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Sachsens Skepsis gegenüber Schlecker-Transfergesellschaft

Über 2.000 der etwa 4.500 Filialen der Drogeriemarktkette Schlecker wurden geschlossen. Mehr als 11.000 betroffene Mitarbeiter sollen in Transfergesellschaften aufgefangen werden. Verschiedene Bundesländer sind skeptisch. Sven Morlok (FDP), sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, nennt die Gründe.

Sven Morlok im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Am Telefon ist Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlok von der FDP. Guten Morgen!

    Sven Morlok: Guten Morgen!

    Kaess: Herr Morlok, heute ist der Stichtag einer Zu- oder Absage der Bundesländer, ob sie für Transfergesellschaften bürgen wollen und können. Was haben Sie für Sachsen entschieden?

    Morlok: Wir haben für den Freistaat Sachsen noch keine abschließende Entscheidung getroffen, weil die entsprechenden Informationen noch nicht in der verlässlichen und belastbaren Form vorliegen, dass man verantwortungsvoll "Ja" zu einer Bürgschaft sagen könnte. Von daher müssen wir die Entscheidung des Freistaats Sachsen zur Stunde noch offen lassen.

    Kaess: Was spräche gegen eine Transfergesellschaft, eine Bürgschaft für eine Transfergesellschaft?

    Morlok: Gegen eine Transfergesellschaft spricht in erster Linie die Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir sind der Auffassung, dass wir mit den Regelungen, die wir gestern mit der BA in Sachsen und dem Handelsverband in Sachsen verabredet haben, eine zielgenauere und bessere Vermittlung und Qualifizierung der von der Insolvenz betroffenen Mitarbeiter erreichen könnten, als von einer Transfergesellschaft. Deswegen würden wir diese sächsische Lösung bevorzugen.

    Kaess: Aber wenn Sachsen seine Beteiligung an den Transfergesellschaften, die ja die Schlecker-Mitarbeiter vor sofortiger Arbeitslosigkeit bewahren sollen, verweigert, nehmen Sie nicht das Risiko in Kauf, dass Sie dann als Buhmann dastehen?

    Morlok: Es geht gar nicht darum, ob wir uns als Freistaat Sachsen beteiligen. Die Entscheidung mit dieser Transfergesellschaft trifft Baden-Württemberg. Baden-Württemberg ist Konsortialführer. Wenn Baden-Württemberg für den entsprechenden Kredit bürgt, kommt die Transfergesellschaft zustande.

    Kaess: Aber Baden-Württemberg macht ja, wenn ich es richtig verstanden habe, seine Entscheidung auch abhängig von der Position der anderen Bundesländer.

    Morlok: Das kann ich nur bedingt nachvollziehen. Wir haben ja auch andere Insolvenzen in der Vergangenheit gehabt von Handelsunternehmen. Es gibt die Absprache unterhalb der Bundesländer, dass, wenn wir eine solche länderübergreifende Insolvenz haben, also Mitarbeiter aus verschiedenen Bundesländern betroffen sind, dass immer die Bundesländer sich an der Absicherung beteiligen, in denen jeweils mehr als zehn Prozent der Mitarbeiter beschäftigt sind. Wir haben das gemeinsam mit den Kollegen aus Bayern getan bei der Quelle-Insolvenz, da hat sich Baden-Württemberg auch nicht beteiligt. Ich kann nicht ganz nachvollziehen, dass sich jetzt im selben Fall Baden-Württemberg auf den Standpunkt stellt, sie machen das nur, wenn alle Länder mitmachen.

    Kaess: Wenn diese Entscheidung für eine Transfergesellschaft so schwierig ist, dann frage ich mal anders herum. Haben die Schlecker-Mitarbeiter keine staatliche Hilfe verdient?

    Morlok: Die Schlecker-Mitarbeiter haben eine staatliche Hilfe verdient und es ist im Interesse der Staatsregierung in Sachsen, dass diese Mitarbeiter möglichst schnell vermittelt werden. Deswegen sage ich ja ganz klar: Wir mit den Lösungen, die wir gestern mit dem Handelsverband und der Bundesagentur vereinbart haben, sind näher dran an den Problemen. Wir haben als neues Bundesland, wo wir auch auf EU-Strukturfonds zugreifen können wie dem ESF, bewährte Förderinstrumente im Rahmen der Qualifizierung, die wir einsetzen können. Der Handelsverband hat in Sachsen ein eigenes Weiterbildungsinstitut, das wir nutzen können für eine Intensivqualifizierung von Mitarbeitern. Wir würden als Freistaat Sachsen dies finanzieren. Ich denke, die Mitarbeiter wären bei uns besser aufgehoben.

    Kaess: Die Gewerkschaften gehen aber dennoch davon aus, dass die Vermittlungschancen in den Transfergesellschaften höher sind, weil die Arbeitsuchenden zielgerichteter qualifiziert werden können. Und es geht ja gerade bei Schlecker um schwer vermittelbare, weil weniger qualifizierte Mitarbeiter.

