Landtagswahl
SPD kann im Saarland alleine regieren

Die SPD um Spitzenkandidatin Anke Rehlinger hat nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis im Saarland eine absolute Mehrheit erreicht. Die CDU, ihr bisheriger Regierungspartner, verliert deutlich. Die AfD schafft den Einzug in den Landtag, FDP, Grüne und Linke scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde.

28.03.2022
    Landtagswahl im Saarland - SPD Wahlparty
    Anke Rehlinger, SPD-Spitzenkandidatin steht auf der SPD-Wahlparty zur Landtagswahl im Saarland auf der Bühne (picture alliance/dpa)
    Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hat die SPD 43,5 Prozent der Stimmen bekommen und ist damit stärkste Kraft im Saarland. Dahinter folgen die CDU mit 28,5 Prozent und die AfD mit 5,7 Prozent. Grüne (4,9 Prozent) und FDP (4,8 Prozent) scheitern knapp an der Fünf-Prozent-Hürde, die Linke kommt nur auf 2,6 Prozent.

    SPD will alleine regieren

    Die SPD kommt nach dem Ergebnis auf 29 von 51 Sitzen, hat also eine absolute Mehrheit und ist nicht auf eine Koalition angewiesen. Anke Rehlinger kündigte an, dass die SPD im Saarland allein regeiren will.
    "Die Zusammenarbeit war gut. Das war auch in persönlich-menschlichen Fragen sehr, sehr gut. Ich gehöre ja schon zehn Jahre einer Großen Koalition in diesem Land an, erst unter Annegret Kramp-Karrenbauer und jetzt später zusammen mit Tobias Hans. Es war ja auch eine Arbeit, die viele Erfolge aufgezeigt hat. Aber auf der anderen Seite muss man auch sagen, die Wählerinnen und Wähler haben jetzt ganz offenkundig ihre Entscheidung getroffen. Das ist nicht nur eine knappe Mehrheit, die wir jetzt hier als Saar-SPD erreicht haben, sondern das ist ja schon eine deutliche Mehrheit mit 29 Sitzen, und insofern nehmen wir diesen Wählerauftrag an", sagte Rehlinger.
    In der Bundespolitik galt die Große Koalition meist eher als Notlösung. Die SPD hatte sich nach der Bundestagswahl 2017 aus Alternativlosigkeit noch einmal zu einer Koalition mit der Union durchgerungen. Im Saarland hingegen ist die Konstellation durchaus beliebt, sowohl bei den Bürgern als auch bei den Koalitionspartnern. Der amtierende Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat mehrfach betont, eine erneute Große Koalition mit der SPD anzustreben. Auch die Wahlsiegerin Anke Rehlinger (SPD) hat nach eigenen Angaben seit jeher starke Sympathien für eine Große Koalition, eine Ampel-Regierung hatte sie aber auch nicht ausgeschlossen.
    Umfrage: Welche der folgenden denkbaren Zusammensetzungen der künftigen Landesregierung wären Ihrer Meinung nach gut bzw. schlecht für das Saarland?
    Umfrage: Welche der folgenden denkbaren Zusammensetzungen der künftigen Landesregierung wären Ihrer Meinung nach gut bzw. schlecht für das Saarland? (ZDF Politbarometer, Forschungsgruppe Wahlen, statista.de)

