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Sachsen und der Fall al-Bakr
"Der Justizminister trägt die Verantwortung"

Sebastian Gemkow sei der Chef, der Justizminister. Damit trage man immer die Verantwortung, sagte Martin Modschiedler, CDU-Politiker in Sachsen, im DLF. Um eine Beurteilung über die Geschehnisse in Sachsen zu fällen, müsste erst der Sachverhalt geklärt werden.

Martin Modschiedler im Gespräch mit Christine Heuer |
    Ein Polizeiwagen steht am späten 12.10.2016 vor der Justizvollzugsanstalt (JVA) Leipzig (Sachsen). Das sächsische Justizministerium hat bestätigt, dass der unter Terrorverdacht festgenommene Dschaber al-Bakr tot ist. Den Angaben zufolge tötete sich der 22-jährige Syrer am Mittwochabend selbst in der JVA.
    Den Angaben zufolge tötete sich der Syrer Dschaber al-Bakr am Mittwochabend selbst in der JVA Leipzig. (picture alliance/dpa - Jan Woitas)
    Christine Heuer: Dschaber al-Bakr hat sich das Leben genommen. In der Justizvollzugsanstalt Leipzig wurde der Terrorverdächtige heute Nacht erhängt aufgefunden. Der Tod Dschaber al-Bakrs wühlt natürlich auch das politische Berlin auf. Am Telefon begrüße ich den rechtspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion in Sachsen, Martin Modschiedler. Guten Tag.
    Martin Modschiedler: Guten Tag, Frau Heuer.
    Heuer: Wurden denn nun Fehler gemacht im Umgang mit dem Häftling al-Bakr, oder war alles gar nicht so schlimm?
    Modschiedler: Es bleibt dabei: Das hätte auf jeden Fall so nicht passieren dürfen. Das ist unstreitig und das ist heute auch gesagt worden. Der Tod des Terrorverdächtigen ist für uns auch ein herber Rückschlag, das hat Herr Bosbach ja auch angedeutet. Man ist sich im Nachhinein darüber im Klaren, dass es hätte anders laufen müssen. Nachher sind alle schlauer. Dort wurden Entscheidungen getroffen, die jetzt dazu geführt haben, dass Herr al-Bakr tot ist, und das hätte nicht passieren dürfen.
    Heuer: Ist das Schlamperei oder irgendwie ein Verfahren, in den Behörden, die nicht richtig zugreifen? Was ist das genau? Warum passiert das bei Ihnen?
    Modschiedler: Erstens mal ist es keine Schlamperei. Und wenn Leute fordern, dass jetzt Dolmetscher da sein sollen, die erstens Terrorerfahrung haben, auch die Psychologen sollen Terrorerfahrung haben - entschuldigen Sie. Mit Terrorismus haben wir glücklicherweise hier nicht viel zu tun. Und deswegen ist es auch irgendwie nicht nachvollziehbar, dass gleich ein Dolmetscher da ist, der alle Sprachen sprechen kann - ich verstehe es nicht ganz, wie das funktionieren soll -, und eine Psychologin da ist, die mit Terrorgefahr ausgebildet ist. Insoweit sind hier die normalen Maßnahmen eingelaufen, das SEK hat den Gefangenen eingeliefert und er wurde sofort auch in die besondere Zelle gebracht und er wurde viertelstündlich auch überwacht. Und wenn man jetzt sagt, ja, da war eine Auszubildende, die da hingegangen ist - nein, es war eine halbstündliche …
    Heuer: Später mal halbstündlich, genau.
    Modschiedler: Ja, halbstündlich. Genau! Und sie ist eine viertel Stunde dazwischen gekommen. Das heißt, es bestand ein Suizidversuch, den er machen wollte, und das ist das Problem. Das haben sie nicht erkannt.
    Heuer: Aber, Herr Modschiedler, muss man das nicht erkennen, dass ein als Selbstmordattentäter verdächtiger Mann möglicherweise suizidgefährdet ist?
