Christiane Kaess: Der UN-Sicherheitsrat hat sich in der vergangenen Nacht wieder einmal mit der Lage in Syrien beschäftigt. Es wurde ein Resolutionsentwurf diskutiert, der von Marokko eingebracht wurde und unter anderem von den ständigen Mitgliedern USA, Großbritannien und Frankreich unterstützt wird. Er orientiert sich an einer Friedensinitiative der Arabischen Liga und fordert Staatschef Bashar al-Assad zu einem unverzüglichen Ende der Gewalt und zu einem Machtverzicht zu Gunsten seines Stellvertreters auf. Die Vetomacht Russland hält aber weiterhin an ihrem Widerstand gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrates fest, die einen Rücktritt von Assad fordert.
Über Russlands Position zu Syrien hat mein Kollege Gerd Breker gestern in unserer Spätsendung gesprochen mit Hans-Henning Schröder. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Russland von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Und Gerd Brekers erste Frage war: Warum hält Russland weiterhin seine schützende Hand über den syrischen Despoten Assad?
Hans-Henning Schröder: Zum einen hat Russland geopolitische Interessen in dem Raum und zum zweiten haben sie ihre Lektion von Libyen gelernt. Sie werden sich nicht noch einmal über den Tisch ziehen lassen von den Westmächten.
Gerd Breker: Inwieweit haben die Westmächte Russland über den Tisch gezogen in Sachen Libyen?
Schröder: Im Fall Libyen hat Russland, wie Sie ja wissen, kein Veto eingelegt und hat die Möglichkeiten für den Einsatz von NATO-Truppen - vor allen Dingen Großbritannien und Frankreich - dann ermöglicht, und die haben, wie Sie wissen, das auch weitgehend dazu ausgenutzt, quasi durch Luftunterstützung einen Regimewechsel, den Sturz von Gaddafi, herbeizuführen. Und das ist etwas, was die Russen nicht noch einmal mitmachen wollen.
Breker: Warum fürchten denn die Russen einen Regimewechsel zum Beispiel in Syrien? Warum ausgerechnet Präsident Assad? Es könnte ja auch ein anderes Regime dort regieren oder vielleicht sogar aus dem Arabischen Frühling eine Art Demokratie entstehen?
Schröder: Ich glaube, ob Demokratie oder nicht Demokratie, das tut hier nichts zur Sache. Denn das, was entscheidend ist auch für die russische Sicht, ist: Das ist mehr als Nordafrika ein Raum, an dem sie Interessen haben, geopolitische Interessen. Das geht jetzt nicht nur darum, dass sie Rüstungslieferungen haben, dass sie dort mit Tarsus den einzigen Mittelmeer-Hafen haben für ihre Marine und dass sie Geschäfte mit Syrien machen, sondern das ist sozusagen ein Nachbarland zu Iran. Iran und Syrien ist ein Raum, da möchten sie nicht, dass dort westliche Interessen, vor allen Dingen amerikanische Interessen sich durchsetzen. Und wenn dort ein Regimewechsel stattfindet, dann soll es ein Regime sein, das eng mit ihnen zusammenarbeitet. Das heißt, sie wollen, wenn es geht, mit den Golfstaaten, mit anderen Staaten zusammenarbeiten. Und wenn sich die arabischen Staaten einig sind in ihrer Reaktion, dann wird Russland sicher auch mitziehen. Es wird immer versuchen, hier weiter eine politische Rolle zu spielen.
Breker: Die Arabische Liga, Herr Schröder, hat doch gerade versagt. Die Mission ist doch gescheitert.
Schröder: Aber trotzdem sind das sozusagen die Staaten, die in diesem Raum präsent sind und eine Rolle spielen. Dass sie sozusagen den Fall Syrien nicht lösen konnte - ja, das stimmt. Aber das sind trotzdem die Staaten, mit denen Russland auf lange Sicht zusammenarbeiten will.
Breker: Russland hat sich nun ja als Vermittler angeboten, allerdings recht spät. Schon über zehn Monate dauern die Gewalttätigkeiten in Syrien und nach vielen Vetos der Russen beim Sitz der Vereinten Nationen in New York will Russland nun Vermittler sein, die Beteiligten nach Moskau einladen. Wie viel Sinn macht das?
Schröder: Wenn das wirklich gelingen würde, würde es die Rolle von Russland in der Region stärken. Ich bezweifele, dass es gelingen wird. Dazu ist Russland nicht präsent genug und hat nicht genug Einfluss.
Breker: Aber entsteht nicht nach außen, Herr Schröder, ein Bild von Russland als Freund aller Despoten - Gaddafi, Assad?
Schröder: Ich glaube, das trifft zu. Aber das ist nicht das, was im Moment die russische Außenpolitik bewegt.
Breker: Sondern was?
