Hannah Fry ist Professorin für Mathematik und Komplexwissenschaften am University College London. Das klingt abschreckend. Doch bei dem, was sie tut, geht es um sehr handfeste Dinge: sie sucht nach Mustern im menschlichen Verhalten, und zwar bei Terroristen, die Anschläge planen, genauso wie bei reichen Leuten, die auf Londons Einkaufsmeilen shoppen gehen. Nebenbei tut Hannah Fry alles um ihre große Leidenschaft, die Mathematik, dem Rest der Welt schmackhaft zu machen. Darum hat sie ein Buch geschrieben: "Die Mathematik der Liebe".
"Zunächst muss ich eines gestehen: Ich bin keine Expertin in Sachen Liebe. [ ... ] Ich bin allerdings Mathematikerin. Und im Zuge meiner Arbeit habe ich erkannt, dass die Mathematik uns einen neuen Blick auf fast alles eröffnen kann – selbst auf etwas so Mysteriöses wie die Liebe."
Das Thema, das die Autorin für ihr Werben für die Mathematik nutzt, ist gut gewählt. Jeder kennt die Liebe, und ist mehr oder weniger glücklich mit seinen Erfahrungen. Doch können mathematische Formeln tatsächlich zum Beispiel verraten, wie viele furchtbare Dates man absolvieren muss, bis der oder die Richtige vor einem steht? Die Autorin erzählt, dass sie bei ihrer persönlichen Odyssee schon von Fetischisten beklaut und von Wildfremden nach dem Geruch ihrer Haare befragt wurde. Zur Beruhigung der Nerven bietet sie eine Formel an, die zwei Brüche mit einem Summenzeichen verknüpft:
"Diese so unschuldig anmutende Formel verleiht Ihnen die Macht, exakt zu berechnen, wie viele Menschen Sie abweisen müssen, um sich die größtmögliche Chance auf den perfekten Partner zu sichern."
Wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um in die Offensive zu gehen, rechnet die Formel für jeden Menschen vor, abhängig davon, wie viele Lebensjahre er für die Suche zu investieren bereit ist, ob er sich auch mit einem Partner zweiter Wahl zufrieden gäbe und wie kontaktfreudig er ist. Natürlich weiß auch Hannah Fry, dass das nur eine Annäherung an das reale Leben sein kann. Doch es gelingt der Autorin mit Beispielen wie diesen vorzuführen, wo Algorithmen im Liebesleben von Nutzen sein können. Lohnt sich Treue? Wie viel taugen Online-Partner-Börsen? Wird ein Paar zusammen bleiben? Die letzte Frage klärt übrigens eine Formel, die genauso gut vorhersagen kann, ob das Wettrüsten zwischen zwei Ländern in einen Atomkrieg münden wird oder nicht. Mathematik ist sexy und universell, das ist Hannah Frys Botschaft.
"Indem die Mathematik in der Lage war, das Verhalten von Elektrizität und Magnetismus zu beschreiben, bildete sie die Basis für unsere moderne technische Revolution. Indem sie eine Plattform lieferte für das strenge Prüfen von Hypothesen ... spielte [sie] eine bedeutende Rolle in der modernen Umgestaltung der Medizin. ... neuerdings wird [sie] zu Rate gezogen, wenn es gilt die Muster im menschlichen Verhalten zu studieren."
Man darf also neugierig sein: Wer weiß, was die Mathematik noch für unser aller Glück bereithält – ob in der Liebe oder anderswo.
Zielgruppe:
Sowohl jene, die die Mathematik schon lieben gelernt haben, als auch die, die damit gerade erst anfangen.
Erkenntnisgewinn:
Mathematik will die Welt nicht abbilden, sie abstrahiert und vereinfacht. Sie kann also nicht jede Nuance im Leben erklären, aber doch erstaunlich viele.
Spaßfaktor:
Die Autorin brennt für die Mathematik. Und sie kann schreiben. Wer sich auf ihre Gedankenspiele einlässt, wird belohnt: die Mustersuche im eigenen Gefühlsleben – vom ersten Date bis zur perfekten Sitzordnung bei der Hochzeit – sie wird zum Vergnügen.
Hannah Fry: "Die Mathematik der Liebe."
Fischer Verlag (TED Books), 139 Seiten, 9,99 Euro
Fischer Verlag (TED Books), 139 Seiten, 9,99 Euro