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Sachsens Kultusminister tritt zurück

Wegen geplanter Kürzungen im Lehrerbereich hat Sachsens Kultusminister Roland Wöller sein Amt niedergelegt. Gut 100 Millionen Euro hätte das Ministerium einsparen sollen, mehr als Wöller für verantwortlich hält.

Von Claudia Altmann |
    Dass sich Kultus- und Finanzminister wegen der Finanzierung neuer Lehrerstellen streiten, war kein Geheimnis, spätestens, seitdem Roland Wöller in der vergangenen Woche überraschend in einer CDU-Fraktionssitzung erklärt hatte, dass er das Geld für das vor drei Monaten gemeinsam geschnürte Bildungspaket nicht aus seinem Haushalt aufbringen könne. Damals hatte er den Plan noch gelobt, bis 2015 mit etwa 250 Millionen Euro neue Lehrer einzustellen. Die Hälfte des Geldes sollte ursprünglich aus seinem Ministerium kommen. Ministerpräsident Stanislaw Tillich reagierte sauer auf den rebellischen Ausbruch und stellte sich offen hinter seinen Finanzminister. Er entzog Wöller gestern das Sportressort, schickte dessen fachkompetenten Staatssekretär in den vorzeitigen Ruhestand und versetzte den für Personalfragen zuständigen Abteilungsleiter. Derart gerupft blieb dem 41-Jährigen nur noch der Rücktritt. Wöller wirft Tillich die einseitige Aufkündigung des Bildungspaketes vor.
    "Wir sollten einen Sparbeitrag bringen von etwa 100 Millionen Euro im Zeitraum bis 2015. Dazu werden auch die freiwilligen Bereiche herangezogen werden wie beispielsweise Schulausbau oder andere Bereiche. Das ist uns untersagt worden. Das war nicht die Vereinbarung im Bildungspaket. Deswegen ist das Bildungspaket aufgeschnürt worden. Wir sind dann verpflichtet worden, im Bereich der Lehrerstellen zu kürzen. Das lehne ich ab. Eine solche Politik ist keine zukunftsgerichtete Politik für den Bildungsstandort Sachsen. Und deswegen habe ich die Konsequenzen gezogen."

    Der Schritt wird selbst von seinen Kritikern mit Respekt gewürdigt. Allerdings hätte er viel früher die tatsächlichen Zustände an den sächsischen Schulen zur Kenntnis nehmen müssen, sagt Linken-Fraktionschef André Hahn:

    "Es ist seit Jahren bekannt, dass Unterricht ausfällt, seit Jahren bekannt, wie viele Lehrer in den Ruhestand gehen. Er hat die Probleme immer wieder geleugnet und nichts unternommen. Und es war auch nicht erkennbar, dass er sich deutlich bemüht hat um mehr finanzielle Ausstattung für sein Ministerium."

    Aber Hahn räumt ein, dass es nicht leicht ist, sich gegen einen - wie er sagt - beratungsresistenten Finanzminister durchzusetzen:

    "Das Geld ist ja da. Es gab Steuereinnahmen von 1,5 Milliarden Euro mehr als ursprünglich geplant. Daraus könnte man einen Teil für die Bildung einsetzen, wenn man es denn politisch will. Aber offenbar trägt der Ministerpräsident diesen Kurs mit. Sparen um jeden Preis. Und damit spart man Sachsen kaputt und bei der Bildung ist das ganz besonders schlimm."

    Bis 2015 werden 4050 Lehrer in den Ruhestand gehen und nach bisherigen Plänen nur 2200 neu eingestellt. Bis 2020 verlassen dann noch mal knapp 4000 Lehrer aus Altergründen den Schuldienst. Schon jetzt ist Unterrichtsausfall an der Tagesordnung. Wegen der katastrophalen Zustände hat der Landesschülerrat kommende Woche zu Protestaktionen aufgerufen. Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bereitet sich auf einen heißen Sommer vor, wenn sich nicht schnell etwas tut. Bisher aber habe sich die Staatsregierung einer langfristigen Personalplanung verweigert, stellt GEW-Landesvorsitzende Sabine Gerold fest:

    "Insofern ist der Kollaps eigentlich schon fast eingetreten. Es muss ganz schnell dafür gesorgt werden, dass der Einstellungsstopp aufgehoben wird. Dass die jungen Leute, die in den letzten Jahren mit viel Hoffnung hier ausgebildet wurden, die jetzt auch im Vorbereitungsdienst in größerer Zahl aufgenommen wurden, dass die auch eingestellt werden in den Schuldienst und dass in den nächsten Jahren auch mehr Lehrer vorübergehend eingestellt werden als rein rechnerisch vielleicht gebraucht werden, weil sie dann sozusagen der Nachwuchs sind für die große Welle der Lehrer, die in Rente gehen ab 2015."

    Bislang wird der Mangel noch von den verantwortungsvollen Lehrern verwaltet. Aber mit dem PISA-Vorzeigeland Sachsen könnte es ganz schnell vorbei sein. Gerold:

    "Wir machen uns natürlich Sorgen, dass in einer so schwierigen Situation - die Haushaltsverhandlungen laufen, das Schuljahr muss vorbereitet werden - praktisch das gesamte Kultusministerium auseinandergesprengt wird. Wir haben große Sorge, was in den nächsten Wochen im Schulbereich passieren wird."