Christoph Maier ist Pfarrer der Leipziger Bethlehemgemeinde. Er gehört zu den Initiatoren des Forums für Gemeinschaft und Theologie und er hat die Internetseite "frei und fromm" gegründet. Er hat das Gefühl, sich wehren zu müssen gegen die sehr lautstark auftretende Sächsische Bekenntnisinitiative. Die Landeskirche ist gespalten, besonders im Erzgebirge und im Vogtland sind die Evangelikalen stark. Christoph Maier sagt:
"Wir erleben als Kirche, was die Gesellschaft auch erlebt. Wir sind eine sich polarisierende Gesellschaft, und das bildet sich auch in der Kirche ab. Und darüber wurde viel diskutiert heute, wie gehen wir angemessen mit dieser Polarisierung, mit dieser Fragmentierung um, die wir wahrnehmen? Wir dürfen die nicht wegreden, und müssen sehen, wie wir Brücken zueinander finden und wie wir trotzdem auch erkennbar auf unseren Positionen bleiben."
Die Sächsische Bekenntnisinitiative wurde 2012 als Reaktion auf die Änderung des Pfarrerdienstrechtes gegründet. Homosexuellen Paaren soll ein gemeinsames Leben im Pfarrhaus ermöglicht werden. Fast wäre es darüber tatsächlich zur Kirchenspaltung gekommen. Denn einige Vertreter des konservativen Lagers verweigerten der Kirchenleitung und dem damaligen Landesbischof die Gefolgschaft. Ja, sie riefen den "status confessionis" aus und forderten die Gründung einer Bekenntnissynode nach dem Vorbild der Bekennenden Kirche in der NS-Zeit. Zu den Initiatoren der Sächsischen Bekenntnisinitiative gehörte der Chemnitzer Pfarrer im Ruhestand, Theo Lehmann, der sich heute auch bei der Pegida-Bewegung engagiert.
Kompromiss mit hoher Hürde
Er erzählt: "Etwa drei Tage, nachdem die Kirchenleitung das beschlossen hatte, da hab ich dem Bischof einen Brief geschrieben und habe ihm erklärt, dass ich ihm keinen Gehorsam mehr leiste, mich auf die Bekenntnisschriften berufen. Wenn ein Bischof was lehrt, was Irrlehre ist, ist man verpflichtet gegen den Bischof zu protestieren. Also in den 500 Jahre alten Bekenntnisschriften ist das festgelegt."
Nach heftigen Diskussionen einigte sich die Landessynode auf einen Kompromiss. Dem Pfarrerdienstrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland entsprechend, dürfen schwule oder lesbische Pfarrer in Einzelfällen zwar gemeinsam im Pfarrhaus wohnen, doch müssen die Kirchgemeinde-Vorsteher und die Kirchenleitung zuvor zustimmen. Eine hohe Hürde.
Außerdem wurde das traditionelle christliche Leitbild von Ehe und Familie festgeschrieben. Ausgehandelt hat den Kompromiss damals der Synodale Carsten Rentzing, der heutige sächsische Landesbischof. Er macht keinen Hehl aus seiner theologischen Haltung, der zufolge die homosexuelle Lebensweise nicht dem Willen Gottes entspricht. Mit Blick auf die Leipziger Initiative "frei und fromm" versucht er dies jedoch etwas zu relativieren. Rentzing sagt:
"Es ist für uns als Kirche wirklich nicht das Hauptthema. Es ist ein wichtiges Thema, sogar ein extrem bedeutsames Thema, aber man muss es nicht ständig ins Zentrum stellen. Das habe ich in meinem gesamten Dienst nicht getan und das werde ich auch jetzt nicht tun."
Carsten Rentzing betont, dass er nach wie vor zu seinem Versprechen stehe, Bischof aller sächsischen Lutheraner sein zu wollen, sowohl der konservativen in Erzgebirge und Vogtland, als auch der liberalen im Leipziger Land. Und der Vielen dazwischen.
Manche scheinen es in der Landeskirche nicht mehr auszuhalten
"Wir wollen ja auch keine ausgrenzenden Zeichen als Landeskirche setzen, muss man deutlich sagen, wir wollen niemanden ausgrenzen. Niemanden. Und wenn ich niemanden sage, dann meine ich auch tatsächlich niemanden an dieser Stelle."
Manche scheinen es aber in der sächsischen Landeskirche nicht mehr auszuhalten. Gerade erst hat eine Pfarrerin ihre Gemeinde in der sächsischen Schweiz verlassen, wo sie mit ihrer Partnerin lebte. Sie bekam eine Stelle in der Nordkirche. Und das ist nicht der einzige Fall, wo sich Homosexuelle ausgegrenzt fühlen. Christoph Maier befürchtet, dass immer mehr liberal gesinnte Theologen abwandern.