Schröder: Sondern die Frage, ob sie in Regionen, die sie interessieren, einen Fuß drin behalten können und eine Rolle spielen können.
Breker: Aber müsste dann Moskau nicht eigentlich den Arabischen Frühling unterstützen, denn dem gehört doch die Zukunft?
Schröder: Sie werden sich - und da sind sie ja auch immer relativ aktiv gewesen - sozusagen versuchen, mit Kräften zu verbünden, von denen sie glauben, dass sie in der Perspektive eine Position haben werden. Wobei das Problem für die Russen immer ist, dass sie natürlich nicht so viel anzubieten haben wie westliche Staaten und dass sie in der Konkurrenz in vielen Fällen auch verlieren und dass sie wie im Fall Syrien - und da gebe ich Ihnen völlig recht - sich sozusagen mit der falschen Partei verbünden.
Breker: Russland hat in Syrien immer vor einem Bürgerkrieg gewarnt. Übersieht dabei Moskau nicht, dass Assad diesen Bürgerkrieg schon längst begonnen hat?
Schröder: Ich gehe davon aus, dass sie angenommen haben, er ist stark genug, sich durchzusetzen. Was wir gesehen haben in den letzten Wochen ist, dass dieser Bürgerkrieg immer weiter um sich greift und die Opposition immer stärker wird, und das ist sicher etwas, womit die russischen Experten, die Nahostexperten nicht gerechnet haben.
Breker: Wäre das dann nicht der Moment, umzudenken und zum Beispiel in New York einer Resolution zuzustimmen, die möglicherweise doch zu Frieden in Syrien führt?
Schröder: Sie haben ja gesehen, dass sie sich jetzt als Vermittler anbieten. Das ist natürlich schon ein Zeichen, dass sie sozusagen versuchen, auf einen anderen Kurs einzuschwenken. Für russische Außenpolitik ist wichtig, dass sie mit den Staaten in der Region, den arabischen Staaten in irgendeiner Form den Kontakt halten, dass sie aber nicht im Schlepptau der USA in die Region einmarschieren, also sozusagen eine eigene Rolle spielen, und das ist natürlich schwierig.
Breker: Verschätzt sich Russland da nicht in der Position als Weltmacht, die Russland in dem Sinne gar nicht mehr darstellt?
Schröder: Das ist ein Grundproblem russischer Außenpolitik, dass sie versucht, eine Weltmachtrolle zu spielen und dass sie die Ressourcen darüber ökonomisch, politisch, militärisch dazu nicht hat. Syrien, Iran, das sind noch, sagen wir, Nachbarregionen, in denen sie noch eine etwas stabile Position hat als weltweit. Aber trotzdem denke ich auch, dass die Ressourcen von Russland nicht ausreichen, um sich da durchzusetzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Über Russlands Position zu Syrien hat mein Kollege Gerd Breker gestern in unserer Spätsendung gesprochen mit Hans-Henning Schröder. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Russland von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Und Gerd Brekers erste Frage war: Warum hält Russland weiterhin seine schützende Hand über den syrischen Despoten Assad?
Hans-Henning Schröder: Zum einen hat Russland geopolitische Interessen in dem Raum und zum zweiten haben sie ihre Lektion von Libyen gelernt. Sie werden sich nicht noch einmal über den Tisch ziehen lassen von den Westmächten.
Gerd Breker: Inwieweit haben die Westmächte Russland über den Tisch gezogen in Sachen Libyen?
Schröder: Im Fall Libyen hat Russland, wie Sie ja wissen, kein Veto eingelegt und hat die Möglichkeiten für den Einsatz von NATO-Truppen - vor allen Dingen Großbritannien und Frankreich - dann ermöglicht, und die haben, wie Sie wissen, das auch weitgehend dazu ausgenutzt, quasi durch Luftunterstützung einen Regimewechsel, den Sturz von Gaddafi, herbeizuführen. Und das ist etwas, was die Russen nicht noch einmal mitmachen wollen.
Breker: Warum fürchten denn die Russen einen Regimewechsel zum Beispiel in Syrien? Warum ausgerechnet Präsident Assad? Es könnte ja auch ein anderes Regime dort regieren oder vielleicht sogar aus dem Arabischen Frühling eine Art Demokratie entstehen?
