Spengler: Sie sind deswegen prädestiniert, Herr Lucas, uns Ihre praktischen Erfahrungen zu schildern, weil es in Sachsen wegen der Flut noch bis zum Jahresende eine Aussetzung des Ladenschlusses gibt. Was genau ist da ausgesetzt worden? Wenn Sie das vielleicht zunächst sagen könnten.
Lucas: Also, die Landesregierung hat in Sachsen von dem berühmt-berüchtigten Paragraphen 23 Gebrauch gemacht und aufgrund der Flutkatastrophe in ganz Sachsen das Ladenschlussgesetz außer Kraft gesetzt.
Spengler: Das heißt, Sie haben rund um die Uhr geöffnet?
Lucas: Rein theoretisch könnte rund um die Uhr geöffnet werden.
Spengler: Haben Sie gute oder schlechte Erfahrungen gemacht?
Lucas: Wir haben recht gute Erfahrungen gemacht und fühlen uns eigentlich ganz glücklich, dass wir jetzt mal in Sachsen drei Monate Einzelhandel ohne Ladenschluss probieren konnten und für die jetzt beginnende Neudiskussion unseres Ladenschlussgesetzes und auch zukünftig von Erfahrungen ausgehen können, denn bisher hat man ja immer nur gemutmaßt, wie der Einzelhandel und die Welt des Einzelhandels ohne Ladenschluss oder weitere Liberalisierung aussieht.
Spengler: Jetzt wissen Sie es. Wie sieht er denn aus?
Lucas: Also, wir können alle diejenigen Zweifler beruhigen. All die Befürchtungen sind nicht eingetreten. Insbesondere an Wochentagen, wo ja eine rein theoretische Öffnung 24 Stunden möglich wäre, war nach wie vor um 20:00 Uhr in ganz Sachsen außer dem Leipziger Hauptbahnhof dicht.
Spengler: Was ist denn mit den Beschäftigten? Spüren die denn jetzt größeren Druck, was ja die Gewerkschaften befürchten?
Lucas: Also, das kann ich eigentlich überhaupt nicht bestätigen. Es gibt bei den Beschäftigten natürlich sehr unterschiedliche Auffassungen. Auch die Sonntagsöffnung ist sehr kontrovers diskutiert worden und wir müssen ja auch berücksichtigen, dass wir Tarifverträge haben, die gültig sind. Es muss ja, wie es teilweise dargestellt wird, niemand rund um die Uhr arbeiten. Es ist ein sehr emotionales Thema. Es werden 120 Prozent Zuschläge an Sonntagen und zusätzliche Freistellungen laut Tarifvertrag gezahlt. Also, man muss das alles auch ein Stück weit realistisch sehen, und es wird hier sehr viel auch auf Gewerkschaftsseite Klassenkampf gemacht, der eigentlich fehl am Platz ist.
Spengler: Gibt es auch keinen Verdrängungswettbewerb zu Lasten der kleinen Betriebe?
Lucas: Den Verdrängungswettbewerb haben wir ja rein theoretisch laut Gewerkschaftsaussage schon seit der Liberalisierung, als das Ladenschlussgesetz bis 20:00 Uhr verlängert wurde. Natürlich gibt es Verschiebungen von Kaufkraft und Einkaufsströmen an attraktive Standorte. Aber das haben wir ja generell, dass der Verbraucher an attraktive Standorte geht. Das hat eigentlich mit Ladenschluss wenig zu tun.
Spengler: Liegt denn eigentlich die Chance kleiner Betriebe, vor allem von kleinen Familienbetrieben, nicht darin, jetzt auch in Nischen zu schlüpfen, die es vorher nicht gab?
Lucas: Selbstverständlich gibt es natürlich stärkere Nischen, Schlupfpolitik für kleine mittelständische Unternehmen. Wir dürfen ja bei einer weiteren Liberalisierung nicht vergessen, dass wir nach wie vor ein gültiges Betriebsverfassungsgesetz haben. Die Öffnungszeit ist mitbestimmungspflichtig, und gerade an Sonntagen hat es in großen Unternehmen Schonverweigerungshaltungen von Betriebsräten gegeben. Das ist ein Thema, das für kleine und mittelständische Betriebe überhaupt nicht zutrifft.
Spengler: Herr Lucas, wenn es nach Ihnen ginge, was sollte die Regierung und die Landesregierungen dann beschließen?
Lucas: Also, wir haben eine eindeutige Beschlusslage hier in unserer Händlerschaft in Sachsen. Diese Beschlusslage lautet, das Ladenschlussgesetz, das immer mehr zum Wettbewerbgesetz mutiert ist und Händler in verschiedenen Klassen teilt, nämlich in die, die öffnen können und die, die nicht öffnen dürfen, weil gerade wieder eine Sonderregelung gilt, gehört von Montag bis Samstag, also werktags komplett abgeschafft. Der Sonntag sollte die Ausnahme bleiben.
Spengler: Ihr Wort in Gottes Ohr. Ich bedanke mich bei Eberhard Lucas. Das war der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Sachsen.