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RWTH Aachen
Online von Zuhause lernen

Die RWTH Aachen bietet ihren Studenten schon seit einigen Jahren an, sich einfach von Zuhause vorzubereiten: mit Online-Videos. Das Feedback der Studenten ist positiv. Den Unterricht in der Universität ersetzen soll das Angebot allerdings nicht, sagte Stephan Hankammer von der RWTH Aachen im DLF.

Stephan Hankammer im Gespräch mit Jörg Biesler |
    Lackierte Frauenhände tippen auf einerLaptoptastatur
    Mit YouTube-Videos können sich die Studenten auf die Vorlesung vorbereiten. (imago / cp24)
    Jörg Biesler: Die Exzellenzinitiative ist auf dem Weg in die nächste Runde. Derzeit laufen die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, wir haben bei Campus & Karriere hier regelmäßig berichtet. Und Teil der Förderprogramme ist auch der Qualitätspakt für die Lehre, der nicht die Forschung, sondern die Vermittlung fördert. Die klassische Vorlesung und das Seminar sind nämlich nur noch ein Teil des Lehrprogramms, das heute auch im Netz stattfindet und zum Beispiel sich so anhört:
    "Wirtschaft bestimmt unser Leben. Doch was ist das, die Wirtschaft? In diesem Moog, Einführung in die Betriebswirtschaftslehre, wollen wir uns angucken, wie Unternehmen handeln, warum manche besser im Wettbewerb sind als andere und warum sich die Vorstellung davon, was ein tolles, gutes Unternehmen ist, sich in den letzten Jahren sehr geändert hat."
    Biesler: Professor Frank Piller war das von der RWTH Aachen. In der Betriebswirtschaft veranstaltet er Onlinekurse mit Grundlagen. Stephan Hankammer ist in der Betriebswirtschaft der RWTH Aachen zuständig für die interaktiven Lernprogramme. Guten Tag, Herr Hankammer!
    Stephan Hankammer: Schönen guten Tag!
    Biesler: Ihr Angebot funktioniert nach einem bekannten Prinzip, nämlich dem des Flipped Class Room, also des umgekehrten Unterrichts. Aber was genau machen Sie denn da eigentlich mithilfe elektronischer Medien, zum Beispiel YouTube-Videos anbieten, so wie wir es gerade gehört haben?
    Hankammer: Ja, genau. Insgesamt bieten wir eine Veranstaltung an, in denen E-Learning-Komponenten immer mehr unser Veranstaltungsangebot ergänzen, aber nicht vollständig ersetzen. Das heißt, wir drehen ein bisschen den Unterricht um. Die Studierenden erlernen zu Hause den grundlegenden, generischen Stoff, treffen sich dann in der interaktiven Vorlesung und diskutieren diesen dann anhand aktueller Beispiele et cetera.
    Massive-Open-Online: Unterricht für jedermann
    Biesler: Wie nehmen Sie die Videos denn auf? Was ist das überhaupt für ein Aufwand? Haben Sie da ein Studio?
    Hankammer: Das hat sich Stück für Stück bei uns entwickelt. Zu Anfang waren das eher einfach produzierte Videos hier bei uns am Lehrstuhl. Mittlerweile gibt es bei uns an der RWTH Aachen eine eigene Projektgruppe, "Medien für die Lehre", die das Ganze dann wirklich auf professioneller Ebene durchführen.
    Biesler: Das ist jetzt die Grundlagenvermittlung, haben Sie gerade gesagt, und dann kommt sozusagen die kritische Diskussion in der Zeit, in der es normalerweise die Vorlesungen gegeben hat. Man muss sagen, bei der Betriebswirtschaft heißt Vorlesung 500 bis 600 Teilnehmer, oder?
    Hankammer: Ja, sogar in dem Fall deutlich mehr. Bei uns an der Universität sind es circa 800 bis 1.000 Teilnehmer.
    Biesler: Kann man da einen Dialog herstellen?
    Hankammer: So einfach ist das natürlich nicht. Wir nennen es aber trotzdem interaktive Vorlesung, weil es schon einen zentralen Unterschied gibt zu den normalen Vorlesungen, weil hier der normale Student oder die Studentin eben einigermaßen vorbereitet in die Veranstaltung geht und dann natürlich eher dazu bereit ist, sich auch zu melden beziehungsweise Kommentare abzugeben, als das normalerweise der Fall ist.
