"Lass die Schule im Dorf": So lautet nun das Credo der CDU in Sachsen-Anhalt. Nachdem man zu Beginn des neuen Schuljahres zusammen mit der SPD 31 Grundschulen geschlossen hat, will man zukünftig kleine Dorfschulen erhalten. Als eine Kehrtwende aus Angst vor Stimmverlusten bei den Landtagswahlen 2016 will es André Schröder, der Fraktionschef der CDU nicht verstanden wissen. Und fragt sich,
"ob man als zweiten Schritt, quasi in einem zweiten Schritt ab 2017, mit der Verschärfung eigener Vorgaben, eine zweite Schließungswelle konstruiert. Und hier sehen wir Gesprächsbedarf."
Weshalb man für ein eigenes Konzept der Schulverbünde wirbt, um Dorfschulen zu retten. Dafür sollen Schulstandorte zu einem Grundschulverband zusammen geschlossen werden, Lehrer sollen nicht nur an einer Schule unterrichten, sondern zu den Schülern auf die Reise geschickt werden. Die Rede vom Wanderlehrer macht die Runde. Dazu der CDU-Schulexperte Andreas Riethmüller:
"Sie sparen Schulleiter ein. Und damit bin ich auch in der Lage, vor Ort Schule zu organisieren. Ansonsten werden ja Schließungen die Folge. Sodass die Räume, wo wir dann Schule anbieten, immer größer werden. Das ist der Vorteil."
Es gehe um den Erhalt der Kleinteiligkeit, ergänzt Riethmüller noch. Walter Helbling von der Initiative "Grundschule vor Ort" kritisiert das Konzept: Es sei schnell dahin geschrieben, ohne wissenschaftliche Grundlage, ohne konkrete Zahlen. Es biete auch keine Antwort darauf, wie man Grundschulen erhalten wolle, hinsichtlich demografischer Entwicklungen, wonach beispielsweise die Altmark bis 2025 mit einem Bevölkerungsrückgang von 26 Prozent zu rechnen hat.
"Wir erleben das, was jetzt passiert, als eine Defensivstrategie. Wir würden uns eine Offensivstrategie wüschen."
Und fordert den Erhalt von Grundschulen mit 60 Schülern und weniger. Denn Grundschulen seien nicht nur Bildungseinrichtungen, sondern auch für die Attraktivität von Dörfern als Wohnort für junge Familien immens wichtig, so Helbling weiter. Und verweist auf das ländliche Voralberg in Österreich, wo es vielerorts Dörfer mit Grundschulen von gerade mal 20 Kindern gibt, die aber dadurch einen Zuzug verzeichnen.
"Es geht darum, will ich den Trabbi oder Mercedes? Und die Landschule ist der Mercedes für die Kinder."
Ortrun Horstmann, die Mutter zweier Kinder, nickt mit dem Kopf. Sie wohnt in Angern, 30 Kilometer nordöstlich von Magdeburg.
"Für alle die Schulen, die jetzt noch da sind, ist es ein Vorteil, wenn sich die CDU da durchsetzen kann, ansonsten hat es den Beigeschmack von Wahlkampf."
Im Foyer der Dorfschule in Angern hängen die Abbildungen Dutzender bunter Kinderhände, die die Besucher keck grüßen. Noch. Denn in spätestens in zwei Jahren, so der Wille der Landesregierung, soll hier Schluss sein. Der Koalitionspartner SPD grummelt. Die CDU halte sich nicht an der vereinbarten Schulentwicklungsplanung, heißt es bei den Sozialdemokraten. Doch öffentlich will sich dazu keiner äußern. Anders die Opposition.
"Wenn es das intensive Interesse gäbe, dann hätte die CDU das schon mal vor einem halben Jahr kenntlich machen können. Weil wir ja mit diversen Anträgen hier im Landtag versucht haben, andere Mehrheiten zustande zu bringen, das war ja nicht der Fall",
sagt Matthias Höhn, der schulpolitische Sprecher der Linken im Magdeburger Landtag. Landwirtin Ortrun Horstmann setzt noch einen oben drauf: Wenn der CDU die Zukunft der Dörfer wirklich am Herzen liege, unterstreicht sie noch, dann müsse sie ganz klar die Schulschließungen zurücknehmen.
"Die Regierung überlegt sich permanent, was können wir machen, damit wir Menschen hierher bekommen, die hier arbeiten, die hier leben wollen. Sie überlegen sich immer neue Programme. Auf der anderen Seite schließen sie Schulen. Da frage ich mich, warum bleiben sie nicht erhalten? Das sehen alle positiv. Und die Menschen, die sich vielleicht mal im Dorf niederlassen wollen, sehen, da wird was gemacht. Für die Menschen im Dorf."