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Sachsen
AfD im Selbstfindungsprozess

Vor rund vier Wochen haben die Sachsen einen neuen Landtag gewählt. Glückliche Gesichter gab es bei der Alternative für Deutschland (AfD), die 9,7 Prozent bekam. Für die noch junge Partei geht es nun an der Elbe von null auf hundert. Ist sie bereit?

Von Nadine Lindner |
    Die Sonne scheint am 05.09.2014 während des Wahlkampfs zur Thüringer Landtagswahl in Jena durch einen Aufsteller der Partei Alternative für Deutschland (AfD).
    Breites Angebot, geschickte Themenauswahl: Das Erfolgsrezept der AfD? (dpa / picture-alliance / Candy Welz)
    In fast jeder Ecke des Tagungshotels in Oberwiesenthal stehen sie, die Räuchermänner. Holzfiguren mit Pfeife, Wahrzeichen des Erzgebirges. Streng blicken sie auf die Delegierten der AfD. Nicht mehr lang, bis die junge Partei in Dresden in ihren ersten Landtag einziehen wird. Zeit also für ein paar mahnende Worte von Landessprecherin Frauke Petry:
    "Wir tun das für diejenigen, die uns gewählt haben. Und deswegen ist der Sieg in der Landtagswahl der Auftakt zu den Mühen der Ebene. Wir müssen jetzt unsere Forderungen in Sachpolitik umwandeln."
    Die Mühen der Ebene, die gab es bei der noch jungen Partei ausführlich zu besichtigen: Sie ist im Selbstfindungsprozess. Der Ausblick auf die Arbeit der künftigen Landtagsfraktion, der Punkt, für den alle den weiten Weg von der Landeshauptstadt bis an die tschechische Grenze auf sich genommen haben - ans Ende vors Schlusswort vertagt. Und auch dann, nur Bekanntes:
    "Nämlich einmal die Verkleinerung des sächsischen Landtags. Denn mehr politisches Personal führt nicht zur mehr Demokratie, wie man sieht."
    Euphorie will sich nicht einstellen. Stattdessen gibt es ausführliche Personaldebatten. Da, wo Einigkeit herrschen sollte, gibt es Streit.
    "Ziemlicher Verschleiß"
    Neuwahlen für den arg gefledderten Landesvorstand stehen an. "Wir hatten da einen ziemlichen Verschleiß", muss selbst Generalsekretär Uwe Wurlitzer selbstkritisch einräumen. Zwei Schatzmeister gescheitert, Vize-Vorsitzender Thomas Hartung - zurückgetreten.
    Besonders turbulent wurde es, als es um Arvid Samtleben ging, ein rotes Tuch für viele hier in der AfD Sachsen. Samtleben hatte aus Frust über Verlust seines Listenplatzes gegen die Beteiligung seiner eigenen Partei an der Landtagswahl geklagt.
    "Ich habe die Beschwerde eingelegt, weil man passives Wahlrecht durch die Streichung von der Landesliste verletzt wurde."
    Es wurde laut:
    Frauke Petry, Spitzenkandidatin der AfD Sachsen, am Wahlabend.
    Frauke Petry am Wahlabend. (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    "Sie haben versucht, die Partei von der Wahl fernzuhalten. Das ist parteischädigend!"
    Mit großer Mehrheit wird Samtleben aus dem Vorstand geworfen. Die Stimmungslage der Delegierten ist lange nicht so gut, wie sie nach dem Wahlergebnis von 9,7 Prozent sein könnte. Haben sie Angst, dass die AfD zu viele Vorschusslorbeeren bekommen hat? Die Erwartungen zu hoch sind? Und jetzt als Oppositionspartei im Parlament untergehen könnte?
    "Die Gefahr ist riesengroß."
    Der Schuldige ist schnell gefunden:
    "Das liegt an der Fehlberichterstattung."
    "Wir sind wie ein neuer Organismus, der erst mal laufen lernen muss."
    "Wir werden die Wähler nicht enttäuschen. Warum sollten wir das tun?"
    Arbeit am politischen Personal
    Der AfD steht noch viel Arbeit am politischen Personal bevor: Umstritten ist auch Detlev Spangenberg, Landtagsmitglied, mit 70 Jahren eigentlich Alterspräsident. Doch kurz nach der Landtagswahl gibt es Vorwürfe, dass er eine rechte Vergangenheit hat. Spangenberg verzichtet freiwillig auf das Amt. Obwohl er jetzt sagt, dass alles Quatsch ist...
    "Was heißt überhaupt, rechter Rand. Wir sind eine demokratische Partei. Und wir haben ausdrücklich keine Mitglieder von dieser Richtung, die sie hier ansprechen."
    Eigentlich wollte die junge Partei in Oberwiesenthal ihre Reihen schließen. Aber die strengen Blicke der Räuchermännel wirken also nur wenig ordnend. Auch in einer bergigen Gegend wie dem Erzgebirge drohen sie also, die Mühen der Ebene.
    Am Ort der Wünsche, im Plenarsaal des sächsischen Landtags, sind derweil die Haustechniker unterwegs. Stühle rücken, Tische an die neuen Fraktionsgrößen anpassen. Gerade ziehen sie die letzten Schrauben am Platz der künftigen Fraktionschefin Frauke Petry fest. Dass der ausgerechnet dort ist, wo die NPD saß, sollte symbolisch nicht überbewertet werden. Irgendjemand müsse halt da sitzen, sagt die stellvertretende Pressesprecherin des Landtags, Katja Ciesluk:
    "Demnach sitzt die AfD ganz außen rechts, die CDU daneben. Dann die Grünen, SPD, Linke. Insgesamt sind es 126 Sitze. Jeder Tisch ist gleich, die werden gereinigt und aufbereitet, da gibt es nicht den NPD-Tisch oder so."
    CDU sucht nach Linie
    Ortswechsel - ein paar Treppen höher - Fraktionsbereich der Christdemokraten im Landtag: Die Mühen der Ebene, die wird es auch für die CDU in Sachsen geben. Auch wenn sie leicht verloren hat, bleibt sie klar größte Partei. Und doch sie quält sich damit, wie denn nun auf den Erfolg der Eurokritiker zu reagieren ist. Der neue Fraktionsvorsitzende Frank Kupfer sucht noch nach seiner Linie:
    "Wir dürfen jetzt nicht sie oder die Anhänger diffamieren. Sondern wir müssen an die Wähler ran und fragen, warum sind sie in das Lager der AfD gewechselt."
    Ob das reicht? Gerade erst hat Finanzminister Wolfgang Schäuble seine CDU mit ungewohnt scharfen Worten dazu aufgefordert, gegenüber den Eurokritikern eine härtere Gangart einzulegen. Eine Ermahnung, fast so streng wieder Blick des Räuchermännels aus dem Erzgebirge.