    Stimmen und Einschätzungen zum Wahlergebnis

    Die SPD hat ihr bestes Ergebnis seit 1999 eingefahren, die CDU hingegen ihr schlechtestes seit 1985. Entsprechend unterschiedlich haben sich die Spitzenkandidaten nach der Wahl geäußert. SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger sagte, die Partei habe sich für dieses Ergebnis das Vertrauen der Bevölkerung hart erarbeitet. Dort, wo die SPD die Regierungsverantwortung gehabt hat, habe man gute Ergebnisse erzielt, Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat bereits angekündigt, persönliche Konsequenzen ziehen zu wollen.
    Interview mit Anke Rehlinger: „Das Saarland hat rot gewählt!“
    Kommentar: Ein persönlicher Triumph für SPD-Kandidatin Anke Rehlinger
    Politologin Münch: "Im Saarland geht es nicht um Klimathemen"
    Nach ersten Erkenntnissen zur Wählerwanderung konnte die SPD zahlreiche Menschen für sich gewinnen, die 2017 noch die CDU gewählt hatten. Viele frühere CDU-Wähler sind zudem in diesem Jahr nicht zur Wahl gegangen. Auch die Linke hat massiv an die SPD verloren.
    Von der Wahl im Saarland gehen auch Impulse in die Bundespolitik aus. Sie wird insbesondere auch als Test für die CDU unter Führung von Friedrich Merz gesehen. Dessen Wahl hat im Bund die Zeichen auf grundlegenden Wandel der Partei gestellt, das konnte zumindest im Saarland keine Trendumkehr bewirken. Zur Wahlniederlage im Saarland hat sich Merz noch nicht geäußert. Dass sich CDU-Vorsitzende erst am Tag nach Landtagswahlen äußern, ist allerdings nicht ungewöhnlich.

    Redaktionell empfohlener externer Inhalt

    Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

    Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Jung betonte im ZDF, dass die Bundespartei mit den Christdemokraten im Saarland gekämpft habe. Zuvor hatte er bereits betont, dass bundespolitische Aspekte bei der Landtagswahl keine Rolle gespielt hätten, es sei eine „Saarland-Wahl“ gewesen. Bei der SPD sieht man das naturgemäß anders. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach von Rückenwind für die kommenden Landtagswahlen. Auch Anke Rehlinger sprach im Interview mit dem ZDF nach der Wahl davon, dass man im Saarland den Rückenwind der starken Bundes-SPD gespürt habe.

    Wie war die Ausgangslage vor der Wahl?

    Seit 2012 wird das Saarland von einer Großen Koalition regiert. Nach der vergangenen Landtagswahl im Jahr 2017 hieß die Gewinnerin aus der damals stärksten Partei (CDU) Annegret Kramp-Karrenbauer. Weil diese jedoch in die Bundespolitik wechselte (u.a. Bundesverteidigungsministerin bis Dezember 2021), übergab Kramp-Karrenbauer ihr Amt als Ministerpräsidentin Anfang 2018 an ihren Parteikollegen Tobias Hans.
    Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarland, lacht neben Anke Rehlinger (SPD), Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr im Saarland, im Plenum des Bundesrats
    Verstehen sich gut: Tobias Hans (CDU) und Anke Rehlinger (SPD) (picture alliance / Michael Kappeler/dpa)
    Seit 1999 ist die CDU stärkste Partei im Saarland, zuvor galt das Bundesland als SPD-Bastion. Für die kleinen Parteien ist das Saarland abgesehen von der Linken schon immer ein hartes Pflaster gewesen. Grüne und FDP sind 2017 an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, 2012 hatten es die Grünen noch knapp ins Parlament geschafft.
    Die Linke hingegen, die 2009 unter der Führung von Oskar Lafontaine noch fast auf Augenhöhe mit der SPD bei über 20 Prozent lag, hat in den folgenden zwei Landtagswahlen jeweils ca. fünf Prozent eingebüßt und bangt in diesem Jahr um den Einzug ins Parlament. Lafontaine war im März öffentlichkeitswirksam aus der Partei ausgetreten.
    Oskar Lafontaines Gründe zum Austritt aus der Linkspartei (18.3.2022)
    Im kleinsten deutschen Flächenland ist das Wahlrecht anders als zum Beispiel bei der Bundestagswahl. Jeder Wähler gibt hier für die Landtagswahl eine Stimme ab. Mit dieser einen Stimme wird gleichzeitig die Landes- und eine der drei Wahlkreislisten gewählt. Von den 51 Mandaten im saarländischen Landtag werden 41 über die Wahlkreis-, die übrigen über die Landeslisten vergeben. Es gilt eine Fünf-Prozent-Hürde.
    Amtliches Ergebnis der Landtagswahl im Saarland am 26. März 2017
    Amtliches Ergebnis der Landtagswahl im Saarland am 26. März 2017 (Landeswahlleiter/in (Saarland), Landeswahlleiter/in (Saarland), statista.de)
    Neben den Regierungsparteien CDU und SPD schafften es 2017 noch die Partei Die Linke sowie die AfD über die Fünf-Prozent-Hürde und konnten sich Sitze im Saarbrücker Landtag sichern.

