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Sachsen-Anhalts CDU-Chef zu Parteivorsitz
"Jemanden, der wieder konservative Werte vertritt"

Die konservativen Werte seien vernachlässigt worden, sagte Holger Stahlknecht, CDU-Landeschef in Sachsen-Anhalt. Als neuer CDU-Parteivorsitzender sei jemand nötig, der glaubwürdig für die konservativen Werte eintrete. Außerdem plädierte er für eine schnelle Entscheidung und einen vorgezogenen Parteitag.

Holger Stahlknecht im Gespräch mit Silvia Engels |
Holger Stahlknecht mit leicht erhobenen Händen bei einer Pressekonferenz
Holger Stahlknecht (CDU), CDU-Vorsitzender und Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt (ZB)
Nachdem Annegret Kramp-Karrenbauer zurückgetreten ist, wird über ihre Nachfolge spekuliert. Außderdem ist nach wie vor unklar, wer nach dem schnellen Rücktritt von Thomas Kemmerich (FDP) in Thüringen Ministerpräsident wird. Ein schwierige Situation vor allem für die CDU in Sachsen-Anhalt. Denn dort stehen 2021 Landtagswahlen an. Sachsen-Anhalts CDU-Parteichef Holger Stahlknecht sprach im Dlf über mögliche CDU Kanzlerkandidaten und unmögliche Koaltionen in seinem Landtag.
Silvia Engels: Haben Sie denn schon einen Favoriten oder eine Favoritin für den CDU-Parteivorsitz?
Holger Stahlknecht: Zunächst mal brauchen wir jetzt zeitnah eine Personalentscheidung. Das kann man nicht lange rausschieben. Man kann in solchen Machtpositionen nicht im Ungefähren bleiben. Insofern sage ich deutlich, wir brauchen wirklich jetzt eine zügige Entscheidung. Und zur Kandidatin oder zum Kandidaten sage ich: Wir brauchen jemanden, der für die mehrheitlichen Interessen unserer Bevölkerung eintritt, der aber auch den Mut und die Kraft hat, für die konservativen Werte, für die noch viele Menschen in unserem Land stehen, glaubwürdig einzutreten und sie auch zu vertreten. Das wäre das Anforderungsprofil. Jetzt haben wir ja einige Namen, die gehandelt werden. Das sind gute Leute, die wir haben, und da wird eine gute Wahl getroffen werden. Das warten wir jetzt mal ab.
Annegret Kramp-Karrenbauer, Parteivorsitzende der CDU, aufgenommen vor Beginn einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt 
Rückzug und Richtungskampf: Die CDU ohne Kompass
Annegret Kramp-Karrenbauer verzichtet auf die Kanzlerkandidatur für die Union – und kündigt gleichzeitig an, sich nach nur gut einem Jahr vom Parteivorsitz der CDU zurückziehen zu wollen. Doch wie geht es weiter?
Engels: Das klang aber ein bisschen so, als ob Sie mit Friedrich Merz sympathisieren, der ja gerade als jemand gilt, der auch das konservative Potenzial bündeln könnte.
Stahlknecht: Ich kenne Herrn Laschet und ich kenne Herrn Spahn und jeder hat seine besonderen Schwerpunkte und wird auch erkennen, welche Schwerpunkte wichtig sind. Ich würde mich jetzt da nicht an dem frühen Morgen auf eine Personalie festlegen. Entscheidend ist aber auch, dass wir jemanden brauchen, der wieder konservative Werte vertritt. Viele Menschen bauen ja auf diesen Werten auch ihr Leben, ihr Berufsleben auf, Familie. Auch der Bezug zu Heimat und Fortschritt braucht Heimat, braucht Ankerfunktionen. Das ist in letzter Zeit etwas vernachlässigt worden und hat auch dazu geführt, dass sich einige dann dieser AfD zugewandt haben, die nun wirklich dieses Land nicht braucht, diese Partei.
Engels: Das ist ja gerade ein Thema speziell in einigen ostdeutschen Bundesländern. Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Wenn Sie aber nun hören, es werden drei Namen gehandelt, die alle aus Nordrhein-Westfalen kommen, muss da noch ein ostdeutscher Name hinein?
Stahlknecht: Wissen Sie, ich bin immer der Auffassung, dass man den braucht, der die besten Kompetenzen hat. Ob der von der Küste kommt, ob der aus den Bergen kommt, aus dem schönen Sachsen-Anhalt käme oder aus Thüringen oder aus Brandenburg, mag dahinstehen. Entscheidend ist, dass wir jemanden finden, der diesen Anforderungsprofilen entspricht, und das werden wir in Ruhe gucken.
"Ein vorgezogener Parteitag wäre die richtige Entscheidung"
Engels: Aber das Ganze sollte schon auf einem Sonderparteitag der CDU entschieden werden, der vorgezogen wird, um, wie Sie ja sagen, schneller zu entscheiden?
