"Gibt es in Sachsen noch eine Region, in der am Wochenende der rassistische Mob nicht getobt hat?" Das fragte sich - etwas resigniert - ein Mitarbeiter der SPD-Landtagsfraktion in Dresden auf Facebook. Denn die Liste der potenziell fremdenfeindlichen Taten vom vergangenen Wochenende in Sachsen ist lang:
In Freital explodierte eine Sprengladung vor dem Fenster eines Asylbewerbers, er wurde durch die Scherben verletzt. In Pirna wurden bereits am Freitagabend ein Marokkaner und ein Libyer von etwa 25 teils vermummten Angreifern umstellt und bedrängt - als die beiden in einen Hauseingang flohen, wurden sie von der Gruppe verfolgt und geschlagen und getreten. Noch unbewohnte Unterkünfte brannten wie in Dippoldiswalde. Und in Meerane kam es zu fremdenfeindlichen Krawallen. In der Kleinstadt bei Chemnitz versuchten mehr als 80 Demonstranten am Sonntag laut Polizei, den Transport von Flüchtlingen zu verhindern. Dazu blockierten die Asylgegner unter anderem mit Autos und durch Menschenansammlungen die Straße. 700 Asylbewerber sollten von einem Zug auf Busse verteilt werden.
Auf einem Video der Dresdner Morgenpost ist ein Einsatzfahrzeug der Polizei zu hören. Als Polizisten die Blockade auflösen wollten, wurden sie angegriffen und mit Böllern beworfen.
Ein Busfahrer, der Flüchtlinge abholen sollte, stand in einem Interview mit dem MDR noch sichtbar unter dem Einfluss der Ereignisse:
"Das muss nicht sein. Dass sie demonstrieren, ist halt in Deutschland so. Aber dann sollen sie das halt friedlich machen."
Und auch Bürgermeister Lothar Ungerer ist schockiert über die Gewalt gegen die Polizei in seinem Ort. Noch in der Nacht war er zum Bahnhof geeilt, im Versuch die Menschen zu beruhigen. Leider vergebens:
"Es gehört schon was dazu, da Feuerwerkskörper den Menschen vors Gesicht zu werfen. Auch körperlich zu agieren mit Schlägen. Ich hatte am Anfang schon das Gefühl, dass die Polizei etwas überrascht war."
Bachmann weist Mitschuld an Gewalt zurück
Blockierte Flüchtlingsbusse, gewaltbereite Asylgegner, überraschte Polizisten, so ähnlich war auch die Konstellation in der Kleinstadt Heidenau bei Dresden. Ende August eskalierte zwei Nächte nacheinander die Lage, über 30 Polizisten wurden verletzt.
Der Sprecher des Innenministeriums, Andreas Kunze-Gubsch, glaubt nicht, dass sich solche Situationen wie in Heidenau oder Meerane in Zukunft immer verhindern lassen. Die Informationen über die Ankunft von Flüchtlingen würden durchsickern und sich vor allem über Facebook rasend schnell verbreiten:
"Aber da braucht man auch nicht naiv sein, der Kreis derer, die es wissen, ist relativ groß, und wenn da einmal was rauskommt, wie gesagt, über die sozialen Medien ist es in Windeseile rum."
Pegida bleibt auch bei diesem Thema bei ihrem Zickzack-Kurs. Auf der einen Seite weist Lutz Bachmann jede Mitschuld an den Gewalttaten in Sachsen von sich, wie Montagabend in Dresden. Er spekuliert stattdessen darüber, dass Asylbewerber mitunter auch selbst ihre Unterkünfte ansteckten:
"Wie viele dieser Brandstiftungen auf das Konto der Ärzte, Ingenieure und Raketenwissenschaftler selbst gehen, wird nirgends erhoben. Auch im Nachgang, wenn es erst uns in die Schuhe geschoben wird."
Auf der anderen Seite äußert sich nur eine Stunde später der Redner Michael Stürzenberger wesentlich schärfer:
"Das muss aufhören, dass wir mit diesem Mob aus Afrika geflutet werden."
Wahlkreisbüro von CDU-Abgeordneten beschädigt
Der Vorsitzende der Grünen in Sachsen glaubt, dass es dabei einen Zusammenhang zwischen der aggressiven Rhetorik von Pegida auf den Straßen und den Übergriffen gibt:
"Der Zusammenhang ist sogar relativ offensichtlich, weil dieser Hass wird bei Pegida von Anfang an geschürt. Und zwar immer mit der Behauptung, das seien ja gar keine Flüchtlinge. Der Hass, der viel zu lange unbeantwortet geblieben ist..."
Politik und Zivilgesellschaft müssten nun sachlich, aber entschlossen Position gegen diese Rhetorik beziehen.
Doch die Gewalt trifft nicht nur Flüchtlinge, ihre Unterstützer oder Polizisten. So wurde in Leipzig das Wahlkreisbüro von zwei CDU-Abgeordneten beschädigt, es gibt Hinweise auf Täter aus dem linken Spektrum.
Zudem brannten am Rande von Pegida-Demonstrationen bereits zwei Mal Autos von Sympathisanten der fremdenfeindlichen Bewegung. Der Staatsschutz ermittelt.
Und auch die AfD meldete sich zu Wochenbeginn zu Wort und berichtete von Morddrohungen gegen ihre Spitzenpolitiker. Björn Höcke, der Landesvorsitzende in Thüringen, tritt nach Aussage der AfD nur noch mit schusssicherer Weste auf. Auch die Bundesvorsitzende Frauke Petry, soll Morddrohungen erhalten haben. Sie wollte sich zu den Bedrohungen jedoch nicht in einem Interview äußern.