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Russlands Syrienpolitik
Rechtfertigungen und Kriegsängste

In München treffen sich heute Chefdiplomaten zum Thema Syrien. Dabei wird es auch um die russische Rolle gehen. Immer offener haben westliche Politiker zuletzt die russischen Luftschläge verurteilt. Russland verteidigt seine Linie und diskutiert über noch stärkere Eingriffe in Syrien.

Von Gesine Dornblüth |
    Ein Flugzeug hebt von der Startbahn ab.
    Ein Flugzeug der russischen Luftwaffe startet vom Stützpunkt Hmaimim in Syrien. (picture alliance / dpa / Tass)
    Eine Diskussionssendung im russischen Staatsradio vesti.fm in dieser Woche. Wladimir Solowjow, bekannt auch aus dem Fernsehen, redet mit Studiogästen über die Entwicklungen in und um Syrien und über eine mögliche weitere Eskalation.
    "Bekommen wir Krieg mit der Türkei? Die Welt bewegt sich jetzt mit einer so irren Geschwindigkeit... Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Türken uns, dass sie unseren Stützpunkt in Syrien angreifen?"
    Die Teilnehmer erwähnen weitere Szenarien: Einen türkischen Angriff auf Russlands Südgrenze, einen Angriff auf das russische Militär, das in Armenien, dem Nachbarland der Türkei stationiert ist.
    Andrej verfolgt die Sendung im Autoradio. Er ist Taxifahrer in Moskau.
    "Nach allem, was jetzt passiert, halte ich Krieg für möglich. Alles kann passieren. Abwenden kann man das nur, wenn Russland und Amerika sich einigen. Die Türken sollen jetzt um Himmels Willen nicht noch ein russisches Flugzeug abschießen, das über Syrien im Einsatz ist. Dann fängt ein großer Krieg an. Denn dann werden wir reagieren müssen."
    Der Krieg in Syrien, die Auseinandersetzung mit der Türkei dominieren die russischen Nachrichten seit Wochen.
    Im Fernsehkanal Rossija berichtete ein Kriegsreporter am Sonntag vom Vordringen der Assad-Truppen. Er ist in die syrische Armee eingebunden, robbt sich buchstäblich durch Ruinen.
    Russische und syrische Flugzeuge würden die Kommandozentralen der Kämpfer bombardieren, sagt der russische Reporter, und die Panzertechnik der Radikalen vernichten. Der Sender überschrieb den Bericht mit der Schlagzeile "Terroristen fliehen aus Aleppo". Der Film zeigt Tote, darunter Kinder, es sind Opfer des Beschusses von Islamisten, so legt es der Beitrag nahe. Von zivilen Opfern der russisch-syrischen Luftschläge nach wie vor kein Wort.
    Westliche Politiker kritisieren Russlands Syrienpolitik
    US-Außenminister Kerry, Bundeskanzlerin Merkel, viele westliche Politiker haben Russland in den letzten Tagen beschuldigt, die Flüchtlingswelle aus Syrien mit den Luftschlägen noch zu verstärken. Offizielle Stellen weisen das empört zurück. Maria Zacharowa, Sprecherin des Außenministeriums, gestern in Moskau:
    "Solche unverantwortlichen Erklärungen sind unzulässig. Wie immer wurden keine Daten, keine Fakten, keine Aufnahmen vorgelegt, die derartiges belegen würden."
    Russische Blogger haben schon vor Wochen Foto- und Filmmaterial ausgewertet und veröffentlicht, das aus ihrer Sicht belegt, dass Russland in Syrien Streubomben einsetzt und damit auch die Zivilbevölkerung trifft. Russland hat auch das wiederholt dementiert. Ministeriumssprecherin Zacharowa:
    "Das sind Lügenmärchen. Dahinter stehen keinerlei Fakten."
    Für den Oppositionspolitiker Ilja Jaschin sind die ständigen Dementis keine Überraschung.
    Außenminister verteidigt Luftangriffe
    "Öffentlich zugängliche Informationen deuten darauf hin, dass in Syrien natürlich friedliche Menschen wegen russischer Bomben umkommen. Leider. Selbstverständlich gesteht die russische Regierung das nicht ein und wird das nie tun."
    Der Taxifahrer Andrej ist weniger sicher in seinem Urteil.
    "Politik ist so was von kompliziert. Ich habe keine vollständigen Informationen. Ich weiß nicht. Unsere Politiker sagen das eine, Amerika, Ihre Kanzlerin, sagen etwas ganz anderes. Was in Syrien wirklich vor sich geht, ist schwer zu sagen."
    Andrej bezieht seine Informationen, wie die meisten Russen, vor allem aus dem Staatsfernsehen. Russlands Außenminister Lawrow hat Anfang Februar gesagt, die Luftangriffe würden erst dann eingestellt, wenn die Terroristen besiegt seien. Das kann dauern. Der Taxifahrer Andrej sieht es mit Skepsis.
    "Unser Lebensstandard ist gesunken. Weil viel, sehr viel Geld in militärische Handlungen geht. In die Bombardierungen und das alles. Wir diskutieren viel darüber. In meinem Umfeld sind die meisten Leute gegen den Krieg. In Russland sagen wir: Ein schlechter Frieden ist besser als Krieg."