Stahlknecht: Das würde ich begrüßen, damit nicht der Vorwurf entsteht, so was wird in Hinterzimmern ausgehandelt. Das ist sehr ungünstig. Und ist auch wenig transparent. Und insofern wäre so ein vorgezogener Parteitag die richtige Entscheidung. Der sollte dann aber, bitte schön, noch vor der Sommerpause stattfinden, weil ich sage noch mal: Wir können nicht im Ungefähren bleiben.
"Abstand halten von der AfD und auch von der Linken"
Engels: Dann gehen wir mal weg vom Zeitplan und der Kandidaten-Namen und schauen auf die inhaltliche Kursbestimmung der CDU. Denn gerade die Frage, wie hältst Du es mit Links, wie hältst Du es mit Rechts, jeweils was die Ränder angeht, die hat ja diese Krise mit herbeigeführt. Die CDU solle in der Abgrenzung gegenüber Linkspartei und AfD gleichermaßen deutlich bleiben. Das haben Sie mehrfach in den letzten Tagen betont. Schauen wir aber in Ihr Bundesland: Sie haben da Gegenwehr direkt vor der Haustür. Lars-Jörn Zimmer ist stellvertretender Fraktionschef der CDU bei Ihnen im Landtag. Er hatte am Sonntag im ZDF gesagt, eine von der AfD unterstützte Minderheitsregierung sei "absolut denkbar". Wie gehen Sie mit Herrn Zimmer um, der damit ja offen und zum wiederholten Mal gegen Parteitagsbeschlüsse der Bundes-CDU verstößt?
Jens Spahn (v.l.), Armin Laschet und Friedrich Merz
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Armin Laschet, Jens Spahn oder Friedrich Merz: Wer strebt nach Annegret Kramp-Karrenbauer den Vorsitz bei der CDU an? Laut Medienberichten ist Friedrich Merz bereit und auch Jens Spahn deutete an, er würde "Verantwortung übernehmen".
Stahlknecht: Ich habe mich eindeutig dazu positioniert. Auch der geschäftsführende Landesvorstand hat klar gesagt, jetzt ist Schluss mit diesen Gedankenspielen, die erstens dem Land schaden und zweitens auch in der Reihenfolge, sage ich das ganz bewusst, nicht den Parteitagsbeschlüssen meiner Partei entsprechen. Und diejenigen, die in verantwortungsvollen Positionen sind, müssen sich hinter dem versammeln, was wir gemeinsam beschlossen haben, und das muss Herr Zimmer jetzt auch so akzeptieren. Wir werden mit ihm auch noch mal sprechen und wenn er das persönlich für sich so nicht akzeptieren kann, dann kann er aus meiner Sicht auch keine Leitungsfunktionen wahrnehmen. Das ist wie in jedem Unternehmen. Da gibt es eine abgestimmte Strategie und da kann nicht jeder machen was er will. Aber ich denke, dass jetzt auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende an einem Donnerstagmorgen nicht das wichtigste Thema ist, sondern das Entscheidende ist für mich, dass wir Abstand halten von der AfD und auch von Linken – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Abstand halten heißt für mich keine Koalition und auch keine Minderheitsregierung. Ich will das auch gerne begründen, warum ich das so sehe. Die Gesamtausrichtung der AfD und auch in Teilen der Linken entsprechen weder der DNA der CDU und auch nicht der Mehrheitsauffassung dieser bürgerlichen Mitte. Wer da noch Minderheitsregierungen mit der AfD empfiehlt, läuft Gefahr, dass er erpressbar wird, um seine Gesetzesvorhaben durchzukriegen, und damit werden wir dann solche Extrempositionen der AfD transportieren müssen und die CDU wird dann ein Trojanisches Pferd, in dessen Bauch die AfD ihr völkisches Gift, ihre extremistischen Gedanken verpackt, damit wir die in der Gesellschaft salonfähig machen.
"Eine gewisse Meinungsfreiheit muss in der Partei gelten"
Engels: Genau da möchte ich gerne einhaken. Zur Linken kommen wir gleich noch, wo Sie ja auch die Abgrenzung nehmen. Aber da möchte ich Sie doch noch mal nach Herrn Zimmer fragen. Sie sagen, jetzt ist Schluss damit, er müsste möglicherweise aus Führungsfunktionen, wenn er davon nicht abweichen will, von seiner Haltung zur AfD. Aber sind wir hier nicht an einem Punkt, auch mal ganz konkret zu werden, wenn er dabei bleibt – und er hat ja sogar schon eine Denkschrift, wo er ähnliches Zusammengehen mit der AfD zumindest in Aussicht stellte, veröffentlicht – und mit einem Parteiausschlussverfahren zu drohen?
Stahlknecht: Das ist die härteste Keule und man muss auch immer überdenken, dass bei all den Fehlern, die Menschen machen, auch noch eine gewisse Meinungsfreiheit in der Partei gelten muss und auch nicht der Eindruck entstehen darf, dass von oben diktatorisch dann solche Dinge angeordnet werden.
Engels: Aber es geht um Parteitagsbeschlüsse!