    Modschiedler: "Muss man" ist immer schwierig, weil "muss man" ist nachher immer klar. Dann hätte man es sehen müssen, ja. Und deswegen sagen wir auch, wir wollen es aufklären. Wir haben nächsten Dienstag eine gemeinsame Ausschusssitzung des Innenausschusses und des Rechtsausschusses, damit es nicht bei prophetischen Gaben bleibt, wie Herr Bosbach heute Morgen schon prophezeite, ob das sich jetzt einstellt oder nicht, denn wir wollen es wissen. Und wir wollen am nächsten Dienstag darüber diskutieren.
    "Der Justizminister trägt die Verantwortung dafür"
    Heuer: Aber Herr Bosbach hat das eigentlich schon so vorhergesagt, wie es heute eingetroffen ist.
    Modschiedler: Herr Bosbach hat gesagt, es bleibt alles so und Sachsen hat alles richtig gemacht. Das hat Herr Jacob überhaupt nicht gesagt und das hat auch der Justizminister nicht gesagt. Er trägt die Verantwortung dafür und er sagt auch, im Nachhinein hätte man das anders machen müssen.
    Heuer: Was heißt denn das, dass der Justizminister die politische Verantwortung trägt?
    Modschiedler: Er ist der Chef! Er ist der Justizminister, der Chef der Justiz. Damit trägt man immer die Verantwortung. Das ist bei jedem Geschäftsbereich auch so. Aber die Frage ist, welche Konsequenzen jetzt gezogen werden müssen.
    Heuer: Genau welche?
    Modschiedler: Dazu sollte man doch erst mal abwarten, was diese Ausschuss-Sitzung am nächsten Dienstag, diese gemeinsame Sitzung als Ergebnis hat.
    Heuer: Einen Rücktritt des Justizministers schließen Sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht aus?
    Modschiedler: Das macht den Herrn al-Bakr übrigens auch nicht wieder lebendig.
    Heuer: Das ist richtig. Aber wenn Fehler gemacht werden und politische Verantwortung wird übernommen, darf die Frage schon mal gestellt werden.
    Modschiedler: Da haben Sie völlig Recht, Frau Heuer. Aber ich bin Jurist und ich sage immer, ich spreche ein Urteil oder eine Beurteilung nachher, das heißt, wenn der Sachverhalt steht. Und für mich steht er noch nicht, weil ich bis jetzt noch nicht die Möglichkeiten gehabt habe, meine Fragen zu stellen, und die werde ich nächsten Dienstag stellen.
    "Es passieren in anderen Bundesländern auch Pannen"
    Heuer: Herr Modschiedler, wieso passieren gerade in Sachsen so viele Pannen bei Polizei und Justiz?
    Modschiedler: Es passieren in anderen Bundesländern auch Pannen. Das Problem ist halt, dass wir jetzt fokussiert sind, dass auch in Sachsen das Problem da ist. Und ich gebe Ihnen zu: Fälle wie Pegida und Ähnliches, was immer wieder hochploppt in Sachsen, macht auch mich sehr betroffen. Ich verurteile das, mir gefällt das überhaupt nicht, aber es ist leider nun mal so wie es ist. Ich liebe mein Bundesland trotzdem.
    Heuer: Und da ist jetzt zufällig halt eine Häufung von Pannen aufgetreten, weil der polizeiliche Zugriff ist ja auch schon schiefgegangen?
    Modschiedler: Das sagen Sie jetzt. Wir haben nächsten Dienstag diese Ermittlungen, die wir machen wollen, vom Innenministerium übers Justizministerium, um uns insgesamt die Sache anzuschauen und dann zu schauen, sind es wirklich Pannen, oder sind es hier wirklich Fragen, die eigentlich sich dann widerlegen lassen, wenn sie mal aufgeklärt worden sind.
    Heuer: Da sind wir gespannt. - Das war der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag, Martin Modschiedler, und ich bedanke mich bei Ihnen für das Gespräch.
    Modschiedler: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.