auf diese Forderung konnten sich die Zehntausenden einigen, die vor zwei Wochen demonstrierten. Ansonsten vertraten sie die verschiedensten politischen Richtungen, viele kamen einfach nur aus ganz grundsätzlichem Protest. Gerade die Vielfalt der Bewegung könnte den Mächtigen in die Hände spielen, sagt Maria Lippmann, Analystin beim Moskauer Carnegie-Institut. Zumal die russische außerparlamentarische Opposition dafür bekannt ist, sich immer wieder zu zerstreiten.
"Die Protestierenden haben kein einheitliches Programm und keinen von allen anerkannten Anführer. Die Großdemo am Samstag wird so ähnlich ablaufen wie die vorherige, es gibt keine neuen Forderungen. Dann kommen lange Neujahrsferien, die Proteste werden wohl im Sande verlaufen. Aber dann kommen im März die Präsidentschaftswahlen – und die wird neue Proteste auslösen, denn schon jetzt haben die Menschen kein Vertrauen in diese Wahlen."
Auf der Suche nach einem neuen Gesicht der Opposition hoffen viele auf den Juristen Aleksey Navalny. Dank seines Antikorruptionsblogs hat der 35-Jährige bei russischen Internetnutzern fast Heldenstatus erlangt. Zu Beginn der Proteste wurde er verhaftet, in der Nacht zum Mittwoch kam er nach 15 Tagen Arrest frei. Bei einigen Liberalen ist Navalny jedoch wegen seiner nationalistischen Ansichten umstritten. Selbst wenn es ihm gelingt, die Protestierenden hinter sich zu vereinigen, bringe das noch lange keinen politischen Wandel, so Wissenschaftlerin Lippmann.
"Noch ist offen, ob und wenn ja, wie die Proteststimmung in Politik umgewandelt werden kann. Denn der Kreml hat in den letzten zehn Jahren die vollkommene Kontrolle über das politische System übernommen. Nach wie vor hat er zu 100 Prozent in der Hand, wer die politische Bühne betreten darf und wer nicht."
Und dennoch, fest steht: Putin, der am Ende seiner letzten Amtszeit im Jahr 2008 noch von den meisten Russen wie ein strenger, aber gerechter Zar verehrt wurde, ist nun – fast vier Jahre später, so angegriffen wie nie zuvor - auch wenn es bisher keine wirkliche Alternative zu ihm gibt.
Auf der kleinen Bühne, auf der sonst Bands oder DJs stehen, stellt einer nach dem anderen seine Ideen vor: Ein Flashmob in der Metro, Teeversorgung auf Demos oder ein Online-Spendenkonto werden organisiert. Auch ein Dolmetscherservice wird gegründet: für ausländische Korrespondenten, die extra zu den Protesten anreisen.
"Als Putin an die Macht kam, haben wir eine Art stillschweigende Abmachung mit ihm getroffen. Wir haben ihm alle Macht gegeben, auf unsere Bürgerrechte verzichtet und nichts gefordert – abgesehen von Wohlstand. Und dann kam Medwedew - der hat uns jahrelang zum Narren gehalten, Modernisierung und Liberalisierung versprochen. Das war alles Betrug."
… sagt der 30 Jahre alte Geschäftsmann Pavel Lobanow, der mit Whiskey und Zigarette an einem der Tische sitzt. In den letzen Jahren war er vor allem damit beschäftigt, seinen Online-Tierfuttervertrieb aufzubauen. Zum Demonstrieren gegen das System hatte er weder Zeit noch Lust – bis zu den Wahlfälschungen. Und nun sitzt er zwischen den alternativ-hippen Stammgästen des Masterskaja und älteren Bürgerrechtsaktivisten, die an diesem Abend wie Pawel das erste Mal ihren Weg hierher gefunden haben. Sie alle wollen ein Russland ohne Korruption und ohne Beamtenwillkür, eines ohne Putin.
"Geschäftsleute leiden ebenfalls unter dem System, viele verlassen das Land. Wenn ich mit Investoren spreche, dann höre ich immer wieder, dass die politische Lage das größte Risiko ist. Wir brauchen neue Politiker: Die alt bekannte Opposition ist auch keine Lösung – auch wenn sie sich nun wieder zeigen und sagen, dass sie gegen Putins Regime sind: Die Bevölkerung will neue Gesichter."
"Für freie Wahlen" – auf diese Forderung konnten sich die Zehntausenden einigen, die vor zwei Wochen demonstrierten. Ansonsten vertraten sie die verschiedensten politischen Richtungen, viele kamen einfach nur aus ganz grundsätzlichem Protest. Gerade die Vielfalt der Bewegung könnte den Mächtigen in die Hände spielen, sagt Maria Lippmann, Analystin beim Moskauer Carnegie-Institut. Zumal die russische außerparlamentarische Opposition dafür bekannt ist, sich immer wieder zu zerstreiten.
"Die Protestierenden haben kein einheitliches Programm und keinen von allen anerkannten Anführer. Die Großdemo am Samstag wird so ähnlich ablaufen wie die vorherige, es gibt keine neuen Forderungen. Dann kommen lange Neujahrsferien, die Proteste werden wohl im Sande verlaufen. Aber dann kommen im März die Präsidentschaftswahlen – und die wird neue Proteste auslösen, denn schon jetzt haben die Menschen kein Vertrauen in diese Wahlen."
Auf der Suche nach einem neuen Gesicht der Opposition hoffen viele auf den Juristen Aleksey Navalny. Dank seines Antikorruptionsblogs hat der 35-Jährige bei russischen Internetnutzern fast Heldenstatus erlangt. Zu Beginn der Proteste wurde er verhaftet, in der Nacht zum Mittwoch kam er nach 15 Tagen Arrest frei. Bei einigen Liberalen ist Navalny jedoch wegen seiner nationalistischen Ansichten umstritten. Selbst wenn es ihm gelingt, die Protestierenden hinter sich zu vereinigen, bringe das noch lange keinen politischen Wandel, so Wissenschaftlerin Lippmann.
"Noch ist offen, ob und wenn ja, wie die Proteststimmung in Politik umgewandelt werden kann. Denn der Kreml hat in den letzten zehn Jahren die vollkommene Kontrolle über das politische System übernommen. Nach wie vor hat er zu 100 Prozent in der Hand, wer die politische Bühne betreten darf und wer nicht."
Und dennoch, fest steht: Putin, der am Ende seiner letzten Amtszeit im Jahr 2008 noch von den meisten Russen wie ein strenger, aber gerechter Zar verehrt wurde, ist nun – fast vier Jahre später, so angegriffen wie nie zuvor - auch wenn es bisher keine wirkliche Alternative zu ihm gibt.