Stahlknecht: Ja! Da habe ich ja auch klare Position zu bezogen, Frau Engels, indem ich gesagt habe, jetzt ist Schluss. Es wird auch ein Gespräch geben. Aber es gibt immer gestufte Verfahren, die man eingehen kann. Und bei allem Respekt, dass Parteitagsbeschlüsse eingehalten werden – auch eine Aufgabe eines Landesvorsitzenden ist es, Parteien in sich zusammenzuhalten, und in dieser Ausgewogenheit und in dieser Balance hat man zu agieren. Man hat sich durchzusetzen, das tun wir auch. Aber es gibt unterschiedliche Instrumente in dem Instrumentenkoffer und die werden wir dementsprechend auch aufzeigen. Aber für mich gibt es immer noch die Gesprächskultur.
"Wir müssen im Dialog bleiben, im Diskurs bleiben"
Engels: Sachsen-Anhalt hat ja einen CDU-Landesverband, wo manche angesichts der sehr starken AfD durchaus auch eine Sympathie dafür haben, hier stärker zusammenzuarbeiten. Soweit geht Ihr Parteifreund und früherer Ministerpräsident des Bundeslandes Wolfgang Böhmer nicht, aber er hat immerhin gesagt, er fände AfD-Sympathisanten in der CDU erschreckend, halte aber eine Isolierung der AfD für falsch. Sind Sie auch deshalb in der Personalie Zimmer so zögerlich, weil Sie eine Spaltung Ihrer Partei fürchten in Sachsen-Anhalt?
Stahlknecht: Frau Engels, ich bin nicht zögerlich, sondern ich habe mich klar positioniert. Das kann man überall nachlesen. Aber ich bin mit Herrn Professor Böhmer einer Meinung und ich bin ihm auch dankbar, weil er sagt auch das, was ich immer gesagt habe. Das Entscheidende ist doch, dass wir nicht diffamierend ausgrenzen, sondern wir müssen uns inhaltlich mit der AfD auseinandersetzen, wir müssen belegen, warum das die falschen Wahlprogramme sind und - jetzt sage ich mal außerhalb der CDU - dass Menschen, die mit AfD sympathisieren und sie wählen oder extremkonservative Werte haben, nicht permanent in die rechte oder - schon fast inflationär gebrauchter Begriff - faschistische Ecke drängen. Dadurch erzielen wir das völlige Gegenteil. Wir müssen im Dialog bleiben, im Diskurs bleiben. Das zeichnet Demokratie aus, eine wehrhafte Demokratie. Insofern muss man auch jetzt wirklich mal aufhören mit diesem Diffamierungspotenzial.
Engels: Mit AfD-Wählern reden, klar. Aber mit AfD-Funktionären doch irgendwie kooperieren, läuft das dann nicht im Endeffekt auf so etwas hinaus?
Stahlknecht: Nein, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Das eine ist, dass ich einen politischen Diskurs fahre, der nicht diffamiert, sondern der sachlich bleibt, der klar bleibt mit klarer Linie, der nicht beleidigend ist. Und das klare Abstandsgebot gilt: Wir koalieren nicht mit der AfD und wir machen mit der AfD keine Minderheitsregierung. Der überwiegende Teil meiner Partei, wenn wir uns darauf wieder zurückziehen, trägt genau diese Auffassung und die werden wir auch durchhalten.
"Für viele ist die Linke immer noch eine gehäutete SED"
Engels: Dann schauen wir jetzt noch auf die Abgrenzung zur Linkspartei. Darauf wollten Sie ja gerade auch zu sprechen kommen. Da sagen ja viele, gerade in den neuen Ländern sei das heikel, wo auch manches CDU-Mitglied (manchmal auch in höheren Ämtern) durchaus noch eine Vergangenheit als DDR-Blockflötenpartei der CDU damals mit sich trage. Wie glaubwürdig ist es da, mit dem Finger auf frühere SED-Vergangenheiten zu schauen?
Stahlknecht: Wissen Sie, für viele Mitglieder meiner Partei und aber auch für Bürgerinnen und Bürger in dem Teil Deutschlands ist Die Linke immer noch eine gehäutete SED. Es sind viele vor über 30 Jahren auf die Straße gegangen für Freiheit, für Meinungsfreiheit. Ich kenne genug, die in Gefängnissen gesessen haben, in Unrechtsverfahren dort durch die Stasi, und eine Distanzierung der Linken auch bei uns im Landtag zu dieser Unrechtszeit hat wirklich nie stattgefunden. Das ist auch in der DNA der Menschen eingebrannt und da bitte ich auch um Sensibilität und auch um das Verstehen der Seele der Menschen in diesem Teil Deutschlands. Das ist nicht eine ganz normale Partei, sondern die hat auch eine geschichtliche Vergangenheit, und insofern kann man nicht von Berlin oder von anderswo anordnen aus staatspolitischer Räson, dass eine CDU einen Linken-Ministerpräsidenten zu wählen hat. So funktioniert auch nicht Demokratie und so funktioniert am Ende auch nicht Geschichtsaufarbeitung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.