    Mehr zu Parteien und Landespolitik im Saarland:

    Diese Themen haben die Saarländer bewegt

    Anfangs dominierte die Corona-Pandemie den Wahlkampf inhaltlich – von Lockerungen bis zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, die die CDU wegen Unklarheiten bei der Umsetzung bundesweit aussetzen wollte.
    Nach Beginn des Ukraine-Krieges sind hohe Energie- und Spritpreise eines der Top-Themen. SPD-Spitzenkandidatin Rehlinger macht sich für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien stark – nicht zuletzt, um unabhängig von Russland zu werden.
    Auch die saarländischen Unternehmen kämpfen mit den in Folge des Krieges steigenden Energiepreisen – denn zahlreiche Firmen erzeugen mit Gasturbinen und Gasmotoren Strom für ihre Produktion, wie z.B. der Fahrzeugbau.
    Für den Fahrzeugbau im Saarland steht vor allem ein Ort: Saarlouis. Doch das  dortige Ford-Werk ist von der Schließung bedroht. Insgesamt hängen im Saarland 20.000 Arbeitsplätze am Verbrenner-Motor, bei einer Einwohnerzahl von knapp 985.000 also enorm viele. Natürlich ist sich auch die Industrie der Wichtigkeit des Strukturwandels auf dem Weg zur Klimaneutralität bewusst. So setzt Ford nun verstärkt auf E-Autos und hat einen Wettbewerb zwischen einzelnen Standorten ausgerufen. Ob das Werk in Saarlouis den Zuschlag für die neue Produktion bekommt und damit seine Zukunft sichern kann, ist aber ungewiss.
    Um den Abschied vom Verbrennungsmotor abzufedern, unterstützt das Kabinett um Tobias Hans einen chinesischen Investor bei dem Vorhaben, eine Batterie-Fabrik für E-Autos zu bauen. Doch es gibt Proteste. Denn der Firma SVolt wurde angeboten, ihre „Giga-Factory“ für Lithium-Ionen-Batterien auf das sogenannte „Linslerfeld” in der Gemeinde Überherrn zu bauen, 30 Kilometer westlich von Saarbrücken an der französischen Grenze. Mögliches Problem: Das Gelände liegt im Trinkwasserschutzgebiet und grenzt direkt an das Naturschutzgebiet Warndt-Wald an. Eine Protest-Initiative spricht von drohendem Flächenfraß, die derzeitige Regierung hingegen von 2.000 neuen Arbeitsplätzen.

    Parteiübergreifend fordern zahlreiche politische Akteure, die Wirtschaft auf ihrem Weg in die Klimaneutralität weiter zu diversifizieren, um eine Abhängigkeit von einzelnen Branchen abzuschwächen. Die Abhängigkeit von großen Arbeitgebern war seit den einstigen Bergbau-Zeiten im Saarland ein Problem.
    Um den Strukturwandel in seiner ganzen Breite zu bewältigen, ist auch die Bildungspolitik gefordert. In Zukunft sollen mehr Arbeitsplätze außerhalb der Autoindustrie geschaffen werden. Auch mehr Bildung soll dazu beitragen. Ministerpräsident Hans hat angekündigt, dass die Gymnasien nach rund 20 Jahren von G8 zu G9 zurückkehren. Verbinden will er das mit einer „Qualitätsoffensive plus“: Mehr Schulzeit für Gymnasiasten, mehr Lehrer, mehr Geld. Auch die Universitäten will die CDU stärken und wettbewerbsfähiger machen.
    Quellen: Anke Schaefer, Stephan Detjen, Birgit Wentziehn, Die Grünen Blieskastel, dpa, wahlrecht.de, statista.de, jma, cp, pto