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Sachsen-Anhalt
Neuer Aufschlag beim Werben um Landärzte

Sachsen-Anhalt fehlen in ländlichen Regionen Ärzte. Deswegen will das Land jährlich 20 Studienplätze für angehende Landärzte reservieren, die im Anschluss im Land bleiben sollen. Ob das sich bewähren wird, ist fraglich. Denn damit müssten sich 18- und 19-Jährige schon früh festlegen.

Von Christoph Richter |
    Ein Arzt tupft den Oberam eines Jungen in einer Praxis.
    Bis 2025 werden - laut Kassenärztlicher Vereinigung - in Sachsen-Anhalt knapp 1.600 Ärzte benötigt - Allgemeinmediziner ebenso wie Fachärzte (imago/Westend61)
    In den Dörfern der Altmark im nordöstlichen Sachsen-Anhalt leuchten weithin die roten Backsteinbauten. Ein idyllischer Landstrich im flachen Elbland. Kaum Menschen zu sehen. Ärzte schon gar nicht, klagt eine ältere Dame in einem kleinen Dorf bei Genthin.
    "Die alten Leute kommen nirgends hin. Kein Fahrzeug, kein Bus. Hier war erst ein Zahnarzt, der ist auch nicht mehr."
    Auf einen Termin beim Augenarzt wartet sie. Seit einem Jahr. "Da weiß man manchmal auch nicht, was man sagen soll."
    Damit das irgendwann mal anders wird, will Sachsen-Anhalt jährlich zwanzig Medizinstudienplätze für angehende Landärzte reservieren. Nach dem Studium müssen sie in Sachsen-Anhalt bleiben. Und im Land und auf dem Land arbeiten. Wie lange die angehenden Mediziner dann in Sachsen-Anhalt bleiben müssen, das sei bislang noch unklar. Sagt Petra Grimm-Benne, Sachsen-Anhalts SPD-Gesundheitsministerin.
    Gleiche Kriterien im Studium auch für angehende Landärzte
    "Wir wollen, dass neben der Note auch andere Kriterien eine Rolle spielen, wie zum Beispiel Vorausbildung, bestimmte Wartezeiten. Ja, vielleicht können auch regionale Bedürfnisse eine Rolle spielen."
    Doch, das Ganze werde kein Studium light, ergänzt noch Gesundheitsministerin Grimm-Benne weiter. "Sondern, die Studenten müssen die gleichen Kriterien im Studium erfüllen, die gleichen Arbeiten und Abschlüsse machen wie die anderen auch."
    Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung werden in Sachsen-Anhalt bis 2025 knapp 1.600 Ärzte benötigt. Künftig müssen große Anstrengungen unternommen werden, unterstreicht Burkhard John. Er ist Allgemeinmediziner und der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Sachsen-Anhalt.
    "Wir haben einen hohen Prozentsatz von Kollegen, die jetzt schon über sechzig Jahre alt sind. Die müssen alle ersetzt werden. Also, das wird ein großes Problem werden."
    Für Christoph Lohmann, Hochschullehrer und Chefarzt der Orthopädie an der Uni-Klinik Magdeburg, ist das Landarztquoten-Modell für angehende Medizin-Studierende daher ein erster, ein richtiger Schritt. Und er nennt die Idee gar eine win-win-Situation fürs Land: Weil Ärzte im Land bleiben, ländliche Regionen dadurch attraktiver werden. Aber Lohmann mahnt ein studentisches Anreizsystem nicht nur für Allgemeinmediziner, sondern auch für Fachärzte an.
    "Ob das Augenärzte, Kinderärzte, Orthopäden sind: Dieser Mangel droht, steht vor der Tür. Und man kann es in Zukunft nicht auf die Allgemeinärzte allein begrenzen."
    Studierende: Frühe Festlegung gehe an Wirklichkeit vorbei
    Die Begeisterung der Medizin-Studierenden an der Landarztquote hält sich jedoch in Grenzen. Das man sich schon mit 17 oder 18 Jahren entscheiden müsse, ob man in der Region bleibt, gehe an der Lebenswirklichkeit vorbei, sagt der aus Schwanfeld bei Würzburg stammende 25jährige Constantin Römmelt. Er studiert in Magdeburg im 9. Semester Medizin.
    "Man muss sich vorstellen: Der Zeitpunkt, an dem man das festlegt bis zu dem Zeitpunkt, an dem man hier arbeitet, vergehen elf Jahre. Und da kann einiges passieren. Die Medizin bietet so viele Möglichkeiten. Man muss gar nicht Arzt werden. Vielleicht ändert man seine Meinung und will in die Wirtschaft gehen. Man muss sich schon früh festlegen, das hätte ich nicht machen wollen."
    Lebensqualität im ländlichen Raum insgesamt steigern
    Ähnlich sieht es sein Kommilitone Andreas Velling, er ist 2014 wegen der besseren Zulassungsbedingungen fürs Medizinstudium aus Bonn nach Magdeburg gekommen. Nur einen Studienplatz zu bieten sei zu wenig. Der 26 Jährige fordert seitens des Landes Sachsen-Anhalt mehr attraktive Anreize zum Bleiben. Geld alleine reiche da nicht aus.
    "Man muss ein besseres kulturelles Angebot im ländlichen Raum schaffen. Man muss Infrastruktur verbessern. Bessere Bildung, Schulen. Es geht ja langfristig auch um Familienplanung. Wo gehen die Kinder zur Schule, was haben die für ein Freizeitangebot, wie ist da die Versorgung. Da muss sehr viel gemacht werden. Man muss den Standort des Landes per se attraktiver gestalten."
    Letztlich muss man schauen, ob das Landarztquoten-Modell ein Hit wird. Denn in den vergangenen Jahren wurde schon so einiges probiert, um Medizin-Studierende im Land zu halten. So hat man 2010 ein Stipendiensystem gestartet. Zwischen 300 und 700 Euro monatlich bekommen Studierende, die sich verpflichten, nach ihrer Ausbildung in Sachsen-Anhalt zu bleiben. Hat nur mäßig eingeschlagen. Denn nur wenige Studierende haben am Ende das Angebot auch angenommen.