    Biesler: Jetzt könnte man ja auch ganz konservativ sagen, gut, die gucken sich jetzt bei YouTube die Videos an, und dann sind sie vorbereitet auf die Vorlesungen und können besser folgen beziehungsweise sogar mitdiskutieren. Bücher kämen da nicht infrage als Vorbereitungsmöglichkeit?
    Hankammer: Auch dieses Angebot überlassen wir gern den Studierenden, denn die Veranstaltung basiert eigentlich immer noch auf einem zusammengestellten Lehrbuch, das heißt, jemand, der kein Interesse hat, diese Videos sich anzuschauen, kann sich gern auch das Buch zur Vorbereitung nehmen. Diese Videos ergänzen oder ersetzen in dem Fall, aber wer eben ein anderer Lerntyp ist, kann das auch genauso immer noch verwenden.
    Biesler: Jetzt bieten Sie das nicht nur für die Studentinnen und Studenten an, die tatsächlich in Aachen präsent sind und studieren, sondern mit Ihrem Massive-Open-Online-Kurs richten Sie sich quasi an jeden.
    Hankammer: Genau. Wir haben insgesamt viermal die Veranstaltung auch über die Plattform "Iversity" laufen lassen und haben so jedermann und jeder Frau die Möglichkeit gegeben, die Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre zu erlernen.
    Biesler: Jetzt bieten Sie das schon längere Zeit an. Das hat sich bestimmt im Laufe der Zeit entwickelt. Was für Fehler haben Sie am Anfang gemacht, was funktioniert nicht?
    Hankammer: Ganz zu Anfang haben wir die Vorlesungsvideos eigentlich vergleichbar aufgenommen zu den Inhalten der Vorlesungen, wie sie vorher im ganz normalen Format vermittelt wurden, das heißt, es waren relativ lange Videos, die denselben Stoff vermittelt haben, und wir haben Stück für Stück gemerkt, dass anderthalb Stunden Videos deutlich zu lang sind für Studierende -
    Biesler: Das ist ja schon fast ein Buch.
    Hankammer: Genau. Und wir haben diese entsprechend gekürzt, kurze Videos, dann auch die Module noch mal aufgeteilt in kleine Videos, diese wiederum abgefragt durch Quizze, und dieser ergänzende Teil, der dann eher die Anwendung ist, den haben wir dann verlagert auf die interaktive Vorlesung und damit diese Trennung hergestellt und den Studierenden ermöglicht, relativ einfach und auch nicht so zeitintensiv ihre Vorbereitung von zu Hause aus durchzuführen.
    "Wir waren Pioniere auf dem Gebiet"
    Biesler: Und wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es bei Ihnen auch noch ein Angebot, dass die Attraktivität dieses Kurses deutlich steigert, nämlich man nimmt an einem Spiel teil, und das hat auch Einfluss auf die Note.
    Hankammer: Genau. Das ist auf jeden Fall ein zentraler Bestandteil, mit dem wir eines vor allem verhindern wollen: Der normale Student oder die normale Studentin lernt gern mal zum Ende des Semesters eigentlich erst den gesamten Vorlesungsstoff. Und natürlich ist es so, wenn man die Videos zur Verfügung hat, ist dieses Risiko wahrscheinlich an sich noch mal größer. Und um dem entgegenzuwirken, bieten wir das ganze Semester entlang ein Planspiel an, ein Unternehmensplanspiel, wo die Studierenden innerhalb von zwei Wochen bestimmte Aufgaben zu lösen haben, so das Wissen also immer anwenden und gleichzeitig sich auf die Klausur vorbereiten.
    Biesler: Und was sagen die Studenten dazu?
    Hankammer: Insgesamt ist die Evaluation der Lehrveranstaltungen deutlich nach oben gegangen. Wir kriegen da sehr positives Feedback, vor allem vermutlich auch deshalb, weil wir in dem Gebiet Pioniere waren, das heißt, es ist eine ganz andere Form, und es ergänzt natürlich in dem Gesamtalltag eines Studierenden das Lernverhalten oder die Lernerfahrung erheblich. Es gibt aber trotzdem natürlich noch immer den einen oder anderen Studierenden, der mit solchen Formen der Lehrvermittlung weniger anfangen kann als mit dem normalen Buchlernen, kurz Auswendiglernen vor der Klausur.
    Biesler: Stephan Hankammer von der RWTH Aachen, zuständig bei der Betriebswirtschaft fürs Onlinelernen. Danke schön!
    Hankammer: Gern!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.