Knapp 20 Jahre Erfahrung hat Sachsen mit dem Wolfsmanagement. Doch in den zwei Jahrzehnten seit der Rückkehr des Wolfes ist die Population stark angewachsen. Deshalb brauche es jetzt neue Regeln, um Konflikte vor allem mit Schäfern und Nutzviehhaltern zu vermeiden, sagt Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt von der CDU.
Deshalb wird ab Ende Mai eine neue Wolfsverordnung gelten, die das schwarz-rote Sachsen-Kabinett gestern beschlossen hat.
"Wir sind dort auch an die Grenzen des Möglichen gegangen. Mir ist dabei ganz wichtig festzustellen, dass wir hier zwei Seiten der Medaille betrachten müssen. Einerseits ist es so, dass Artenschutz ein hohes Gut ist, aber wir dürfen auf der anderen Seite, wenn wir die Leute vor Ort mit ihren Ängsten, aber auch die Nutztierhalter mit den vielen Konflikten, die sie aushalten müssen, allein lassen, dann werden wir die Akzeptanz für den Artenschutz verlieren."
Streng geschützte Wölfe können geschossen werden
Gemäß der neuen Verordnung können in Sachsen künftig die strengstens geschützten Wölfe unter erweiterten Bedingungen geschossen werden. Bislang sind die Hürden für so eine - wie es amtlich heißt - gezielte Entnahme eines Problemwolfes sehr hoch und unterliegen stets einer Einzelfallentscheidung der unteren Naturschutzbehörde.
Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt nennt die neuen Kriterien, die den gezielten Abschuss eines Wolfes ermöglichen:
"Wenn er sich Menschen mehrmals nähert, in bestimmten Abständen von 100 Metern bei Siedlungen, 30 Metern bei Menschen, sich darüber hinaus nicht verscheuchen lässt. Das war vorher nicht möglich und wir haben auch bei den Nutztierhaltern, wenn es da um mehrmalige Übergriffe geht, also mindestens zweimal, geregelt, dass nicht jedes Mal die gleiche Herde betroffen sein muss, sondern eine Herde im Bereich eines Rudels."
Mehrere auffällige Wolfsrudel
Hierbei müsse ein "erheblicher wirtschaftlicher Schaden" entstanden sein, um einen gezielten Abschuss zu begründen, erläutert Schmidt. In der sächsischen Lausitz gibt es seit Längerem mehrere auffällige Wolfsrudel, die immer wieder auch in gut gesicherte Schafbestände einfallen. Demzufolge ermöglicht die neue Verordnung auch den Abschuss mehrerer Wölfe aus einem Rudel, wobei für jeden Wolf die Entscheidung einzeln zu treffen ist.
Diese Regelung ziele weit über das Ziel hinaus, heißt es dazu kritisch aus den Reihen der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. Der Fraktionsvorsitzende Wolfram Günther fordert "Vergrämung vor dem Abschuss", selbst bei einem auffälligen Wolfs-Rudel. Auch der BUND, hatte sich im Vorfeld bereits zum Referentenentwurf der neuen Verordnung überaus kritisch geäußert und lehnt die Erweiterung der Abschusskriterien ab.
Landwirtschaftsminister Schmidt hält dagegen und betont:
"Es geht hier in keinster Weise darum, hier den Wolf auszurotten, nein es geht darum Ängste zu nehmen, den Schafhaltern zu helfen aber im Ernstfall auch handeln zu können, rechtssicher handeln zu können, und die Akzeptanz zum Artenschutz aufrecht zu erhalten - oder, wo es schon weg ist, wie der herzustellen."
Viele Bürger fühlen sich allein gelassen
Dabei geht es um Menschen wie Günter Prötzig, einen Hühnerzüchter aus Lodenau in der Ostlausitz, direkt an der Neisse. In seinem Betrieb leben 22.000 Legehennen draußen auf freiem Gelände, nur nachts kommen Sie in den Stall.
Doch seit einer seiner Mitarbeiter vor Kurzem in der Dämmerung einem Wolf Auge in Auge gegenüberstand verweigern einige Mitarbeiter den abendlichen Dienst. Auch bei seinem Bruder unweit der Hühnerfarm ließen sich die normalerweise scheuen Wölfe zunehmend auch bei Tag sehen, erzählt der Lausitzer Prötzig. Das mache Angst:
"Und dann laufen die Wölfe am Tage durch sein Grundstück und es sind kleine Kinder da, da sind Tiere da, die hat er zwar mit Elektrozaun eingezäunt, aber die lassen die Kinder alleine nicht mehr raus."
In den Wolfsgebieten in der Lausitz hat sich der Ton verschärft, viele Bürger fühlen sich allein gelassen und haben kein Vertrauen mehr in die offiziellen Stellen.
Neben dem vereinfachten Abschuss setzt Sachsen deshalb auch auf die Neuordnung des Wolfsmanagements mit einer neuen Fachstelle, mehr Personal und mehr Beratung für die Bürger und Nutztierhalter. Sie werden mit bis zu 100 Prozent bei der Errichtung von Sicherheitszäunen und beim Kauf von Hütehunden staatlich unterstützt. Auch die Schadensregulierung soll deutlich einfacher werden.