    Morlok: Der Handelsverband hat in Sachsen ein Profiling der Mitarbeiter von Schlecker bereits durchgeführt und kommt zu einem gegenteiligen Ergebnis. Dass die Mitarbeiter in Sachsen eben für ihre Tätigkeit gut qualifiziert sind. Insofern kann ich diese Auffassung nicht teilen.

    Kaess: Okay. – Schauen wir auf einen anderen Punkt. Der Zeitpunkt wird verschoben, zu dem Beschäftigte arbeitslos werden, wenn sie in einer Transfergesellschaft aufgefangen werden. Eventuell gibt es dann sogar für zwei Jahre Arbeitslosengeld statt nur für ein Jahr. Das ist auch kein Argument, kein starkes Argument für eine Transfergesellschaft?

    Morlok: Es geht nicht darum, dass die Mitarbeiter möglichst lange Arbeitslosengeld bekommen, sondern dass die Mitarbeiter möglichst schnell wieder in eine neue Tätigkeit vermittelt werden. Das ist die Aufgabe des Staates und dieser Aufgabe stellen wir uns gemeinsam in Sachsen mit dem Handelsverband und der Bundesagentur. Das ist unser Ziel. Wir wollen nicht Mitarbeiter in Transfergesellschaften parken, sondern wir wollen Mitarbeiter fit machen und vermitteln in eine neue anspruchsvolle Tätigkeit.

    Kaess: Es gibt aber auch einen ganz gravierenden Vorteil mit der Transfergesellschaft für die insolvente Firma, nämlich keine Kündigungsprozesse in dem Fall gegen Schlecker. Und das macht den Einstieg von Investoren wesentlich attraktiver, mit denen dann das Unternehmen gerettet werden könnte.

    Morlok: Das ist sicherlich eine Sache, die der Insolvenzverwalter berücksichtigen muss. Allerdings ist es ja so, dass die Einrichtung einer Transfergesellschaft nicht zwingend dazu führt, dass die Mitarbeiter sich dazu bereit erklären, in diese zu wechseln. Sie müssen ja einen Aufhebungsvertrag vereinbaren. Diese Überlegungen sind sicherlich Dinge, die man berücksichtigen muss. Aber wir gehen davon aus, dass im Freistaat Sachsen sowohl die jetzt von der Kündigung bedrohten Mitarbeiter als auch diejenigen, die vorgesehen sind durch den Insolvenzverwalter, im Schlecker-Unternehmen zu verbleiben, gute Vermittlungschancen haben. Und wir würden uns auch über diese Mitarbeiter intensiv kümmern. Das, denke ich, ist aufgrund der Situation in der Branche für die Mitarbeiterinnen die bessere Lösung.

    Kaess: Nun hat Ihr Parteikollege Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler es abgelehnt, dass der Bund bürgen könnte. Fühlen Sie sich hier vom Bund allein gelassen?

    Morlok: Wir haben bisher noch keine verlässlichen Informationen, die es uns ermöglichen, als Freistaat Sachsen unter wirtschaftlichen Bedingungen einer Bürgschaft zuzustimmen. Insofern kann ich gut nachvollziehen, dass der Bund einer entsprechenden Bürgschaftsübernahme auch nicht zustimmen konnte.

    Kaess: Wie sehen Sie denn die Zukunft des Unternehmens Schlecker?

    Morlok: Wir gehen davon aus, dass sich in diesem Markt ein sehr harter Konkurrenzkampf befindet. Wir haben eine hohe Wettbewerbsintensität. Es gibt viele anderen Wettbewerber auf dem Markt. Ich sehe die Zukunft des Unternehmens Schlecker sehr kritisch, also auch des möglicherweise in der Insolvenz verbleibenden Unternehmens Schlecker. Deswegen auch die große Zurückhaltung, die wir bezüglich einer Transfergesellschaft haben. Darüber hinaus ist zu beachten, dass wir hier die Insolvenz eines Handelsunternehmens haben, wo die Mitarbeiter sehr breit in der Fläche verteilt sind. Das heißt Qualifizierungsmaßnahmen in einer Transfergesellschaft ja viel, viel schwerer zu realisieren sind, als wenn sie meinetwegen eine Insolvenz eines produzierenden Unternehmens haben, wo 500 Mitarbeiter an einem Standort sind, wo man vor Ort richtig sich um die Menschen kümmern kann. Die Schlecker-Mitarbeiterinnen sind ja im Land verteilt. Das auch spricht gegen eine Transfergesellschaft.

    Kaess: Aber da verstehe ich Sie auch richtig bezüglich der Zukunft des Unternehmens. Es besteht weiterhin ein hohes Risiko für die Mitarbeiter, die jetzt gar nicht aufgefangen werden müssen, sondern noch bei dem Unternehmen bleiben können?

    Morlok: Wenn man sich die Situation in der Branche anschaut, den Wettbewerbsdruck innerhalb der Branche anschaut, muss man sicherlich ein großes Fragezeichen an die Zukunft von Schlecker machen. Auch hinter die Filialen, die momentan noch nicht von der Schließung betroffen sind.

    Kaess: Sachsens Wirtschaftsminister war das, Sven Morlok von der FDP. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Morlok.

    Morlok: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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