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Sacharow-Preis für Jesidinnen
"Diese Verbrechen müssen aufhören - heute"

Versklavt, misshandelt, vergewaltigt: Die Jesidinnen Nadija Murad Bassi Taha und Lamija Adschi Baschar aus dem Irak haben unsägliches Leid durch die Terrormiliz IS erfahren. Sie setzen sich dafür ein, dass die Verbrechen an den Jesiden nicht in Vergessenheit geraten. Dafür werden sie heute mit dem Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit des EU-Parlaments ausgezeichnet.

Von Anna Osius |
    Die UN-Sonderbotschafterin für die Würde der Opfer von Menschenhandel, Nadia Murad (l), und Lamiya Aji Bashar, die zusammen mit Murad mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet 2016 wurde, stehen am 01.12.2016 in Stuttgart (Baden-Württemberg) im Landtag.
    Das Europäische Parlament verleiht den Preis an Nadia Murad (l), und Lamiya Aji Bashar, (picture-alliance/ dpa/ ranziska Kraufmann)
    Das Martyrium von Nadia Murad und Lamija Adschi begann vor mehr als zwei Jahren, am 3. August 2014. An diesem Tag überfiel die Terrororganisation "Islamischer Staat" den Heimatort der beiden Frauen im irakischen Sindschar-Gebirge. Die Extremisten töteten alle Männer und älteren Frauen des Ortes, darunter auch sechs Brüder Nadias und ihre Mutter. Die jüngeren Frauen und Kinder wurden versklavt.
    "Wir wurden mit einem Bus in eine andere Region gebracht", so erzählte Nadia später in einer bewegenden Rede vor den Vereinten Nationen. "Sie berührten und demütigten uns. Wir kamen nach Mossul, zusammen mit Tausenden anderen jesidischen Familien. Wir wurden wie Geschenke unter den IS-Kämpfern ausgetauscht. Ein Mann suchte mich aus und zwang mich zu sich nach Hause. Er vergewaltigte mich, folterte mich. Als ich versuchte, zu fliehen, brachte er mich zu den Wächtern. Sie vergewaltigten mich alle gemeinsam, bis ich ohnmächtig wurde."
    Zwangsheirat, Vergewaltigung, vergebliche Fluchtversuche
    Mithilfe einer Nachbarsfamilie gelang Nadia nach einigen Monaten schließlich die Flucht. Sie konnte aus dem IS-Gebiet herausgeschmuggelt werden und schaffte es nach Deutschland. 2015 sprach sie vor dem UN-Sicherheitsrat über ihre Geschichte: "Ich bitte Sie: Besiegen Sie den IS. Ich bin wegen der Terroristen durch die Hölle gegangen. Ich hab gesehen, was sie kleinen Mädchen und Jungen angetan haben. Alle diejenigen, die diese Verbrechen, den Völkermord begangen haben, müssen vor Gericht gestellt werden, damit Frauen und Kinder in Syrien und im Irak sicher leben können. Diese Verbrechen müssen aufhören - heute."
    Nadia ist UN- Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel geworden und versucht, Flüchtlingen aus dem Irak und aus Syrien zu helfen. Ihre Leidensgenossin Lamija, die ebenfalls mit dem Sacharow-Preis für Menschenrechte ausgezeichnet wird, ist weniger bekannt, obwohl sie es noch schwerer hatte. Auch sie wurde in Mossul zwangsverheiratet und vergewaltigt, unternahm mehrere Fluchtversuche, um dem IS zu entkommen - doch sie wurde immer wieder gefasst.
    Erst im April dieses Jahres konnte sie schließlich entkommen, doch IS-Kämpfer verfolgten sie. Eine Tretmine explodierte, tötete zwei ihrer Gefährten und verletzte Lamija schwer. Sie ist nahezu völlig erblindet. Trotz ihrer schweren Verletzungen konnte sie ihre Verfolger abschütteln und schaffte es schließlich nach Deutschland. Hier wurde sie medizinisch behandelt und engagiert sich mittlerweile in Aufklärungskampagnen.