"Könnte aus meiner Sicht besser sein", sagt der 35-jährige Andreas Scholtyssek. Er bezieht sich auf die Sicherheitslage in Halle an der Saale. Einer Stadt, die bisher nicht als die Bronx Sachsen-Anhalts galt. Dennoch: Der jung-dynamische CDU-Stadtrat Scholtyssek, ein strenger Vater dreier kleiner Kinder, sorgt sich mächtig.
"Wenn Sie mit offenen Augen die Zeitung lesen, dann stellen Sie fest, dass da eigentlich jeden Tag Meldungen drin sind, oder dass da jemand am helllichten Tag ausgeraubt wird, da bekommt man schon Angst."
Weshalb Kommunalpolitiker Andreas Scholtyssek - kurzärmeliges schwarzes Hemd, gegeltes kurzes Haar – ehrenamtliche Ordnungshüter für die Stadt Halle fordert.
"Die sollen auch keine Leute verhaften oder irgendwen durchsuchen, die sollen einfach nur durch die Straßen patrouillieren. Die sollen nur ein Gefühl der subjektiven Sicherheit vermitteln."
In Eckartsberga - einem kleinen idyllischen Ort umgeben von Weinbergen zwischen Halle und Erfurt - gibt es sie schon, die ehrenamtlichen, in Zivil gekleideten Knöllchenverteiler. Sie gehen nicht nur gegen Falschparker vor, sondern sie kümmern sich auch um volle Mülltonnen, Hundekot, Ruhestörer und Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Die Anwohner finden die Idee von Hilfssheriffs erstmal ein wenig gewöhnungsbedürftig. Bei näherer Betrachtung allerdings finden sie es gut, dass der Nachbar für Ordnung und Sicherheit sorgt. Was auch daran läge, klagen Dorfbewohner, dass sie Polizisten schon lange nicht mehr gesehen hätten.
"Man sieht sie ganz selten", erzählt ein Mann im blauen Jogginganzug. Breites Kreuz, krummer Rücken, zerfurchte Hände: ein ehemaliger Bergarbeiter.
"Ich will jetzt nicht auf die DDR zurückgreifen, aber da hatte alles seine Ordnung. Jetzt polizeimäßig ."
Der einstige Kumpel ruft nach dem ABV, dem Abschnittsbevollmächtigten, wie zu DDR-Zeiten. Zur Erklärung: Der ABV, das war der schnüffelnde und geschwätzige Volkspolizist, der alles im Blick hatte, alles Verdächtige weitermeldete.
Vorbeikommende Passanten nicken: "Der wusste, wenn irgendwas ist, ruck-zuck, biste hingekammen, los hin, fahren wir gucken. So was wäre nicht schlecht."
Ein Gefühl der Sicherheit vermitteln
Diese Zeiten sind allerdings vorbei. Stattdessen gedeiht nun in Sachsen-Anhalt die Idee von den Hilfssheriffs. Vier Kommunen probieren dieses Modell bereits aus, ein heikles Thema. Was man daran ablesen kann, dass niemand mit den freiwilligen Ordnungshütern sprechen darf. Auch kaum ein Kommunalpolitiker will sich äußern. Erst nach mehreren Anläufen gelingt es, einen Bürgermeister zu finden, der sich aus der Deckung wagt.
"Ich finde es gut. Sie tun es sicherlich auch für ein schöneres, saubereres Ortsbild und möchten für unsere Stadt Verantwortung übernehmen."
SPD-Genosse Jan Wagner. Seit acht Wochen ist er Bürgermeister in Staßfurt, 50 Kilometer südlich von Magdeburg. Für frühere DDR-Bewohner eine Stadt mit einem klingenden Namen, stand hier doch mal ein riesiges Fernsehgeräte-Werk.
Heute sieht die Situation in Staßfurt nicht mehr so rosig aus. Die Menschen ziehen weg. Dennoch bräuchte man 14 Ordnungskräfte. Unbezahlbar, sagt Bürgermeister Wagner. Weshalb man über die zwei – wie es offiziell heißt – ehrenamtlichen Ordnungskräfte froh sei, die mit einem monatlichen Salär von stattlichen 50 Euro bezahlt werden.
"Kann im Grunde jeder mitmachen, der eine dementsprechende Schulung mitgemacht hat. Das ist eine zwei Tages-Schulung", sagt Susanne Henschke – die Fachdienstleiterin für Ordnung und Sicherheit in Staßfurt. Eine burschikose Frau. Sie ist für die Einstellung der beiden Hilfskräfte verantwortlich. Grimmig blitzen ihren blauen Augen, während sie erzählt, dass das alles völlig korrekt ablaufe mit den Hilfssheriffs.
"Das sind keine Leute, die jetzt mal losgehen und irgendwie Abzocke betreiben, sondern sie führen vorwiegend das Gespräch. Und die sind nicht nur in den Ortsteilen mobil und aktiv, wo sie wohnen, sondern auch wenn sie durch die gesamte Stadt fahren, informieren sie uns."
Das Magdeburger Innenministerium will zum Einsatz der ehrenamtlichen Ordnungskräfte nichts sagen. Was wohl daran liegt, dass das alles nicht so ganz erlaubt ist. Denn im Landesrecht sind "ehrenamtliche Vollzugsbeamte" mit keiner Zeile vorgesehen.
Dennoch: In Zeiten klammer Kassen schauen immer mehr Kommunen klammheimlich, aber mit großem Interesse, auf den Einsatz freiwilliger Polizei-Helfer. Was auch daran liegt, dass in Sachsen-Anhalt eine Polizeireform vorsieht, die Stellenzahl von 6.200 auf 5.500 Polizisten zu reduzieren. Absolut irrsinnig nennt es Ingo Neubert von der Polizei-Gewerkschaft. Er warnt aber im gleichen Atemzug vor dem Einsatz von Laien-Polizisten.
"Der Bürger, der da Gutes tun will, kommt schnell in die Gefahr, Grenzen zu überschreiten. Und das kann schnell mal zu einer Nötigung ausarten, und dann ist man als helfender Bürger Beschuldigter im Strafverfahren."
Bei den ehrenamtlichen Ordnungskräften geht es natürlich auch um viel Geld, wie sollte es auch anders sein. Und so rechnet der Hallenser CDU-Stadtrat Andreas Scholtyssek vor: Weil es von den einst 25 Politessen nur noch 14 gibt, seien die Einnahmen in Halle an der Saale beispielsweise im vergangenen Jahr um mehr als eine halbe Million Euro gesunken. Mit ehrenamtlichen Helfern, sagt Scholtyssek noch, wäre das nicht passiert.