Schröder: Ich glaube, ob Demokratie oder nicht Demokratie, das tut hier nichts zur Sache. Denn das, was entscheidend ist auch für die russische Sicht, ist: Das ist mehr als Nordafrika ein Raum, an dem sie Interessen haben, geopolitische Interessen. Das geht jetzt nicht nur darum, dass sie Rüstungslieferungen haben, dass sie dort mit Tarsus den einzigen Mittelmeer-Hafen haben für ihre Marine und dass sie Geschäfte mit Syrien machen, sondern das ist sozusagen ein Nachbarland zu Iran. Iran und Syrien ist ein Raum, da möchten sie nicht, dass dort westliche Interessen, vor allen Dingen amerikanische Interessen sich durchsetzen. Und wenn dort ein Regimewechsel stattfindet, dann soll es ein Regime sein, das eng mit ihnen zusammenarbeitet. Das heißt, sie wollen, wenn es geht, mit den Golfstaaten, mit anderen Staaten zusammenarbeiten. Und wenn sich die arabischen Staaten einig sind in ihrer Reaktion, dann wird Russland sicher auch mitziehen. Es wird immer versuchen, hier weiter eine politische Rolle zu spielen.
Breker: Die Arabische Liga, Herr Schröder, hat doch gerade versagt. Die Mission ist doch gescheitert.
Schröder: Aber trotzdem sind das sozusagen die Staaten, die in diesem Raum präsent sind und eine Rolle spielen. Dass sie sozusagen den Fall Syrien nicht lösen konnte - ja, das stimmt. Aber das sind trotzdem die Staaten, mit denen Russland auf lange Sicht zusammenarbeiten will.
Breker: Russland hat sich nun ja als Vermittler angeboten, allerdings recht spät. Schon über zehn Monate dauern die Gewalttätigkeiten in Syrien und nach vielen Vetos der Russen beim Sitz der Vereinten Nationen in New York will Russland nun Vermittler sein, die Beteiligten nach Moskau einladen. Wie viel Sinn macht das?
Schröder: Wenn das wirklich gelingen würde, würde es die Rolle von Russland in der Region stärken. Ich bezweifele, dass es gelingen wird. Dazu ist Russland nicht präsent genug und hat nicht genug Einfluss.
Breker: Aber entsteht nicht nach außen, Herr Schröder, ein Bild von Russland als Freund aller Despoten - Gaddafi, Assad?
Schröder: Ich glaube, das trifft zu. Aber das ist nicht das, was im Moment die russische Außenpolitik bewegt.
Breker: Sondern was?
Schröder: Sondern die Frage, ob sie in Regionen, die sie interessieren, einen Fuß drin behalten können und eine Rolle spielen können.
Breker: Aber müsste dann Moskau nicht eigentlich den Arabischen Frühling unterstützen, denn dem gehört doch die Zukunft?
Schröder: Sie werden sich - und da sind sie ja auch immer relativ aktiv gewesen - sozusagen versuchen, mit Kräften zu verbünden, von denen sie glauben, dass sie in der Perspektive eine Position haben werden. Wobei das Problem für die Russen immer ist, dass sie natürlich nicht so viel anzubieten haben wie westliche Staaten und dass sie in der Konkurrenz in vielen Fällen auch verlieren und dass sie wie im Fall Syrien - und da gebe ich Ihnen völlig recht - sich sozusagen mit der falschen Partei verbünden.
Breker: Russland hat in Syrien immer vor einem Bürgerkrieg gewarnt. Übersieht dabei Moskau nicht, dass Assad diesen Bürgerkrieg schon längst begonnen hat?
Schröder: Ich gehe davon aus, dass sie angenommen haben, er ist stark genug, sich durchzusetzen. Was wir gesehen haben in den letzten Wochen ist, dass dieser Bürgerkrieg immer weiter um sich greift und die Opposition immer stärker wird, und das ist sicher etwas, womit die russischen Experten, die Nahostexperten nicht gerechnet haben.
Breker: Wäre das dann nicht der Moment, umzudenken und zum Beispiel in New York einer Resolution zuzustimmen, die möglicherweise doch zu Frieden in Syrien führt?
Schröder: Sie haben ja gesehen, dass sie sich jetzt als Vermittler anbieten. Das ist natürlich schon ein Zeichen, dass sie sozusagen versuchen, auf einen anderen Kurs einzuschwenken. Für russische Außenpolitik ist wichtig, dass sie mit den Staaten in der Region, den arabischen Staaten in irgendeiner Form den Kontakt halten, dass sie aber nicht im Schlepptau der USA in die Region einmarschieren, also sozusagen eine eigene Rolle spielen, und das ist natürlich schwierig.
Breker: Verschätzt sich Russland da nicht in der Position als Weltmacht, die Russland in dem Sinne gar nicht mehr darstellt?
Schröder: Das ist ein Grundproblem russischer Außenpolitik, dass sie versucht, eine Weltmachtrolle zu spielen und dass sie die Ressourcen darüber ökonomisch, politisch, militärisch dazu nicht hat. Syrien, Iran, das sind noch, sagen wir, Nachbarregionen, in denen sie noch eine etwas stabile Position hat als weltweit. Aber trotzdem denke ich auch, dass die Ressourcen von Russland nicht ausreichen, um sich da durchzusetzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.