"Wir fordern von der Landessynode die Einführung einer neuen Trauagende, in der es ganz selbstverständlich auch ein Formular gibt für Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Beziehungen leben, eine Trauagende, die das abbildet an Vielseitigkeit, was wir an Lebensentwürfen haben."
Selbst eine Segnung homosexueller Paare in Kirchenräumen werde es nach Aussagen leitender Theologen in der sächsischen Landeskirche vorerst nicht geben, ganz anders als beispielsweise in der Kirche von Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz. Dort können Schwule und Lesben seit kurzem auch kirchlich heiraten. Dass Homosexuelle mit ihren Partnern gemeinsam im Pfarrhaus leben ist längst normal. Der Dresdner Superintendent Christian Behr hat in diesem Jahr die Teilnehmer des Christopher Street Days in die größte Kirche der Stadt eingeladen, in die Kreuzkirche am Altmarkt, die auch Predigtkirche des Landesbischofs ist. Das war Ende Mai.
Christian Behr: "Unser Kirchenvorstand hat sich dem geöffnet, hat gesagt, das ist gut. Ich denke das es 'ne Frage ist, wie wir heute mit Minderheiten umgehen und wie wir da auch Offenheit zeigen und gerade der CSD ist ja nicht mal eine Frage von Segnung oder von Hochzeit oder so von gleichgeschlechtlichen Paaren, hat auch nichts mit der unsäglichen Diskussion "Wohnen im Pfarrhaus" zu tun, sondern ist einfach ne Frage, wie kann ich Menschen, die vielleicht etwas anders leben, was ich ja nicht so leben könnte, wie kann ich denen zeigen, dass sie auch von Gott geliebt sind."
Wie können die Grabenkämpfe beendet werden?
Landesbischof Rentzing musste diese demonstrative Öffnung seiner Predigtkirche für Schwule, Lesben und Transgender hinnehmen. Denn die Kirchgemeinden besitzen in der sächsischen Landeskirche ein sehr starkes Mitbestimmungsrecht.
"Das sind Versuche, Zeichen in einer bestimmten Richtung zu setzen, die werden nicht von allen in unserer Landeskirche geteilt und insofern hatte auch ich dabei durchaus Bauchschmerzen. Ja, das muss ich zugeben", sagt er.
Um die Grabenkämpfe zwischen den Lagern zu beenden, hatte sich Rentzing vor vier Jahren in der Synode für einen Gesprächsprozess zwischen beiden Lagern eingesetzt. Erbracht hätten die Diskussionen mit Anhängern der sächsischen Bekenntnisinitiative wenig, sagt Superintendent Behr, der mit seinen liberalen Überzeugungen nicht hinter den Berg hält. Man könne auch heftig aneinander vorbei reden.
"Das sind ja Gesprächsprozesse, die es an vielen Stellen gibt. Wir haben ja das in Dresden mit dieser Pegida-Kiste, wo auch viele Versuche nun mit den da geärgerten Wutbürgern ins Gespräch zu kommen, wo auch manche Grenzen des Gespräches sind. Das haben wir auch bei dem Gesprächsprozess gemerkt. Jetzt ist es vielleicht eine andere Form des Gespräches. Und es waren auch einige da, die nicht unbedingt hier mit sympathisieren würden, die dieses öffentliche Gespräch auch suchen, auch pietistische Menschen, die an einem offenen Diskurs interessiert sind."
Dazu gehört auch ein zeitgemäßes Bibelverständnis. Es genüge doch nicht, die eigene Auffassung mit bestimmten Versen zu begründen, etwas mit dem Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen, so Maier. Unpassende Aussagen würden dagegen übergangen, etwa, dass solche Menschen gesteinigt werden müssten.
"So ist es, man muss die Frauen aus dem Dienst entlassen, man darf keine Blutwurst essen, man muss die Kinder züchtigen, wir müssen die Sklaverei wieder einführen. Die Bibel ist nicht dazu da, eins zu eins Gesellschaftsbilder in unsere Zeit zu transferieren, sondern die Bibel birgt die lebendige Gottesbeziehung, dazu braucht es ein anderes Verständnis von Heiliger Schrift."
Bischof Carsten Rentzing begrüßt den theologischen Diskurs ausdrücklich, trotz seines ganz anderen Bibelverständnisses. Und er würde sich gerne an dem Forum für Gemeinschaft und Theologie beteiligen, sofern es eine Fortsetzung gibt.
"Ich schätze selbst sehr natürlich traditionelle Auffassungen wie man's nennen würde, theologischer Art, die ich persönlich teile und die ich für richtig halte und die ich eintrage in unsere Landeskirche, aber auf der anderen Seite brauchen wir natürlich auch immer wieder ein aufbrechendes Denken, das sich über Konventionen hinweg setzt."
Die sächsische Landeskirche will sich einen Ort leisten, an dem frei gedacht wird. An sich selbstverständlich, aber offenbar erwähnenswert.