Diese Woche in einem kleinen Saal in Moskau. Auf einer Leinwand sind Videos zu sehen, Botschaften aus dem syrischen Idlib an das Moskauer Publikum, mit russischen Untertiteln. Ein Mann in rotem Pullover steht vor Trümmern von Häusern. Eine Fassbombe sei neben das Haus seiner Eltern gefallen, eine Rakete in das Haus seines Onkels eingeschlagen. Der Bezirk sei völlig zerstört, was das Regime davon habe – wir verstehen es nicht, sagt er.
Danach wird ein Chirurg live aus Idlib zugeschaltet. Munzer al-Khalil leitet die Gesundheitsbehörde von Idlib und gibt normalerweise westlichen Medien Interviews. Er zählt die Angriffe der vergangenen Jahre auf zivile Einrichtungen in der Stadt auf, darunter auf Krankenhäuser. Hunderttausende Menschen seien ohne medizinische Versorgung. Al-Khalil spricht von "Verbrechen gegen die Menschlichkeit – unter Beteiligung Russlands".
Nur wenige verfolgen das Geschehen in Syrien
Das Publikum in Moskau hört aufmerksam zu. Es sind etwa 40 Männer und Frauen. Die Menschenrechtsorganisation Memorial hat die Veranstaltung organisiert. Die Mitarbeiterin Milana Bachajewa erklärt, warum.
"Solange wir schweigen und schweigend zuschauen, tragen wir Verantwortung für die Bomben, auch für unsere Bomben, die auf friedliche Menschen in Syrien geworfen werden."
Das Schweigen in Russland ist groß – und auch die Ignoranz. Je länger Russlands Militäreinsatz in Syrien dauert, desto weiter sinkt das Interesse der Öffentlichkeit an dem Geschehen. Bei einer Umfrage des Levada-Zentrums im Mai gaben nur 13 Prozent der Befragten an, Nachrichten aus Syrien zu verfolgen. 2017 waren es immerhin noch 31 Prozent gewesen. 39 Prozent sagten, sie wüssten gar nicht, was in letzter Zeit in Syrien geschehe. Nach Meinung der Soziologen liegt das daran, dass in den russischen Medien nur wenig über Syrien berichtet wird.
Alexander Gorbatschow von den Soldatenmüttern St. Petersburg bestätigt das.
"Die russischen Medien zeigen die Tragödie in Syrien nicht, sie zeigen das menschliche Gesicht dieser Tragödie nicht: Die Millionen Menschen, die ihre Häuser verlassen mussten, die umgekommen sind. Die russische Gesellschaft sieht sie nicht."
Schutz der Zivilbevölkerung angemahnt
Die russische Regierung spricht, wenn es um Syrien geht, vor allem über den Kampf gegen Terroristen. Vor einem Dreivierteljahr haben Russland und die Türkei ein Memorandum zur Stabilisierung der Situation in der Deeskalationszone Idlib unterzeichnet. Die Vereinbarung sieht vor, die bewaffnete syrische Opposition von den Terroristen der ehemaligen Al-Nusra-Front zu trennen. Russlands Außenminister Lawrow drängt darauf, das endlich umzusetzen. Im Juni sagte er:
"Diese Terroristen organisieren auch noch ständig heimtückische provozierende Angriffe, sie beschießen die Positionen der syrischen Armee, Wohngebiete und den russischen Luftwaffenstützpunkt in Hmeimim unter anderem mit Raketenwerfern und Drohnen. Derartige Ausfälle werden wir und die syrische Armee natürlich nicht ohne eine harte, vernichtende Antwort stehen lassen. Die Lage ist ernst. Aber wir haben alle Gründe anzunehmen, dass sie reguliert wird ohne Nachsicht gegenüber den Terroristen."
Die russischen Menschenrechtler bezweifeln nicht, dass es in Idlib Terroristen gibt. Sie fordern aber, beim Kampf gegen sie die Zivilbevölkerung zu schützen und humanitäres Recht einzuhalten. Die Zahl derer, die sie damit in Russland erreichen, ist begrenzt.